Essen. Evonik in der ersten Börsenliga? Er gehe sehr fest davon aus, dass der Essener Konzern zukünftig im Dax sein werde, sagt Vorstandschef Kullmann.
Im nächsten Jahr kann Evonik ein Jubiläum feiern. Seit zehn Jahren wird der Essener Chemiekonzern dann an der Börse sein. „Jetzt haben wir’s geschafft“, jubelte der damalige Evonik-Chef Klaus Engel, als an einem Frühlingstag im April 2013 grelles Glockengeläut über das Parkett in Frankfurt hallte und der Einstiegskurs auf dem Bildschirm erschien: 33 Euro.
Aufbruchstimmung herrschte auch beim zweiten öffentlichen Aktionärstreffen seit dem Börsengang: Evonik-Gründervater Werner Müller schürte Hoffnungen auf einen Aufstieg des Revierkonzerns in Deutschlands erste Börsenliga. „Ich bin zuversichtlich, dass das Unternehmen irgendwann auch im Dax notiert sein wird“, sagte Müller im Mai 2015 in der Essener Grugahalle. Vor drei Jahren starb Müller, doch der Gedanke, dass Evonik eher früher als später zum mittlerweile auf 40 Mitglieder erweiterten Deutschen Aktienindex (Dax) gehören sollte, lebt in den Köpfen von Aktionären weiter.
„Das Ziel von Evonik muss sein, in den Dax 40 zu kommen“, sagt Ulrich Hocker, der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), am Rande der diesjährigen digitalen Hauptversammlung. Noch spiele Evonik mit seiner Notierung im MDax für Deutschlands mittelgroße Unternehmen „eine Nischenrolle am Kapitalmarkt“.
„Aktie folgt Erfolgsstory nicht“
Diese habe Evonik nicht verdient habe, urteilt Hocker, denn der Konzern entwickle sich gut. Bei der weiteren Spezialisierung auf margenstarke Produkte der Spezialchemie mache das Unternehmen Fortschritte. „Aber der Aktienkurs folgt dieser Erfolgsstory nicht“, sagt Hocker. Dies habe wesentlich mit der starken Stellung der RAG-Stiftung zu tun. Denn durch den Mehrheitsbesitz der Stiftung seien zu wenige Aktien frei am Markt verfügbar. Das bremse den Handel mit Evonik-Papieren. Das müsse sich ändern, damit der Ruhrkonzern für Anleger interessanter werde. Offen fordert Hocker die RAG-Stiftung auf, weitere Evonik-Aktien zu verkaufen.
„Der Dax 40 ist für Evonik natürlich ein verlockendes Ziel“, sagt auch Paul Petzelberger, Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (Sdk). Gemessen am Börsenwert von derzeit rund 11,8 Milliarden Euro hätte Evonik das Format für den Deutschen Aktienindex. Dax-Unternehmen wie der Essener Chemikalienhändler Brenntag oder der aus dem Bayer-Konzern entstandene Kunststoffhersteller Covestro erreichen im Vergleich dazu nur eine niedrigere Marktkapitalisierung.
Die Besonderheit bei Evonik ist, dass die RAG-Stiftung derzeit 56 Prozent der Anteile hält. Für einen Aufstieg von Evonik in den Dax wären nach Einschätzung von SdK-Vorstand Petzelberger neben weiteren Anteilsverkäufen der Stiftung auch „nennenswerte Kurssteigerungen“ erforderlich. Derzeit rangiert die Evonik-Aktie bei etwas mehr als 25 Euro – und damit deutlich unter dem Ausgabekurs von 33 Euro vor neun Jahren. Aktuell zeichne sich eine Dax-Aufnahme von Evonik nicht ab, sagt der SdK-Experte, realistischer sei eher eine Drei-Jahres-Perspektive.
Auch die RAG-Stiftung denkt langfristig. Ihre Aufgabe ist es, Geld für die Ewigkeitskosten des Steinkohlenbergbaus zu erwirtschaften. Allein in diesem Jahr erhält die Stiftung 300 Millionen Euro Dividende von Evonik. Mit einer Dividendenrendite von rund vier Prozent belege Evonik „weiter eine Spitzenposition nicht nur in der Chemieindustrie“, betont Vorstandschef Christian Kullmann während der Hauptversammlung.
Kullmann geht „sehr fest davon aus“, dass Evonik in den Dax kommt
In den Dax zu kommen, sei „kein zentrales Ziel“, sagt Kullmann. Es gehe darum, mit Evonik „Mehrwert“ für Kunden, Beschäftigte und Aktionäre zu schaffen. Dabei setze das Management auf eine Strategie „mit langem Blick“. „Sollte uns die – und davon gehen wir sehr fest aus – zukünftig in den Dax 40 führen, dann freuen wir uns darüber natürlich tüchtig“, fügt Kullmann hinzu. Sein Vertrag ist unlängst bis zum Jahr 2027 verlängert worden.
Als Kullmann zu den Aktionären spricht, sitzt RAG-Stiftungschef Bernd Tönjes in seiner Funktion als Evonik-Aufsichtsratschef neben ihm. In der kommenden Woche will Tönjes seine eigene Jahresbilanz vorlegen. Eine Einladung ins Stiftungsgebäude auf dem Essener Zollverein-Areal gibt es schon. Gut möglich, dass Tönjes dann auch nach möglichen Verkäufen von Evonik-Aktien und der Dax-Perspektive des Konzerns gefragt wird.