Essen. Studie von Startup-Verband und RAG-Stiftung: Im Ruhrgebiet gibt es noch viel Potenzial für Firmengründungen im Gesundheitssektor.
Im Ruhrgebiet gibt es großes Potenzial für Firmengründungen im Gesundheitssektor. Zu dieser Einschätzung kommen der Berliner Startup-Verband und die Essener RAG-Stiftung im Zusammenhang mit der Veröffentlichung einer Studie, die sich mit dem Aufbau junger Unternehmen rund um die Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in der Region befasst.
Es gebe bereits einige Beispiele dafür, „dass im Ruhrgebiet sehr erfolgreiche Health-Start-ups aufgebaut werden können“, schreiben die Studienautoren und verweisen unter anderem auf das Duisburger Biopharma-Unternehmen Emergence Therapeutics, das sich auf Krebstherapien spezialisiert und vor wenigen Monaten Kapital in Millionenhöhe von internationalen Investoren eingesammelt hat. Eine weitere „Erfolgsgeschichte“ liefere die Bochumer Firma Phenox, die kürzlich vom chinesisch-amerikanischen Medizintechnikhersteller Wallaby Medical übernommen worden sei. Das Revier habe „umfassendes Innovationspotenzial“ im Gesundheitssektor bewiesen, „gleichzeitig offenbart sich in der noch geringen Gründungsaktivität Nachholbedarf in der Breite“.
Um mehr Firmengründungen zu erreichen, sind nach Einschätzung der Studienautoren die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Region der wichtigste Ansatzpunkt. Hier seien branchenspezifische Förderangebote gefragt, um die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Gründungen zu sensibilisieren und Labore oder Werkstätten für Start-ups zugänglich zu machen.
Lange Entwicklungszyklen von Biotech-Firmen erfordern viel Kapital
Essenziell für den Aufbau eines erfolgreichen Start-ups in der Gesundheitswirtschaft sei zudem Kapital von Investoren, wird in der Studie betont. Nur so könnten Biotech- und Medizintechnikfirmen mit ihren langen Entwicklungszyklen Produkte und Dienstleistungen bis zur Marktreife bringen. Um Gründern Kontakte in den Investmentsektor zu ermöglichen, sollte nach Meinung der Studienautoren an bestehende regionale Strukturen angeknüpft werden. Akteure wie die landeseigene NRW.Bank und der regional aktive Gründerfonds Ruhr könnten hier „eine zentrale Rolle einnehmen“.
Trotz aktueller Erfolge liege Deutschland als Innovationsstandort im Gesundheitssektor weiterhin zurück. In den USA flossen der Studie zufolge in den vergangenen fünf Jahren 213 Milliarden US-Dollar in Gesundheits-Start-ups, in Deutschland dagegen nur sechs Milliarden US-Dollar. Pro Kopf liegen demnach die Investitionen in den USA um das Neunfache höher.
Gerade in den Bereichen Biotech und Medtech hätten Gründer „häufig einen klar wissenschaftlich geprägten Hintergrund“. Damit sei der Aufbau eines Unternehmens für viele „aufgrund der hinzukommenden unternehmerischen Anforderungen ein signifikanter Schritt, der neue Fähigkeiten erfordert“.
Ärzteschaft, Krankenhäuser und Kassen mit Firmengründern verknüpfen
In der Studie kommen auch Praktiker und Experten zu Wort, so beispielsweise Hermann Monstadt, der Gründer und Geschäftsführer von Phenox. Auf dem Feld der Medizintechnik habe Deutschland „gute Grundlagen in der Ausbildung und Forschung vorzuweisen“, wird Monstadt zitiert. Allerdings seien mit einer neuen Verordnung über Medizinprodukte die regulatorischen Anforderungen in Deutschland deutlich gestiegen. „Das bindet enorme Ressourcen, die gerade junge Unternehmen kaum aufbringen können. Damit laufen wir Gefahr, als Innovationsstandort in der Medizintechnik international abgehängt zu werden“, warnt Monstadt.
David Matusiewicz, Dekan und Institutsdirektor der Hochschule FOM in Essen, erklärt, Deutschland habe bei der Digitalisierung des Gesundheitssektors „lange zu den Schlusslichtern“ gehört, hole aber auf. „Um weiter voranzukommen, gilt es jetzt, digitale Innovatoren enger mit den klassischen Akteuren, also der Ärzteschaft, Krankenhäusern und den Kassen zu verknüpfen.“
Für RAG-Stiftungschef Bernd Tönjes wird nach Lektüre der Studie deutlich, dass die Region ihre Möglichkeiten, „die sich etwa aus der starken Forschung oder den exzellenten Universitätskliniken in unserer Region ergeben“, noch nicht ausschöpfe. „Hier sollten wir unsere vielfältigen Ressourcen koordiniert weiterentwickeln, um den Gesundheitsstandort Ruhr gezielt zu stärken“, fordert Tönjes.