Düsseldorf. Aktionärstreff: Krieg in der Ukraine beschert Rheinmetall Rekordaufträge. Konzernchef Papperger gibt sich patriotisch, wird aber auch kritisiert.

Der Rheinmetall Platz 1 in Düsseldorf ist eine gefragte Adresse in diesen Wochen. Auch für Friedensaktivisten, die am Dienstag vor der Zentrale des größten deutschen Rüstungskonzerns gegen Waffenlieferungen an die Ukraine demonstrierten. Rheinmetall darf mit Milliarden-Aufträgen aus Berlin rechnen, um die „nur bedingt einsatzfähige“ Bundeswehr zu ertüchtigen. Denn was der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) schon vor 22 Jahren dem „Spiegel“ beichtete, gilt heute erst recht – der eigene Heeresinspekteur sieht das deutsche Militär „mehr oder weniger blank“ dastehen. Kein Wunder also, dass Rheinmetall-Chef Armin Papperger auf der Hauptversammlung seinen Aktionärinnen und Aktionären eine einträgliche Zukunft versprechen konnte. Doch er musste auch unangenehme Fragen zu Geschäften mit Russland beantworten.

„Der russische Markt spielt für uns keine Rolle. Bereits 2014, also mit der russischen Annexion der Krim und der Regionen in der Ostukraine, haben wir unsere Geschäftsaktivitäten im militärischen Bereich, die bis dahin von der Bundesregierung gefördert wurden, eingestellt“, betonte Papperger in seiner Rede. Wissend, dass ihm der Dachverband der kritischen Aktionäre das nicht durchgehen lassen würde. Denn der Rückzug erfolgte seinerzeit keineswegs freiwillig, sondern weil die Bundesregierung Rheinmetall untersagte, das geplante Gefechtsübungszentrum im russischen Mulino zu bauen. Dagegen klagte der MDax-Konzern damals auch noch, weil damit ein 100-Millionen-Euro-Auftrag platzte.

Unangenehme Fragen zu Übungszentrum in Russland

Damals wie heute begründet Papperger dies mit der aktienrechtlichen Pflicht des Vorstands, Schaden für die Anteilseigner auch rechtlich abwenden zu müssen, um nicht selbst belangt werden zu können. Die kritischen Aktionäre nutzten angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine die Gelegenheit, den Finger noch einmal in diese Wunde zu legen. Auf die Frage, ob er es im Nachhinein für richtig halte, das als hochmodern gepriesene Übungszentrum, in dem jährlich 30.000 russische Soldaten für den modernen Krieg, etwa unübersichtliche Häuserkämpfe trainiert werden sollten, nicht gebaut zu haben, rang sich Papperger ein „Ja“ ab.

Er betonte aber, es sei damals der Wunsch der Bundesregierung gewesen, mit Russland insbesondere im Kampf gegen den islamistischen Terror zusammenzuarbeiten. Barbara Happe von der Menschrechtsorganisation Urgewald, die für die kritischen Aktionäre die Fragen an Papperger stellte, überzeugte das nicht, zumal Russland den Übungsplatz selbst fertigstellte und heute ausgiebig nutzt. Sie nannte das vor der Hauptversammlung die „Doppelmoral eines Kriegsgewinnlers“.

Panzer vom Typ „Marder“ bereitet Rheinmetall derzeit auf, sie könnten der Ukraine oder für einen Ringtausch an Slowenien geliefert werden, darüber diskutiert die Bundesregierung derzeit.
Panzer vom Typ „Marder“ bereitet Rheinmetall derzeit auf, sie könnten der Ukraine oder für einen Ringtausch an Slowenien geliefert werden, darüber diskutiert die Bundesregierung derzeit. © dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

2022 steht der Konzern am Beginn einer langen Phase großen Wachstums – und zwar nicht zuletzt wegen der russischen Gräueltaten in der Ukraine. „Dieser Angriffskrieg markiert in der Tat einen Wendepunkt für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik – in Deutschland, in Europa und wahrscheinlich weit darüber hinaus“, sagte Papperger. Und fügte ein patriotisches Gelöbnis an: „Wir müssen unserem Land und Europa dienen.“

Was das fürs Geschäft bedeutet, erläuterte der Konzernchef ausführlich. Erhöhe die Bundesregierung ihre Militärausgaben wie angekündigt, müssten sich die Aufträge nur von der Bundeswehr absehbar auf vier Milliarden Euro verdoppeln. Zudem erwarten die Düsseldorfer auch aus weiteren europäischen Staaten zusätzliche Aufträge. Den aktuellen Jahresumsatz von knapp sechs Milliarden Euro sieht Papperger in den nächsten Jahren im zweistelligen Milliardenbereich, wie er der Süddeutschen Zeitung sagte.

Rheinmetall setzt ausrangierte Marder für die Ukraine instand

Rheinmetall habe auf eigenes Risiko auch bereits begonnen, ausrangierte Marder-Panzer instandzusetzen. Man könne bald liefern, wenn die Regierung dies wolle: „Wir könnten zum Beispiel mittelfristig insgesamt 100 Marder zur Verfügung stellen, die ersten wären in drei Wochen fertig“, sagte Papperger der Zeitung. Und machte indirekt Druck auf Berlin: „Wir warten auf die endgültige Entscheidung der Regierung. Aber es gibt derzeit genügend Länder, die diese Fahrzeuge haben wollen, nicht nur die Ukraine.“

Rheinmetall-Chef Armin Papperger geht von einer Verdopplung der Aufträge durch die Bundeswehr aus.
Rheinmetall-Chef Armin Papperger geht von einer Verdopplung der Aufträge durch die Bundeswehr aus. © dpa | Marcel Kusch

Für dieses Jahr erwartet der Konzern 15 bis 20 Prozent mehr Umsatz, für die folgenden Jahre lasse sich das noch nicht genau beziffern, aber die Auftragseingänge versprechen große Umsatz- und Gewinnsprünge. Allein die Bestellungen von Rad- und Kettenfahrzeugen stiegen im ersten Quartal dieses Jahres um mehr als das Doppelte auf 398 Millionen Euro, Waffensysteme und Munition wurden im Wert von 1,15 Milliarden Euro geordert – das Fünffache dessen, was im Vorjahresquartal bestellt wurde. Einer der Hauptkunden ist Ungarn.

An der Börse kamen diese bereits vergangene Woche veröffentlichten Zahlen gut an. Seit Jahresbeginn hat sich der Kurs der Rheinmetall-Aktie mehr als verdoppelt, insbesondere durch einen sprunghaften Anstieg nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar. Die Aktionäre erhalten für 2021 eine um 65 Prozent von zwei auf 3,30 Euro erhöhte Dividende.