Essen. Der Finanzinvestor Enkraft erhöht den Druck auf den RWE-Vorstand und erwirkt eine Abstimmung zur möglichen Abspaltung des Braunkohle-Geschäfts.

Vor der Hauptversammlung des Essener Energieversorgers RWE erhöht der aktivistische Finanzinvestor Enkraft Capital den Druck auf den Vorstand um Konzernchef Markus Krebber. Der Investor will bei RWE eine Trennung von den Geschäften mit dem Abbau und der Verstromung von Braunkohle erwirken. Mit einer von Enkraft herbeigeführten Ergänzung zur Tagesordnung der digitalen RWE-Hauptversammlung am 28. April stehe nun eine mögliche Abspaltung der Kohlesparte offiziell zur Abstimmung, sagte Enkraft-Geschäftsführer Benedikt Kormaier unserer Redaktion. Der RWE-Vorstand veröffentlichte ein entsprechendes Dokument auf der Internetseite des Konzerns.

„Die Aktionärinnen und Aktionäre können nun entscheiden, ob sie ebenso wie wir eine Abtrennung der Braunkohle vom Erneuerbaren-Geschäft befürworten“, sagt Kormaier. Der Investor will insbesondere bei einflussreichen Stimmrechtsberatern sowie bei Profi-Anlegern für eine Unterstützung werben. „Mit einer Abspaltung der Kohleaktivitäten würde der Wert von RWE am Kapitalmarkt sprunghaft steigen. Wir gehen von einem Potenzial von bis zu 16 Milliarden Euro zusätzlich aus“, betont Kormaier. „Durch den Ukraine-Krieg ist es dringender denn je, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu forcieren – mit entsprechenden Potenzialen für RWE.“ Im Zusammenhang mit dem Braunkohlentagebau hat RWE indes Verpflichtungen unter anderem zur Renaturierung im Rheinischen Revier.

Für ein bindendes Votum der Hauptversammlung gibt es eine hohe Hürde

Für ein bindendes Votum auf der Hauptversammlung benötigt der Investor eigenen Angaben zufolge 75 Prozent der Stimmen. „Das ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich“, sagt Kormaier. Allerdings verfügen allein schon die kommunalen Aktionäre, zu denen unter anderem Städte wie Essen, Dortmund und Mülheim gehören, insgesamt über rund 15 Prozent der Anteile. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sie sich der Position des aktivistischen Investors anschließen. Enkraft-Geschäftsführer Kormaier indes geht davon aus, dass auch ein Achtungserfolg bei der Hauptversammlung einen Effekt erzielen dürfte. „Ich denke, mit einer Zustimmung von mehr als 30 Prozent für unseren Antrag wäre eine Signalwirkung verbunden, der sich der RWE-Vorstand kaum entziehen könnte“, sagt er.

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Enkraft gibt an, mindestens 500.000 RWE-Aktien zu halten. Das liegt im Promillebereich und versetzt den Investor nicht annähernd in die Lage, allein einen Strategieschwenk anzustoßen. RWE nimmt die Angriffe offenkundig dennoch ernst, was unter anderem aus einem schon vor einigen Wochen verschickten Schreiben von Aufsichtsratschef Werner Brandt an Enkraft-Geschäftsführer Kormaier sowie aus Äußerungen von Vorstandschef Markus Krebber herauszulesen ist.

„Schnelle und entschlossene Loslösung des Braunkohlegeschäfts“

Das mag auch an leidvollen Erfahrungen anderer Konzerne mit aktivistischen Aktionären liegen, die mitunter Vorstände heftig unter Druck gesetzt haben. Das können sie, indem sie sich entweder größer einkaufen oder indem sie andere Investoren auf ihre Seite ziehen, was offenbar Enkraft bei RWE versucht – immer mit dem Ziel, den Aktienkurs nach oben zu treiben, um gewinnbringend wieder auszusteigen. Im Jahr 2018 hatte der gefürchtete US-Finanzinvestor Elliott den Thyssenkrupp-Vorstand mitten in seiner harten Umbauphase aufgemischt.

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Enkraft hat sich auf Beteiligungen im Segment der erneuerbaren Energien spezialisiert, das in Zeiten der Energiewende als extrem wachstumsstark gilt. Viele große Banken, Versicherungen und Fonds gestalten ihre Geldanlagen längst möglichst grün und meiden Konzerne, deren Geschäfte noch mit Kohle und anderen fossilen Brennstoffen zu tun haben. Dass RWE noch an der Braunkohle festhalte, schrecke viele Investoren ab, moniert Enkraft. Eine „schnelle und entschlossene Loslösung des Braunkohlegeschäfts“ sei daher „die dringlichste strategische Aufgabe“, die das RWE-Management nicht entschlossen genug angehe. Vorstandschef Krebber kann indes darauf verweisen, dass der Aktienkurs des Unternehmens innerhalb eines Jahres um mehr als 17 Prozent gestiegen ist.

RWE erwägt Hochfahren von stillgelegten Kohlekraftwerken

Angesichts des Kriegs in der Ukraine prüft RWE, Kohlekraftwerke länger als bisher geplant zu betreiben. Im Blick habe RWE dabei Kraftwerksblöcke, die bereits vom Netz genommen wurden oder derzeit zur Stilllegung anstehen, sagte Krebber bei der Bilanzvorlage in der vergangenen Woche. Bei den Braunkohlekraftwerken kämen mehrere Blöcke im rheinischen Revier infrage, so beispielsweise der zum Jahreswechsel stillgelegte 300-Megawatt-Block in Neurath. Denkbar wäre auch ein Weiterbetrieb von Braunkohlekraftwerken, die in diesem Jahr vom Netz gehen sollen (1500 Megawatt) – außerdem für Anlagen, die derzeit in einer „Sicherheitsbereitschaft“ sind (900 Megawatt). Auch das Steinkohlekraftwerk Westfalen in Hamm mit 800 Megawatt könnte RWE wieder hochfahren. Ende 2020 war der Industriekomplex stillgelegt worden. Es sei „eine politische Frage“ und Sache der Bundesregierung, ob und in welchem Umfang stärker als bisher geplant Kohle bei der Stromerzeugung zum Einsatz kommen sollte, betont Krebber. „Wir bereiten uns vor und stehen im Bedarfsfall bereit.“