Essen. Bei der Hauptversammlung von Thyssenkrupp fordert der Investor Deka einen Verkauf des Rüstungsgeschäfts. Israel hat gerade erst U-Boote bestellt.

Bei der digitalen Hauptversammlung von Thyssenkrupp ist Kritik am Rüstungsgeschäft des Essener Stahl- und Industriegüterkonzerns laut geworden. „Wir fordern den Verkauf sämtlicher Rüstungsaktivitäten“, betont Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka. Das Risiko für eine Rufschädigung des Unternehmens etwa im Zusammenhang mit Regel- oder Gesetzesverstößen bei Geschäften mit militärischen Geräten stehe „auch im Hinblick auf den in der Rüstungssparte erwirtschafteten Gewinn in keinem Verhältnis“, mahnt Speich.

In einem Gegenantrag zur Hauptversammlung kritisiert der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, dass die Tochterfirma Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) weiterhin Kriegsschiffe und U-Boote in Krisen- und Konfliktgebiete liefere und dazu beitrage, „diese weiter zu destabilisieren“.

Das Unternehmen weist die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. Die geltenden Gesetze seien bei Rüstungsexporten der Maßstab für Thyssenkrupp, erklärt das Unternehmen. Die Bundesregierung und der Bundessicherheitsrat seien regelmäßig eingebunden. „Die Abgabe eines Angebots sowie die Durchführung der Aufträge durch Thyssenkrupp Marine Systems erfolgt erst bei positiver Bescheidung. Die außen- und sicherheitspolitischen Abwägungen der Bundesregierung sind daher Grundlage der Exportvorhaben im Bereich der Marineausrüstung.“

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Aus Israel hat der Essener Industriekonzern vor wenigen Tagen einen großen Auftrag erhalten, von dem die Thyssenkrupp-Werft in Kiel über Jahre hinweg profitieren dürfte. Drei U-Boote bestellt die israelische Regierung in Deutschland. Ein Volumen von umgerechnet drei Milliarden Euro hat das Rüstungsgeschäft. Nach Angaben des israelischen Verteidigungsministeriums trägt Deutschland einen Teil der Kosten für den Bau der U-Boote. Zu der Vereinbarung beider Länder gehöre, dass Deutschland Investitionen in den israelischen Rüstungssektor und andere Industriezweige in Höhe von 850 Millionen Euro tätigt.

Die Bundesregierung begründete ihr Engagement in der Vergangenheit mit der besonderen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels. Wegen Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit deutsch-israelischen U-Boot-Geschäften hatte sich das aktuelle Projekt jahrelang verzögert.

„Wir rechnen mit einer guten Geschäftsentwicklung“

Erst vor wenigen Monaten hat Thyssenkrupp zudem einen Großauftrag für den Bau von sechs baugleichen U-Booten gefeiert, von denen vier an die norwegische und zwei an die deutsche Marine geliefert werden sollen. Rund 5,5 Milliarden Euro beträgt das Auftragsvolumen. Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre kritisiert insbesondere Lieferungen von Thyssenkrupp-Fregatten an Ägypten.

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Konzernchefin Martina Merz hebt bei der Hauptversammlung die guten Geschäftsperspektiven der Sparte Marine Systems hervor. „Marine Systems ist ideal positioniert“, betont die Managerin. „Wir rechnen mit einer guten Geschäftsentwicklung und stabilen Ergebnisbeiträgen in den kommenden Jahren. Im Sommer 2021 haben wir den größten Einzelauftrag in der Firmengeschichte gewonnen: sechs U-Boote für Deutschland und Norwegen. Und gerade erst haben wir eine Vereinbarung mit Israel über drei weitere U-Boote abgeschlossen. Damit sind die Auftragsbücher besonders im Unterwasserbereich für die nächsten Jahre gut gefüllt.“

Größte U-Boote der Thyssenkrupp-Firmengeschichte

Die neuen Schiffe für Israel sollen die größten U-Boote werden, die Thyssenkrupp jemals gebaut hat. Bei den neuen U-Booten der „Dakar-Klasse“ handelt es sich um eine neue Konstruktion, die speziell auf die Anforderungen der israelischen Marine zugeschnitten sein soll. Israel verfügt bereits über sechs U-Boote aus deutscher Fertigung. Die drei neuen U-Boote sollen nach und nach ältere Modelle ersetzen und dem Vernehmen nach ein Design erhalten, das auch eine Ausstattung mit Atomwaffen zulässt.

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„Die Rüstungssparte des Thyssenkrupp-Konzerns, TKMS, trägt mit derartigen Rüstungsgeschäften weiter zu einer unheilvollen Aufrüstung von Krisenregionen bei und schafft so immer neue tickende Zeitbomben in einer der am stärksten militarisierten Regionen der Welt“, kritisiert Barbara Happe, Rüstungsexpertin der Menschenrechtsorganisation Urgewald.

Die größten U-Boote, die Thyssenkrupp bislang entwickelt hat, sind 70 Meter lange Schiffe mit Diesel-Motor für die Marine von Singapur. Die U-Boote für Israel bekommen einen Brennstoffzellenantrieb. Zu technischen Details im Zusammenhang mit dem Auftrag aus Israel äußert sich das Unternehmen nicht. „Mit der neuen U-Boot-Klasse wird Israel mit innovativer Spitzentechnologie ausgestattet“, sagt Rolf Wirtz, der Vorstandschef von Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS). Zuletzt hatte TKMS vier Korvetten an die israelische Marine geliefert.