Essen. Der ehemalige Dortmunder OB Sierau will im Aufsichtsrat des Energiekonzerns RWE bleiben. Die frühere Mülheimer Stadtchefin Mühlenfeld hört auf.

Ullrich Sierau denkt nicht ans Aufhören. Wer den früheren Dortmunder Oberbürgermeister telefonisch erreicht, muss sich auf einen spontanen Vortrag über die Energiewende gefasst machen. Sierau ist gerade dabei, eine Firma für strategische Beratung zu gründen - für Unternehmen, Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen. Sein Projekt soll „Ambiscara Inspiration“ heißen. „Ambiscara stand bei den Römern für die vielen Kurven der Emscher“, erklärt Sierau. In der Einladung, die der Energiekonzern RWE zur Hauptversammlung am 28. April verschickt, wird das ehemalige Stadtoberhaupt schon als „selbstständiger Berater für Unternehmen“ geführt.

Seit zehn Jahren ist der 65-Jährige im Aufsichtsrat von RWE – und wird es aller Voraussicht nach mindestens auch für weitere drei Jahre sein. „Ich mag das Motto von Mahatma Gandhi: Sei Teil des Wandels, den du in der Welt sehen willst. Und danach handle ich auch“, erzählt Sierau. „RWE hat sich zu einem der weltweit größten Anbieter von erneuerbaren Energien gewandelt. Den weiteren Transformationsprozess will ich begleiten.“

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Generell aber schwindet der Einfluss der Ruhrgebietsstädte beim Essener Energieversorger. Sind derzeit noch vier Vertreter aus dem Kreis der Kommunen im Kontrollgremium des Konzerns vertreten, sollen es künftig nur noch zwei sein. Schließlich ist auch der Bestand der RWE-Aktien im Besitz der Städte deutlich geschrumpft – von einst rund 25 Prozent auf aktuell etwa 15 Prozent. Waren die Kommunen bei Aktionärstreffen der Vergangenheit ein bestimmender Faktor, ist ihr Einfluss bei Abstimmungen nun auf ein Normalmaß zurückgegangen.

Dagmar Mühlenfeld verlässt den RWE-Aufsichtsrat

Das spiegelt sich auch in der Zusammensetzung des RWE-Kontrollgremiums wider. Wie aus den Unterlagen zur Hauptversammlung hervorgeht, verlässt die frühere Mülheimer Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld ebenso den Aufsichtsrat wie Peter Ottmann, der ehemalige Landrat des Kreises Viersen. Beide sind vor wenigen Wochen 70 Jahre alt geworden.

Neben Sierau bleibt auch Günther Schartz, Landrat aus Trier-Saarburg, Aufsichtsratsmitglied. Ein Westfale mit SPD-Parteibuch und ein Vertreter mit CDU-Hintergrund aus dem Kreis des rheinischen RWE-Verbands – damit ist der traditionelle Proporz gewahrt.

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„Wir bleiben der wichtige Ankeraktionär des Konzerns“, betont Wolfgang Schäfer vom Verband der kommunalen RWE-Aktionäre in Westfalen, der unter anderem für Dortmund und den Hochsauerlandkreis zuständig ist. Mit ihren Aktienpaketen könnten die Kommunen dazu beitragen, RWE vor einer feindlichen Übernahme zu schützen.

Dortmund größter kommunaler RWE-Aktionär

Mit einem Anteil 3,6 Prozent – insgesamt 24,5 Millionen Aktien – sind die Dortmunder Stadtwerke DSW21 der größte kommunale RWE-Aktionär. Nachdem der DSW21-Aufsichtsrat Ende 2019 den Zukauf von zusätzlichen 1,3 Millionen Aktien innerhalb der nächsten fünf Jahre beschlossen hatte, erwarben die Stadtwerke im vergangenen Jahr 880.000 Anteilsscheine. „Wir haben noch Spielraum für den Erwerb weiterer 400.000 RWE-Aktien“, sagt Pehlke. „Zu gegebener Zeit werden wir uns mit dieser Frage befassen.“ Etwa 34 Euro kostet eine RWE-Aktie derzeit. Im April 2018 waren es noch etwa 20 Euro.

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Dortmund profitiere von der RWE-Dividendenausschüttung in Höhe von 0,80 Euro je Aktie, hebt DSW21-Finanzchef Jörg Jacoby hervor. „Unsere RWE-Beteiligung liefert uns durch die Dividende einen nennenswerten Beitrag zum Ausgleich unserer Verluste im ÖPNV.“

„Das ist kein Grund für eine Neiddebatte“

Bei DSW21 hat der neue Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) bereits den Aufsichtsratsposten übernommen. Sein Vorgänger Sierau betont, sein Verbleib im RWE-Aufsichtsrat sei mit Westphal abgestimmt. „Es geht jetzt um weitere drei Jahre im Aufsichtsrat“, sagt er. „Was danach kommt, werden wir sehen.“

Als Privatmann muss Sierau die Aufsichtsratsvergütung – im vergangenen Jahr waren es 140.000 Euro – nicht mehr an die Staatskasse abführen. „Das ist kein Grund für eine Neiddebatte“, sagt Sierau dazu. „Das Geld wird ordentlich versteuert und zum Teil in RWE-Aktien angelegt. Außerdem arbeite ich intensiv und bringe mein Fachwissen und mein Netzwerk ein.“ Einen Teil der Vergütung werde er auch für zivilgesellschaftliche Projekte im sozialen, kulturellen und Umweltbereich einsetzen.

Ehemaliger österreichischer Kanzler Schüssel hört bei RWE auf

Über die kommunalen Vertreter hinaus gibt es Veränderungen im RWE-Aufsichtsrat. So steht der ehemalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nicht mehr auf der Liste der künftigen Konzernkontrolleure. Neu hinzukommen soll unter anderem Hans Bünting, der frühere Chef der Innogy-Ökostromsparte.

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Wie RWE mitteilt, habe der Aufsichtsrat „nach ausführlicher Beratung“ auch beschlossen, den früheren Eon-Finanzchef Erhard Schipporeit und den ehemaligen BDI-Präsidenten Hans-Peter Keitel für eine weitere dreijährige Amtszeit vorzuschlagen, obwohl sie die von RWE vorgesehene Regelaltersgrenze von 72 Jahren „erreicht beziehungsweise überschritten haben“. Zur Begründung verweist das Unternehmen auf „herausragende finanzwirtschaftliche Expertise beziehungsweise Verbindungen in die deutsche Wirtschaft“.

Auch Ullrich Sierau zeigt sich voller Tatendrang. „Mit 65 Jahren bin ich ja kein altes Eisen“, sagt er. „Mein Kardiologe sagt, meine Werte seien besser als vorher. Ich bin putzmunter. Solange es geht, will ich meine Zeit nicht in der Hängematte verplempern.“