Essen. Eon kündigt Preiserhöhungen bei Strom und Gas an, Verbraucherschützer erwarten neue Preisrunde. Vivawest erhöht Vorauszahlung um 30 Prozent.
Als säße der letzte Preisschock an Tankstellen und im Supermarkt nicht tief genug, droht bereits die nächste Runde bei Strom und Gas. Der Essener Versorger Eon hat sie angekündigt, Energieexperten haben keinen Zweifel, dass dieser Schritt des Dax-Konzerns die Regel und nicht die Ausnahme sein wird. „Wir sehen flächendeckende Erhöhungen, und das wird in den kommenden Monaten so weitergehen“, sagt Lundquist Neubauer unserer Redaktion, er ist Energieexperte beim Vergleichsportal Verivox.
Russlands Krieg in der Ukraine und die dadurch zugespitzte Energiekrise setzen derzeit scheinbar eherne Regeln auf den Energiemärkten außer Kraft. Früher hätten die Versorger ihre Preise in der Regel einmal im Jahr angepasst, nun drohten mehrere Preiswellen. „Seit dem Herbst sehen wir Monat für Monat Erhöhungen, einzelne Anbieter haben seitdem bereits mehrfach angehoben“, so Neubauer.
Eon: Das Füllen der Gasspeicher im Sommer wird teuer
Wie schlimm es wird, hängt vor allem von der Entwicklung des russischen Angriffs auf die Ukraine ab, ob daraus ein abruptes Ende der Gaslieferungen aus Russland folgt und ob alternative Lieferwege gefunden werden. Deshalb will Eon auch noch keine Zahlen nennen. Entscheidend für die Preisentwicklung sei, ob es im Sommer gelinge, die Gasspeicher für die nächste Heizsaison zu füllen. „Derzeit sind die Speicher nur zwischen 25 und 27 Prozent gefüllt. Da ist ein sehr niedriges Niveau, entsprechend hoch wird die Nachfrage zum Füllen der Speicher sein. Und das treibt die Preise“, sagte Eon-Deutschlandchef Filip Thon dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, und betonte: „Die Lage ist sehr angespannt – auch ohne Lieferstopp.“
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Anders als an der Tankstelle und im Supermarkt merkt das der Endkunde aber nicht sofort. Zum einen haben Neukunden häufig eine zwölfmonatige Preisbindung. Selbst wenn nicht, bleiben die Abschläge in der Regel zunächst stabil. Und: Die allermeisten Mieterinnen und Mieter zahlen ihre Gasrechnung nicht direkt an den Versorger, sondern als Nebenkosten über ihren Vermieter. Laut Verbraucherzentrale NRW haben 85 Prozent keinen eigenen Wärmevertrag, sondern werden über eine Zentralheizung mit Gas oder Fernwärme versorgt, deren Abrechnung über den Vermieter läuft.
Der große Schock droht damit erst im Laufe des Jahres 2023, wenn die Nebenkostenabrechnung kommt. Große Wohnungskonzerne haben schon jetzt Sorgen, dass viele sie nicht werden zahlen können. Marktführer Vonovia rät schriftlich oder telefonisch allen, freiwillig ihre Abschläge zu erhöhen, um dem vorzubeugen. Die Düsseldorfer LEG erklärte auf Anfrage, besonders betroffene Mieter anzusprechen. Grundsätzlich gebe sie allen Haushalten Alltagstipps zum Energiesparen und suche bei den eigenen Dienstleistungen rund um die LEG-Gebäude nach Einsparmöglichkeiten.
Vivawest erhöht Heizkostenvorauszahlung im Mai um 30 Prozent
Der Gelsenkirchener Wohnungskonzern Vivawest kündigte auf Anfrage unserer Redaktion an, die Heizkostenvorauszahlung seiner Bestandsmieter zum 1. Mai um 30 Prozent zu erhöhen, die entsprechenden Anschreiben würden in den kommenden Tagen zugestellt. „Indem wir die Höhe der Vorauszahlung an die voraussichtlich zu erwartenden Kosten anpassen“, verringere Vivawest das Risiko von Nachzahlungen, hieß es.
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Udo Sieverding, Experte der Verbraucherzentrale NRW, sieht die Energiemärkte in Aufruhr: „Nichts ist mehr wie es war. Was bisher galt – teure Grundversorgung, Schnäppchen-Tarife für Neukunden, nur eine Preisrunde pro Jahr – zählt alles nicht mehr.“ Stattdessen habe aktuell die größten Probleme, wer umzieht und einen günstigen Neukundentarif sucht, denn die seien die teuersten. Das reiche bis zu „Mondpreisen“, die Neukunden offenkundig abschrecken sollen, wie bei der Bigge Energie im Sauerland, die ab 1. Mai 42,12 Cent für die Kilowattstunde (kW/h) Gas verlangt, etwa das Dreifache des aktuellen Durchschnittspreises.
Nächste Strom-Preisrunde „verfrühstückt“ Wegfall der EEG-Umlage
Auch beim Strom rechnet die Verbraucherzentrale nach der ersten im Januar mit einer zusätzlichen „großen Welle“ an Tariferhöhungen im Sommer, und zwar im Juni oder August. Sie wollten das nicht gleichzeitig mit der Neuberechnung im Juli machen, wenn die Ökostrom-Umlage (EEG) wegfällt, meint Energieexperte Sieverding. Die 3,7 Cent je kW/h, die dann wegfallen, würden von der Erhöhungen sicher „verfrühstückt“, erwartet er.
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Um den Preisschock abzumildern, setzt der Essener Marktführer Eon nun auf die Politik. Es komme „auch auf die Entlastung der Preise durch die Politik durch eine allgemeine Senkung von Steuern und Abgaben“ an, sagte ein Konzernsprecher unserer Zeitung. Ebenso auf „gezielte Maßnahmen zum Schutz besonders betroffener Kundengruppen“, sprich von Geringverdienern. Die Aussetzung der EEG-Umlage und weitere beschlossene Entlastungen begrüße Eon daher. Verbraucherschützer und Sozialverbände bemängeln jedoch, die zu versteuernde Energiepauschale von 300 Euro und der Heizkostenzuschuss von 270 Euro für Wohngeldempfänger reichten nicht aus.
Das unterstreicht die Verivox-Gesamtrechnung für die Energiekosten eines Durchschnittshaushalts. Der verbraucht pro Jahr 20.000 kW/h Gas oder Heizöl, 4000 kW/h Strom und fährt 13.000 Kilometer mit dem Auto. Beginnend in diesem April, kostet ihn das in den kommenden zwölf Monaten 6736 Euro, in den vergangenen zwölf Monaten hat er für für Strom, Heizung und Sprit noch 3861 Euro gezahlt, das ist ein Anstieg um 74 Prozent.