Essen. Turbulenzen bei Thyssenkrupp: Wegen des Ukraine-Kriegs kassiert die Konzernleitung Ziele fürs Geschäftsjahr. Pläne für die Stahlsparte auf Eis.

Der seit Jahren angeschlagene Essener Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssenkrupp gerät wegen des Kriegs in der Ukraine unter Druck. In einer Pflichtmitteilung für die Börse erklärte die Konzernleitung am Mittwochabend, das Unternehmen stelle sich auf negative Folgen für den Geschäftsverlauf angesichts der „weitreichenden gesamtwirtschaftlichen und geopolitischen Folgen des Kriegs“ ein.

„Der konkrete Umfang der direkten und indirekten Folgen des Kriegs in der Ukraine auf die Geschäftsentwicklung von Thyssenkrupp ist aus heutiger Sicht mit hohen Unsicherheiten verbunden“, heißt es in der Mitteilung. Insbesondere steigende Rohstoffpreise könnten sich auf Thyssenkrupp auswirken. Die bisherige Gesamtjahresprognose nimmt das Management nun mit Blick auf das wichtige Cashflow-Ziel zurück.

Pläne für Verselbstständigung der Stahlsparte liegen nun auf Eis

Seit Jahren schon hat Thyssenkrupp von der Substanz gelebt. Meist floss mehr Geld ab, als in die Kasse kam. Als wichtiges Etappenziel bezeichnete der Vorstand daher seit Monaten, einen ausgeglichenen Cashflow zu erzielen – einen positiven Wert konnte der Konzern zuletzt im Geschäftsjahr 2015/16 erreichen. Doch mit Blick auf das Cashflow-Ziel zeigt sich der Vorstand nun pessimistisch. Die Prognose zum Cashflow setzt das Management aus.

Auch interessant

Pläne für eine Verselbstständigung der Thyssenkrupp-Stahlsparte mit mehreren großen Standorten in Nordrhein-Westfalen legt Konzernchefin Martina Merz ebenfalls erstmal auf Eis. Der Thyssenkrupp-Vorstand sei zwar „nach wie vor davon überzeugt, dass eine eigenständige Aufstellung des Stahlgeschäfts sehr gute Zukunftsperspektiven eröffnet“, heißt es in der Mitteilung vom Mittwochabend. „Gleichwohl ist eine Aussage zur Machbarkeit aufgrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen derzeit nicht möglich.“

Kurz nach der Veröffentlichung der Börsenpflichtmitteilung äußerte sich am Mittwochabend auch Thyssenkrupp-Chefin Merz zur Lage. „Wir haben gute Fortschritte bei unserer Transformation gemacht. Das gilt auch für den Stahl“, erklärte sie in einem schriftlichen Statement. „Die deutlichen Verbesserungen im laufenden Geschäftsjahr bis zum Ausbruch des Krieges zeigen das. Aber die Folgen des Krieges werden uns und insbesondere den Stahl treffen.“ Die Pläne für eine Verselbstständigung der Stahlsparte seien „in diesem aktuell instabilen Umfeld“ gegenwärtig nicht umsetzbar.

Störungen an verschiedenen Stellen der Lieferketten

Der Vorstand gehe aktuell davon aus, dass die globalen Störungen an verschiedenen Stellen der Lieferketten Folgen vor allem für die Stahl- und Autozuliefergeschäft von Thyssenkrupp haben werden, erklärte das Unternehmen. Gegenläufige Entwicklungen im Werkstoffhandelsgeschäft, das von den derzeit steigenden Rohstoff- und Materialpreisen profitiere, sowie „eingeleitete Gegenmaßnahmen“ könnten diese Belastungen nicht vollständig kompensieren.

„Wie der Krieg und das Umfeld sich weiterentwickeln, das können wir noch nicht absehen. Darauf haben wir keinen Einfluss“, so Merz. „Die Herausforderungen für unsere Transformation werden vor diesem Hintergrund sicher nicht kleiner. Umso wichtiger ist es in dieser Situation, weiterhin alles, was in unserer Hand liegt, für unsere Leistungsfähigkeit zu tun.“

Für das Gesamtjahr 2021/2022 hat der Thyssenkrupp-Vorstand um Konzernchefin Martina Merz deutliche Verbesserungen für das Unternehmen mit seinen weltweit rund 100.000 Beschäftigten angestrebt: Beim bereinigten Ergebnis will der Vorstand einen Wert zwischen 1,5 und 1,8 Milliarden Euro erzielen – nach 796 Millionen Euro im Vorjahr. Für den Jahresüberschuss rechnet Vorstandschefin Merz mit einem Wert von mindestens einer Milliarde Euro – nach einem Verlust in Höhe von 25 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Das Unternehmen betont, es sei die Cashflow-Prognose für das Gesamtjahr ausgesetzt, nicht die Gewinnprognose.