Essen. Rheinmetall will seine Dividende nach einem Rekordgewinn deutlich anheben. Der Krieg in der Ukraine treibt den Aktienkurs der Rüstungskonzerne.

Kühl-nüchterne Reaktionen auf den Krieg in der Ukraine sind rar dieser Tage. Zu den Ausnahmen gehören stets die Bewegungen an den Finanzmärkten. Sie griffen bei den Aktien von Rüstungsunternehmen kräftig zu und trieben deren Kurse nach oben. Ein Anteilsschein des deutschen Marktführers Rheinmetall wurde gestern an der Frankfurter Börse mit bis zu 105,50 Euro gehandelt, dem höchsten Wert der vergangenen zwölf Monate. Seit dem Einmarsch der Russen ist der Kurs um gut acht Prozent gestiegen. Ähnlich steil nach oben ging es für die Aktie der Airbus-Ausgliederung Hensoldt, Spezialist für Sensorik und Verschlüsselungstechnik für den militärischen Einsatz.

Weil Aktienkäufe stets eine Wette auf die Zukunft sind, lässt das nur diesen Schluss zu: Die Börsen rechnen mit steigenden Rüstungsausgaben – mindestens in Europa und wahrscheinlich weltweit. Denn neu ist nicht nur die Erkenntnis, dass auch Europa nach Jahrzehnten des Friedens keine kriegsfreie Zone mehr ist. Neu ist auch der breite Konsens in der Deutschen Politik, die laut eigenem Heeresinspekteur „mehr oder weniger blank“ dastehende Bundeswehr aufrüsten zu wollen. Das deutsche Militär ist der größte Kunde von Rheinmetall, bestellt vor allem Panzer und Artillerie-Munition. Im Rest Europas, vor allem Großbritannien, aber auch weltweit gefragt sind zudem die Luftabwehrsysteme aus Düsseldorf.

Auch die Grünen fordern nun steigende Militärausgaben

Steigende Militärausgaben fordern spätestens seit Donnerstag auch führende Grünen-Politiker, allen voran Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck. Das blieb den Finanzmärkten nicht verborgen und dürfte auch die Vorstände von Rheinmetall, Hensoldt, Krauss-Maffei Wegmann und anderen Rüstungskonzernen freuen.

Auch interessant

Der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp hat bereits im vergangenen Sommer einen neuen Großauftrag von der Bundeswehr für den Bau zweier U-Boote sowie vier baugleichen Unterwasserbooten für die norwegische Marine für den Rekordwert von insgesamt 5,5 Milliarden Euro erhalten. Da auch Israel erst zu Jahresbeginn drei U-Boote bestellt hat, ist die Kieler Werft mit ihren rund 3600 Mitarbeitenden am Standort auf viele Jahre ausgelastet. Deshalb reagierten Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und die IG Metall auch irritiert auf die jüngsten Äußerungen von Konzernchefin Martina Merz, die auf der Hauptversammlung Anfang Februar Partnerschaften für Marine Systems bis hin zum Verkauf angekündigt hatte.

Rheinmetall schüttet 65 Prozent mehr Geld an seine Aktionäre aus

Rheinmetall gab am Tag nach dem Überfall auf die Ukraine durch das russische Militär überdies bekannt, dass der Düsseldorfer MDax-Konzern deutlich mehr Geld an seine Aktionäre ausschütten will: Der Vorstand schlug der Hauptversammlung eine Anhebung der Dividende um satte 65 Prozent von zwei auf 3,30 Euro je Aktie für das Geschäftsjahr 2021 vor. Das geht aus einer Pflichtmitteilung des Rüstungs- und Autozuliefer-Konzerns an die Börse hervor. Erst vor zwei Wochen hatte Rheinmetall ebenfalls per Ad-hoc-Mitteilung einen Rekordgewinn für 2021 gemeldet.

Auch interessant

Was Außenstehende als zynischen Zeitpunkt für die Bekanntgabe von Konfliktprofiten auffassen könnten, ist dem Umstand geschuldet, dass der Krieg in der Ukraine mitten in die Bilanzsaison der börsennotierten Konzerne fällt. Rheinmetall stellt seine Jahreszahlen am 17. März vor. Ist absehbar, dass bisherige Prognosen übertroffen oder unterschritten werden, oder sickern Zahlen durch, ist der Vorstand verpflichtet, dies der Börse und seinen Aktionären umgehend mitzuteilen.

Rheinmetall mit Rekordgewinn und Auftragsflut

Die Ausreißer bei Rheinmetall zeigten zuletzt stets nach oben. Nach vorläufigen Zahlen stieg der Umsatz 2021 um 4,7 Prozent auf 5,66 Milliarden Euro, beim operativen Gewinn legten die Düsseldorfer um ein rundes Drittel auf den neuen Rekord von 595 Millionen Euro zu. Angesichts der neuen weltpolitischen Lage erwarten die Finanzmärkte mit Spannung die Prognose für das laufende Jahr. Sie wird erst Mitte März veröffentlicht, Rheinmetall-Chef Armin Papperger ließ zuletzt aber keinen Zweifel an der Richtung: „Von der Performance war 2021 unser Rekordjahr. Und 2022 wird beim Umsatz und dem operativen Ergebnis sehr wahrscheinlich noch besser“, sagte er unlängst der Wirtschaftswoche.

Das ließen bereits die Auftragseingänge im vergangenen Jahr erwarten: In allen Rüstungs-Divisionen von Rheinmetall – Militärfahrzeuge, Waffen und Munition sowie Elektronik – stiegen die Werte der bestellten Güter sprunghaft an, vor allem für britische Challenger- und deutsche Puma-Panzer. Ob Rheinmetall nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine nun eine neue Auftragsflut erwarte, beantwortete ein Konzernsprecher auf Anfrage unserer Redaktion ausweichend: Man wolle „den Geschäftsaussichten im Lichte der aktuellen Ereignisse unserer Bilanzpressekonferenz am 17. März nicht vorgreifen“. Zumal Bestellungen nicht automatisch Umsatz bedeuten: Wie in so vielen Branchen bremst der globale Chipmangel auch die Produktion der Rüstungsindustrie.