Essen. Flüssiggas soll helfen, Deutschlands Energieabhängigkeit von Russland zu beenden. Konzerne RWE, OGE und Uniper spielen dabei eine Schlüsselrolle.

Nordrhein-westfälische Energiekonzerne gehören seit vielen Jahren zu den großen Abnehmern von russischem Erdgas, nun wirken sie dabei mit, die Abhängigkeit von Lieferungen aus dem Osten zu reduzieren. So sind der Essener Versorger RWE und die frühere Eon-Tochter Uniper maßgeblich am Aufbau einer Infrastruktur für die Versorgung mit Flüssiggas über deutsche Häfen beteiligt. Auch der Essener Pipelinebetreiber Open Grid Europe (OGE) wirkt mit.

RWE habe im Auftrag und im Namen der Bundesregierung zwei Spezialschiffe gechartert, mit denen Flüssiggas importiert und ins deutsche Gasnetz eingespeist werden könne, erklärt Andree Stracke, der Chef der RWE-Konzerntochter Supply & Trading. Damit unterstütze RWE die Bundesregierung dabei, „die Versorgungssicherheit in Deutschland kurzfristig zu stärken und sich so schnell wie möglich aus einer einseitigen Energie-Abhängigkeit zu lösen“. Ab dem nächsten Jahr werde es möglich sein, mit dem Projekt einen Teil des russischen Gases zu ersetzen.

Der Düsseldorfer Energiekonzern Uniper wiederum will das bundesweit erste Terminal für verflüssigtes Erdgas – sogenanntes LNG – bauen. Als Errichter und Betreiber des Terminals wird Uniper eigenen Angaben zufolge rund 65 Millionen Euro investieren. Erste Pfosten für ein LNG-Terminal wurden im niedersächsischen Wilhelmshaven am Donnerstag eingerammt. Für den neuen Anleger mit einer Länge von 370 Metern sind 150 Stahlpfähle erforderlich.

Auch der Essener Pipelinekonzern OGE ist beteiligt. Der Standort Wilhelmshaven soll über eine neue unterirdische Leitung an das 28 Kilometer entfernte Erdgasnetz angebunden werden – und damit auch an einen Gasspeicher in Etzel in Ostfriesland. In Zukunft könnten rund 8,5 Prozent des deutschen Erdgasbedarfs über Wilhelmshaven gedeckt werden, heißt es in einer Mitteilung von Uniper.

Spezialschiffe im Einsatz

Zunächst ist eine Übergangslösung geplant. Bis die ersten LNG-Terminals auf dem deutschen Festland gebaut sind, sollen Spezialschiffe zum Einsatz kommen. RWE hat zwei sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FSRU) gechartert und will auch den Betrieb der Schiffe übernehmen.

Beide Schiffe seien im Eigentum des Unternehmens Höegh, das über die weltgrößten FSRU-Flotte verfügt, erklärt RWE. Jedes der Schiffe sei in der Lage, in einem Entladevorgang jeweils bis zu 170.000 Kubikmeter LNG von Tankern aufzunehmen und ins Gasnetz einzuspeisen. Bevor das auf minus 162 Grad heruntergekühlte LNG in die Gasnetze geleitet werden kann, muss es erwärmt und regasifiziert werden. Mit den beiden 300 Meter langen FSRU in Wilhelmshaven können nach Angaben von RWE zwischen zehn und 14 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr für den deutschen Gasmarkt verfügbar gemacht werden.

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Bis vor kurzem bezog Deutschland noch 55 Prozent seines Jahresbedarfs von insgesamt rund 90 Milliarden Kubikmetern Erdgas aus Russland. Inzwischen sei der Anteil auf 35 Prozent reduziert worden, berichtet Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Insgesamt geht es um vier FSRU, die von RWE und Uniper betrieben werden sollen. Der Bund will dafür Dienstleistungsverträge schließen. Dafür stehen Haushaltsmittel der Bundesregierung von 2,94 Milliarden Euro zur Verfügung. So werden jeweils zwei Schiffe gemietet.

Eine zweite FSRU-Anlage soll Anfang 2023 in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein an den Start gehen. Auch im niedersächsischen Stade ist ein Terminal geplant.

Umweltverbände zeigen sich besorgt um Schweinswale

Bei Umweltschutzverbänden stießen die Terminal-Pläne für Wilhelmshaven auf Kritik. So fordert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einen sofortigen Baustopp. Es drohe eine unumkehrbare Zerstörung eines Unterwasser-Biotops, außerdem würden Schweinswale gefährdet, bemängelt die DUH. Die Geschäftsführerin des BUND-Landesverbandes Niedersachsen, Susanne Gerstner, kritisiert, der Baubeginn erfolge ohne Offenlegen der Unterlagen und ohne Beteiligung der Umweltverbände. Wirtschaftsminister Habeck warnt eindringlich davor, die Infrastruktur-Projekte zu gefährden. „Sollten wir die LNG-Terminals nicht haben und sollte das Gas nicht aus Russland kommen, ist die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht gewährleistet“, sagt Habeck.

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Der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) betont, „auf dem Weg raus aus dem Klammergriff russischer Gaslieferungen“ wolle Niedersachsen, Verantwortung übernehmen. Die Projekte würden mit „einer ganz neuen Geschwindigkeit“ umgesetzt.

Uniper ist seit Jahren einer der größten Kunden des russischen Staatskonzerns Gazprom. „Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Welt, in der wir leben, auf den Kopf gestellt – das gilt insbesondere für die Energiewirtschaft“, sagt Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach. „Mit unserem LNG-Terminal machen wir – im Schulterschluss mit der Bundesregierung – einen wichtigen Schritt in Richtung der angestrebten energiewirtschaftlichen Unabhängigkeit.“