Essen/Berlin. Wirtschaftsstaatssekretär Krischer erklärt im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“, warum grüne Energiepolitiker weltweit nach Gas und Kohle suchen.
Er ist angetreten, den Kohleausstieg und den Ökostrom-Ausbau zu beschleunigen. Doch aktuell sucht Grünen-Politiker Oliver Krischer weltweit nach neuen Gas- und Kohlequellen, um Deutschland unabhängiger von Russland zu machen. Dennoch seien Elektroautos und grüne Energiealternativen die eigentlichen Gewinner dieser Krise, sagt der parlamentarische Staatssekretär von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im WAZ-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“.
Dass Habeck gerade in Katar um Flüssiggas bitten musste und in Saudi-Arabien um Öl, sei für einen grünen Wirtschaftsminister „nicht einfach, aber aktuell notwendig“, sagt Krischer. Das geschehe nicht, weil man „so gerne dort Geschäfte macht, sondern um schnellstmöglich unabhängig von russischen Importen zu werden“. Bei Kohle und Gas sei das relativ schnell zu schaffen, beim Erdgas werde es „sicher zwei bis drei Jahre dauern, schneller ist das kaum zu schaffen“, bremst der Staatssekretär die Erwartungen.
Kritik an Habecks Katar-Reise hatte es auch aus Reihen des Koalitionspartners FDP gegeben. Der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai meinte, Habeck solle besser die Denkverbote beim Kohleausstieg aufgeben und erneuerbare Energien voranbringen, „schöne Bilder aus Katar lösen noch kein einziges Problem.“ Krischer kontert im Podcast, da habe „offensichtlich jemand nicht so ganz den Durchblick bei dem Thema“. Denn Gas brauche Deutschland zum Heizen und für industrielle Prozesse, „da nützt es nichts, wenn Kohlewerke mehr Strom erzeugen. Für die Hunderttausenden Gewerbe- und Industriebetriebe sei das keine Antwort. Dass Kohlekraftwerke wegen der aktuellen Entwicklung zur Versorgungssicherheit länger in Bereitschaft bleiben könnten, sei eine andere Sache.
Atomkraftwerke: Kritik an Belgiens Laufzeitverlängerung
Das gelte auch für Atomkraftwerke, für die etwa NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) fordert, eine Laufzeitverlängerung zu prüfen. „Die Betreiber sagen selber, sie wollen ihre Akw nicht weiterbetreiben“, betont Krischer, „diese Entscheidung ist in Deutschland gefallen, wir sollten sie nicht rückgängig machen. Auch wenn Herr Pinkwart das anders sieht, ich halte von dieser Idee gar nichts“, so Krischer.
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Dass Belgien entschieden habe, seine Akw länger laufen zu lassen, sorge ihn, weil sie sehr nahe an NRW und Krischers Heimat, der Eifel, liegen. Doch er glaubt nicht, dass der Regierungsbeschluss im Nachbarland umgesetzt wird, denn: „Auch in Belgien stellt sich heraus, dass der Akw-Betreiber das gar nicht will und sagt, der Weiterbetrieb sei technisch gar nicht möglich.“
Krischer über Putin: „Man muss mit allem rechnen“
Im Moment geht es für die Regierung darum, die Versorgung für den nächsten Winter zu sichern. Dass Russland seine Gaslieferungen einstellen könnte und Putins Erlass, zur Bezahlung nur noch Rubel zuzulassen, der erste Schritt sein könnte, hält der Wirtschaftsstaatssekretär nicht mehr für unwahrscheinlich. „Niemand kann in den Kopf dieses Mannes gucken, man muss mit allem rechnen, auch dass die Gasversorgung aus Russland plötzlich zu Ende ist.“
Das werde dann zu einem großen Problem für Deutschland. „Viele kritisieren ja völlig zurecht, dass wir damit Putins Krieg finanzieren“, räumt Krischer ein, „doch unser Land kann ohne Gaslieferungen aktuell nicht funktionieren.“ Die Regierung tue alles dafür, dies zu ändern, aber ohne russisches Gas könnten die Speicher im Sommer nicht ganz gefüllt werden und im Winter drohe Deutschland ein echter Mangel.
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In den Wohnungen werde es trotzdem nicht kalt. Denn für den Notfall lässt das Ministerium die Bundesnetzagentur gerade einen Abschaltplan aufstellen, der das verhindern soll. „Zuerst werden Industriebetriebe abgeklemmt, dann nicht systemrelevante Gaskraftwerke und zuletzt Privathaushalte“, betont Krischer, ohne zu verraten, welche Industrien zuerst betroffen sein würden.
Die Reihenfolge zu bestimmen, sei „sehr schwierig und unangenehm“, klar sei auch: „Das würde das Land in eine schwere Krise führen“. Denn wer zu Hause bleiben müsse, weil sein Arbeitgeber die Produktion einstellen müsse, habe es zwar schön warm, aber im schlimmsten Fall kein Einkommen mehr. Er hoffe, dass dieser Fall nie eintreten werde, andernfalls könne man nur „den Schaden minimieren“.
Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen
Im aktuellen Krisenmodus sieht Krischer auch die Gefahr, den Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) zu vernachlässigen. Dabei müssten sie als Gewinner aus der Krise hervorgehen. Das Habeck-Ministerium werde deshalb „in der Regierung und gegenüber den Ländern darauf dringen, den Ausbau jetzt zu beschleunigen“. Das neue EE-Gesetz dafür werde als größtes Förderprogramm für Erneuerbare bald in den Bundestag eingebracht, man überlege derzeit, es „ins Osterpaket vorzuziehen“. Dann müssten einige Farbe bekennen, etwa die Ministerpräsidenten Wüst (NRW) und Söder (Bayern), die den Ausbau der Windkraft bisher eher blockierten.
Bei den Menschen in Deutschland finde längst ein Umdenken statt. „Sie fragen, was kann ich tun, soll ich meine Gasheizung rausschmeißen und durch eine Wärmepumpe ersetzen? Sie wissen genau: Wer etwas gegen Putin tun will, spart Energie oder setzt auf Erneuerbare“, so Krischer. Das sehe man auch an der sprunghaft gestiegenen Nachfrage nach Elektroautos und Solaranlagen für das eigene Dach.
Krise wird Abschied vom Verbrennerauto beschleunigen
Den Abschied vom Verbrennermotor werde diese Energiekrise beschleunigen, da ist sich Krischer „ganz sicher“. Das Problem beim Zubautempo der Solaranlagen sei aktuell der Fachkräftemangel, was für lange Wartezeiten sorgt. Deshalb wolle das Ministerium im Zusammenspiel mit den Handwerkskammern Fortbildungen von Beschäftigten auf die neuen Technologien anschieben.