Essen. Rekord-Spritpreise rufen das Kartellamt auf den Plan. Minister Habeck kritisiert Tankstellen-Oligopol. RWI: Kritik an Aral & Co. ist berechtigt.
Wie jedes Jahr vor den Oster- und Sommerferien stehen die Mineralölriesen auch jetzt wegen der im Zuge des Krieges in der Ukraine enorm gestiegenen Spritpreise im Verdacht, sich auf Kosten der Autofahrenden zu bereichern. Aus der Politik und von Verbraucherschützern wird dieser Verdacht gegen BP & Co. gestreut, eine aktuelle Studie des Essener RWI Leibniz-Instituts bestätigt dies.
RWI korrigiert Studie: Kritik an Tankstellen-Konzernen nicht entkräftet
Der Abstand zwischen Öl- und Spritpreis ist "seit dem 7. März dramatisch gestiegen", teilte das RWI jetzt mit - und korrigierte damit seine ursprünglich verbreitete Meldung, dass Tankstellenbetreiber die steigenden Rohölpreise nur beschränkt an ihre Kunden weiter geben würden. Es gebe statt dessen keinen Hinweis darauf, die die Kritik an den Tankstellen-Konzernen entkräften würde, teilte das RWI jetzt mit.
Statt dessen habe sich laut dem RWI gezeigt, dass bei Diesel-Kraftstoff der Abstand zwischen Rohöl- und Kraftstoffpreis von 30 auf rund 80 Cent pro Liter gestiegen sei, berichtete das RWI in seiner Korrektur.
- Hinweis: Im der ursprünglichen Mitteilung vom Mittwoch zur Preisentwicklungen beim Rohöl und den Kraftstoffen hatten wir mit Verweis auf das RWI davon berichtet, trotz der aktuellen Rekordpreise an den Tankstellen seien gesunkene Differenzen festgestellt worden. Beim Super E10 habe sich demnach die Lücke zum Rohlölpreis nach Abzug der Steuern von rund 35 Cent im Jahresdurchschnitt 2021 auf aktuell 20 Cent je Liter reduziert, beim Diesel von 30 auf 15 Cent sogar halbiert. Diese Zahlen stimmen nicht! Wir bitten um Entschuldigung, diesen krassen Fehler in dem ursprünglichen Bericht übernommen zu haben.
Habeck kritisiert Oligopol aus Aral, Shell & Co.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will dem Verdacht nachgehen, „dass Unternehmen aus der jetzigen Situation unangemessene Gewinne schlagen“. Er erklärte am Mittwoch: „Mein Haus hat das Bundeskartellamt gebeten, die Benzin- und Dieselpreise sehr genau zu beobachten und bei jeglichem Hinweis auf missbräuchliches Verhalten tätig zu werden. Die Oligopolsituation am deutschen Kraftstoffmarkt ist seit langem ein strukturelles Problem.“
Als „Oligopol“ bezeichnet das Kartellamt die fünf Tankstellenketten Aral, Shell, Jet, Total und Esso, die zusammen rund 70 Prozent Marktanteile halten, Aral und Shell stehen für jeweils rund ein Fünftel des gesamten Kraftstoffabsatzes in Deutschland.
Die Aral-Mutter BP begründete unlängst auf Anfrage unserer Redaktion die vor allem beim Diesel enorm gestiegenen Preise mit der Entwicklung am wichtigsten Spotmarkt in Rotterdam. Hauptursache sei der durch den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine gestiegene Preis für Öl, das nicht aus Russland kommt. Weil große Ölkonzerne, darunter auch BP, kein russisches Öl mehr bestellen, ist dessen Preis gesunken, Öl aus anderen Ländern dafür umso teurer geworden.
Kartellamt kündigt genaue Prüfung an
„Wir beobachten die Preisentwicklung an den Tankstellen fortlaufend und sehr aufmerksam“, betont dennoch Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts. Die Preise seien „flächendeckend schockartig gestiegen“. Wenn nun die Rohölpreise wieder sinken und die Tankstellenpreise dem nicht folgen oder sogar weiter steigen sollten, müsse man sich das „genau ansehen“. Und zwar auf allen Marktebenen vom Rohölmarkt über die Raffinerien und den Großhandel bis zu den Tankstellenbetreibern.
Wirtschaftsminister Habeck drohte für den Fall, dass die Kartellwächter Unregelmäßigkeiten entdecken, vorsorglich bereits die Verschärfung von Gesetzen an: Wenn es Hinweise auf unangemessene Gewinne aufgrund der aktuellen Lage gebe, „etwa auch beim Vergleich mit den Preisbewegungen in anderen EU-Ländern“, werde die Regierung „gesetzgeberische Maßnahmen vorbereiten, um dem Bundeskartellamt eine bessere Marktüberwachung bei den Kraftstoffen zu ermöglichen“.