Essen. Nach der Übernahme von Tausenden Kunden des Essener Energiekonzerns Eon will der Versorger Lichtblick das Geschäft mit Heizstrom ausbauen.
Um Gebäude klimaneutral mit Wärme zu versorgen, werden Alternativen für Heizöl und Erdgas benötigt. Beim Heizen werde daher künftig grüner Strom eine wichtige Rolle spielen, sagt Enno Wolf, Geschäftsführer des Energieversorgers Lichtblick im Gespräch mit unserer Redaktion. Nach der Übernahme des Heizstromkunden-Geschäfts vom Essener Eon-Konzern setzt Lichtblick darauf, dass zunehmend elektrisch betriebene Wärmepumpen zum Einsatz kommen.
Herr Wolf, Nachtspeicher-Heizungen gelten als Auslaufmodell. Trotzdem hat Lichtblick vor einigen Monaten das Heizstromkunden-Geschäft des Essener Energieversorgers Eon mit rund 260.000 Kundinnen und Kunden übernommen. Warum?
Wolf: Wir sind davon überzeugt, dass der Strom beim Heizen künftig eine entscheidende Rolle spielen wird. Wir müssen weg von Heizöl und Erdgas, um die Gebäude klimaneutral mit Wärme zu versorgen. Insofern ist die Übernahme des Eon-Heizstromgeschäfts für uns eine wichtige strategische Entscheidung.
Viele Nachtspeicher-Heizungen sind aber in die Jahre gekommen und nicht gerade effizient.
Wolf: Das stimmt, aber zu den Bestandskunden, die wir versorgen möchten, kommt das Geschäft, das wir ausbauen und weiterentwickeln wollen. Mehr und mehr Immobilien werden künftig mit elektrisch betriebenen Wärmepumpen ausgestattet. Das gilt vor allem für den Neubau, aber auch für den Bestand. Wärmepumpen
können die bisherigen Anlagen, die bislang mit Erdgas betrieben werden, oftmals gut ersetzen. Wärmepumpen lassen sich auch mit Solaranlagen und Stromspeichern gut kombinieren. Klar ist: Damit Deutschland klimaneutral wird, ist nicht nur eine Strom-, sondern auch eine Wärmewende nötig.
Die neuen Anlagen sind kostspielig, hinzu kommen die Betriebskosten. Rechnet sich ein Umstieg von Erdgas auf Heizstrom für die Verbraucherinnen und Verbraucher?
Wolf: Je teurer Öl und Gas werden, desto attraktiver wird ein Umstieg auf Heizstrom. Mit dem weiteren Zubau der erneuerbaren Energien kommt künftig mehr grüner Strom als bisher auf den Markt. Zudem plant die Regierung, die Abgabenlast auf Ökostrom zu verringern. Bislang bleibt Deutschland aber bei der energetischen Gebäudesanierung und beim Bau klimafreundlicher Immobilien hinter seinen Möglichkeiten zurück. Daher erhoffen wir uns Impulse der neuen Bundesregierung, etwa durch eine stärkere Förderung klimaneutraler Heizungssysteme. Heizen mit grünem Strom sollte günstiger sein als Heizen mit Gas.
Elektroheizungen waren in der Vergangenheit der Liebling der Energieversorger. In der Nacht, wenn die allgemeine Nachfrage nach Strom eher niedrig war, haben die Betreiber von Atom- und Kohlekraftwerken Abnehmer gefunden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wurden mit niedrigen Preisen belohnt. Dieses Modell funktioniert doch nicht mehr.
Wolf: Grundsätzlich stimmt das, allerdings gibt es auch in der Welt der erneuerbaren Energien Schwankungen im Netz. Nicht immer bläst der Wind oder ist die Sonneneinstrahlung hoch. Mit Hilfe einer intelligenten Steuerung ist es möglich, im richtigen Moment den Heizstrom einzuspeisen. Hinzu kommt, dass sich heißes Wasser vorproduzieren und speichern lässt. Nebenbei bemerkt: Wir stellen beim Heizstrom einen Imagewandel fest. Wir reden beim Heizstrom nicht mehr von einem Produkt der Atom- und Kohlekonzerne, sondern von erneuerbarer Energie. Kurz gesagt: Früher wurde mit Kohle- oder Atomstrom geheizt, heute mit Wind- und Solarstrom. Das ist die Zukunft. Neue Technik und Produkte machen das Segment der Wärmepumpen und Elektroheizungen auch optisch viel attraktiver.
Auch interessant
Wie entwickelt sich die Zahl Ihrer Heizstrom-Kunden?
Wolf: Mit der Übernahme der Eon-Kunden sind wir zu einem Marktführer für grünen Heizstrom geworden. Das ist das Fundament für dieses Geschäftsfeld. Wir sehen auch für die Zukunft große Potenziale. Derzeit werden in Deutschland pro Jahr rund 150.000 Wärmepumpen installiert. Diese Zahl wird sich voraussichtlich deutlich erhöhen. Wir wollen mit Lichtblick auch selbst in das Geschäft mit Wärmepumpen einsteigen und unsere Kundinnen und Kunden bei einem Umstieg unterstützen. Wir werden zudem verstärkt in unsere eigene Energieerzeugung investieren und unsere Produktpalette ausweiten – neben Strom und Gas bieten wir auch Solaranlagen, Batterien und Wallboxen für Elektroautos an.
