Düsseldorf/Essen. Um einen Gas-Lieferstopp abzuwenden, verbünden sich Konzerne wie Evonik, RWE und Thyssenkrupp. Angst vor „Zusammenbruch der Schlüsselindustrien“.

Nordrhein-westfälische Konzerne wie Evonik, RWE und Thyssenkrupp warnen in einer gemeinsamen Erklärung vor den Folgen eines Stopps der Erdgas-Lieferungen aus Russland. „Die Versorgung mit Erdgas muss bei uns gesichert sein, denn wesentliche Teile unserer Grundstoffindustrie benötigen Erdgas als Energielieferant und als Rohstoff und Prozessgas“, heißt es in einem von der NRW-Staatskanzlei veröffentlichten Text, den neben Ministerpräsident Hendrik Wüst unter anderem Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz, der Evonik-Vorstandsvorsitzende Christian Kullmann und der nordrhein-westfälische Arbeitgeber-Präsident Arndt G. Kirchhoff unterzeichnet haben.

„Ein Zusammenbruch der Schlüsselindustrien in Nordrhein-Westfalen würde zu einer negativen Kettenreaktion nicht nur in unserem Bundesland, sondern im gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland führen“, warnen die Wirtschaftsakteure. Erdgas sei für die Produktion in der Glas-, Stahl- und Chemieindustrie zentral und stehe am Anfang einer Vielzahl von Wertschöpfungsketten, etwa bei der Herstellung von Maschinen, Konsumgütern oder medizinischen Versorgungsmaterialien sowie dem Bau von Anlagen, Gebäuden und Autos.

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„Wir müssen die vielen tausend Familien, deren Lebensunterhalt von unseren Industriearbeitsplätzen abhängt, schützen und absichern“, heißt es weiter in der Erklärung, die auch von der nordrhein-westfälischen Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie den Unternehmen Covestro, Trianel und Westenergie unterzeichnet worden ist. Die Wirtschaftsvertreter fordern die Bundesregierung dazu auf, im Krisenfall „besondere Maßnahmen zur Sicherung der Energie- und Gasversorgung der Industrieregion Nordrhein-Westfalen“ zu ergreifen.

Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz sagte am Sonntag im Beisein von Ministerpräsident Wüst, die Wirtschaft müsse „klare Kante“ gegen den russischen Präsidenten Putin zeigen, der eine „unerträgliche, unmenschliche Haltung“ zeige. Mit den gegen Russland verhängten Sanktionen sollte Deutschland allerdings „den Aggressor treffen und nicht überwiegend sich selber.“ Die Auswirkungen von Sanktionen in Deutschland – Preissteigerungen etwa – könnten insbesondere für „die sozial Schwächeren in besonderer Weise“ zu einer Belastung werden, so die Thyssenkrupp-Chefin.

Kullmann: „Russland schwächen und uns dabei stärken“

Aus Sicht von Evonik-Chef Kullmann wäre ein Gas-Embargo gegen Russland „ein Fehler“. Das Ziel müsse sein, „Russland zu schwächen und uns dabei zu stärken, damit wir in Zukunft der Ukraine noch besser helfen können“. NRW-Arbeitgeberpräsident Kirchhoff vertritt den Standpunkt, es reiche nicht aus, sich „moralisch stärker“ fühlen zu können. Deutschland müsse auch wirtschaftlich stark sein, um es „sich leisten“ zu können, „diese Terroristen, diese Kriegsverbrecher zu bekämpfen“.

Es gebe einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und der Handlungsfähigkeit Deutschlands, hebt der Vorsitzende der Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, hervor. Wenn Deutschlands Industrie etwa durch einen Mangel an Erdgas „massiv getroffen würde“, könne die Bundesrepublik „auch nicht im gleichen Maße helfen, wie wir es jetzt tun können“ – weder mit Geld noch beim Wiederaufbau oder durch Waffenlieferungen. Auch den Ukrainern sei „nicht damit geholfen“, wenn Deutschland seine Wirtschaftskraft verliere.