Düsseldorf/Essen. Für den NRW-Energiekonzern Uniper ist der Russland-Ukraine-Konflikt risikoreich – nicht nur aufgrund einer Beteiligung an Nord Stream 2.
Die Russland-Ukraine-Krise belastet den Düsseldorfer Energiekonzern Uniper. „Die Situation an der russisch-ukrainischen Grenze lässt uns bei Uniper zutiefst verunsichert zurück“, sagt Uniper-Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach bei der Vorlage der Jahresbilanz. Die Geschäftsbeziehungen des drittgrößten deutschen Energiekonzerns zum russischen Staatskonzern Gazprom sind traditionell eng, denn in der früheren Eon-Tochter Uniper sind große Teile des Essener Gashändlers Ruhrgas aufgegangen. Jahrzehntelang hatte Ruhrgas ein gutes Verhältnis zu den Russen gepflegt und vom Handel mit Pipeline-Gas profitiert.
Maubach verweist auf „langjährige Beziehungen zu russischen Partnern, die mehr als 50 Jahre zurückreichen“. Bei Uniper gebe es „Tausende von Kolleginnen und Kollegen“, die jeden Tag mit dem Russland-Geschäft befasst seien. Uniper ist nach eigenen Angaben der größte Kunde von Gazprom – und auch am umstrittenen Pipelineprojekt Nord Stream 2 beteiligt, das nun von der Bundesregierung angesichts des Vorgehens der russischen Regierung in der Ukraine auf Eis gelegt worden ist. Außerdem betreibt Uniper mehrere Kraftwerke auf russischem Staatsgebiet.
Die Projektgesellschaft von Nord Stream 2 hat ihren Sitz im schweizerischen Zug und ist eine Tochtergesellschaft von Gazprom. Zu den Pipeline-Investoren gehören indes auch die deutschen Konzerne Uniper und Wintershall Dea, die niederländisch-britische Shell, das österreichische Energieunternehmen OMV und Engie aus Frankreich. „Es war wahrscheinlich keine Überraschung, dass Nord Stream 2 sofort in den Fokus politischer Gegenaktionen geriet“, urteilt Uniper-Chef Maubach. Derzeit prüfe sein Unternehmen, welche Auswirkungen die Entscheidung der Bundesregierung für Uniper habe, einschließlich möglicher Wertminderungen.
Treffen mögliche Sanktionen auch die russische Uniper-Tochter?
Es gibt weitere Risiken, die nun über Uniper schweben, etwa mögliche Sanktionen, die auch die russische Uniper-Tochterfirma zur Stromerzeugung – Unipro – treffen könnten. „Zum heutigen Zeitpunkt halten wir es für unwahrscheinlich, dass das Geschäft von Uniper oder Unipro in dieser Hinsicht wesentlich beeinträchtigt werden könnte“, sagt Maubach. Aber er könne Risiken wie diese auch nicht ausschließen. „Die Situation ist unklar.“ Entsprechend ist der Wert der Uniper-Aktie in den vergangenen Tagen an der Börse deutlich gefallen.
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Uniper befindet sich in den Händen des Energiekonzerns Fortum, der mehrheitlich dem finnischen Staat gehört. Zu Uniper gehören rund 11.500 Mitarbeitende in mehr als 40 Ländern. Große Standorte befinden sich unter anderem im Ruhrgebiet, das umstrittene Steinkohlekraftwerk in Datteln etwa und der Standort Gelsenkirchen-Scholven, an dem Uniper in diesem Jahr ein neues Gaskraftwerk in Betrieb nehmen will.
Der ehemalige Eon-Manager Maubach ist im Frühjahr vergangenen Jahres überraschend von der Aufsichtsratsspitze in den Uniper-Vorstand gewechselt. Eine Telefonkonferenz zur Jahresbilanz absolvierte Maubach am Mittwoch (23. Februar) in weiten Teilen auf Englisch, parallel lief eine Simultanübersetzung für Medienvertreter in Deutschland.
Uniper einer der größten Gashändler und Gasspeicherbetreiber Europas
„Die Entwicklung der vergangenen Monate an den Energiemärkten haben die Bedeutung von Gas – und von Versorgungssicherheit – unterstrichen“, sagt Maubach während seines Vortrags. In dieser Gemengelage komme Uniper als einem der größten Gashändler und Gasspeicherbetreiber Europas eine Schlüsselrolle zu.
„Was mögliche Lieferunterbrechungen angeht, so machen die jüngsten öffentlichen Äußerungen einen gewissen Mut: Man hat offenbar verstanden, dass die Aufrechterhaltung der Versorgung Europas im Interesse aller Seiten liegt“, sagt Maubach, ohne ins Detail zu gehen. Russland ist derzeit der mit Abstand wichtigste Gaslieferant für Deutschlands Privatverbraucher und die Industrie – weit vor Fördernationen wie Norwegen, den Niederlanden oder Staaten aus dem arabischen Raum.
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Aufgrund der rasanten Preissteigerungen bei Gas und Strom sah sich Uniper vor wenigen Wochen dazu veranlasst, das Geschäft mit einem möglichen Kredit der deutschen Staatsbank KfW abzusichern. Uniper-Finanzchefin Tiina Tuomela begründete den Schritt mit „nie da gewesenen Preissteigerungen von teilweise mehreren Hundert Prozent innerhalb weniger Monate in einem hochgradig volatilen Marktumfeld“.
Wenn Kunden, Stadtwerke beispielsweise, bei Uniper Gas oder Strom für eine Lieferung zu einem späteren Zeitpunkt einkaufen, ist der Energiekonzern verpflichtet, dafür Geld zu hinterlegen – vergleichbar mit einer Kaution. Der Gedanke dahinter: Sollte die Lieferung von Uniper – aus welchem Grund auch immer – ausfallen, muss der potenzielle Abnehmer in der Lage sein, die Energie anderweitig beschaffen zu können. Die stark angestiegenen Marktpreise hätten dazu geführt, dass auch liquide Mittel in entsprechender Höhe erforderlich gewesen seien, so Uniper-Finanzchefin Tuomela.
Konzernfehlbetrag in Höhe von 4,1 Milliarden Euro
Diese Entwicklung wirkt sich auch in der Jahresbilanz aus, die Uniper nun mit einem Konzernfehlbetrag in Höhe von 4,1 Milliarden Euro vorgelegt hat. Tuomela betont, es handle sich um eine bilanzielle Momentaufnahme. „Um es ganz klar zu sagen: Uniper steht operativ und finanziell auf festen Füßen“, sagt sie.
Konzernchef Maubach erklärt, für eine mögliche Wiederholung der extremen Preisentwicklungen bei Strom und Gas habe sich Uniper „die notwendige finanzielle Flexibilität verschafft“, um die Lieferungen absichern zu können. Eine weitere Eskalation im Russland-Ukraine-Konflikt könnte erneut zu Preisschwankungen und einem höheren Liquiditätsbedarf bei Uniper führen. Maubach jedenfalls sieht sein Unternehmen mit einem Liquiditätsrahmen von aktuell zwölf Milliarden Euro gut gewappnet.