Die Preise für Strom und Gas sind in den vergangenen Wochen und Monaten extrem in die Höhe geschnellt. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Wolf: Bei diesem „perfekten Sturm“ kommt vieles zusammen – beim Gas etwa die Nervosität wegen des Ukraine-Konflikts und die niedrigen Füllstände in den Gasspeichern, die ja sowas wie das Sicherheitsnetz der Gasversorgung bilden. Teilweise war auch die Gasförderung unerwartet rückgängig, nicht nur aus Russland, sondern auch durch Wartungsarbeiten an nordeuropäischen Gasfeldern zum Beispiel. Die Nachfrage nach Flüssiggas ist ebenfalls gestiegen, insbesondere in Asien, was sich auch in Europa auswirkt. Die Gas-Krise hat auch Effekte für den Strompreise. Atom- und Kohlekraftwerke in Deutschland gehen vom Netz, womit Gas zur Stromerzeugung wichtiger wird. Die Konjunktur ist trotz Corona angesprungen, und generell war 2021 ein wind- und solarschwaches Jahr. All dies treibt die Preise in die Höhe.
Auch interessant
Wer trägt aus Ihrer Sicht die Verantwortung für die zum Teil radikalen Preissteigerungen bei Strom und Gas?
Wolf: In Deutschland rächen sich die Versäumnisse der vergangenen Dekade bei der Energiewende. Durch das Ausbremsen der Solar- und Windausbaus unter anderem durch den früheren Wirtschaftsminister Altmaier hat Deutschland viele Jahre verloren. Die neue Regierung schlägt jetzt den richtigen Weg ein: massiver Ausbau der erneuerbaren Energien und Investition in eine höhere Flexibilität des Stromsystems, um schwankende Wind- und Solarproduktion jederzeit ausgleichen zu können.
Wohin fließt denn das Geld, das die Verbraucherinnen und Verbraucher in zunehmendem Maße für Energie aufbringen müssen?
Wolf: Die hohen Strompreis-Anstiege der letzten Monate haben ihre Ursache vor allem in gestiegenen Preisen in der Erzeugung, die wiederum auf höhere Kosten für Gas und Kohle, den Wegfall von Kraftwerkskapazitäten sowie eine gestiegene Nachfrage zurückzuführen sind. Auch Erneuerbare-Energien-Anlagen, die keine Rohstoffkosten haben, profitieren. So steigen derzeit viele Betreiber von Windrädern aus der Förderung aus und verkaufen ihren Strom am Markt. In Summe lässt sich sagen: Ein Großteil des Geldes landet bei den Rohstofflieferanten und den Kraftwerksbetreibern. Vor allem im Gasgeschäft profitieren viele Händler mit langfristigen Lieferverträgen. Sie können hier ordentliche Aufschläge und damit deutlich höhere Gewinne realisieren.
Auch der Staat bekommt höhere Steuereinnahmen durch gestiegene Energiepreise.
Wolf: Ja, die Staatskasse profitiert vor allem von höheren Mehrwertsteuereinnahmen, schließlich fallen 19 Prozent auf Strom, Gas und Öl an. Zahlt ein Haushalt also netto 1000 Euro für Strom im Jahr, dann entfallen darauf 190 Euro Mehrwertsteuer. Zahlt er nach einer Preiserhöhung künftig 1500 Euro netto, sind es 285 Euro Mehrwertsteuer. Der Staat nimmt 95 Euro zusätzlich von diesem Haushalt ein.
Auch interessant
Wie beurteilen Sie, dass einige Stadtwerke teurere Tarife in der Grundversorgung für Neukunden eingeführt haben?
Wolf: Angesichts der gestiegenen Strompreise gibt es augenscheinlich Mitnahmeeffekte – vor allem bei Grundversorgern. Die hohen Einkaufspreise beim Strom rechtfertigen aktuell Strompreise um die 50 Cent pro Kilowattstunde. Bei Grundversorgern haben wir in den vergangenen Wochen aber auch 70 Cent und mehr gesehen, in der Spitze sogar Preise über einem Euro. Das ist mit gestiegenen Einkaufskosten der Versorger nicht zu rechtfertigen. Aus diesem Grund hat die Verbraucherzentrale NRW bereits einige Grundversorger abgemahnt.
Welche Rolle spielen bei den Preissteigerungen Mechanismen des Energiehandels, Provisionen für Energiehändler etwa?
Wolf: Gashändler mit langfristigen Verträgen können im aktuellen Marktumfeld ihre Margen anheben. Hauptpreistreiber sind aber aktuell die Gas-Verknappung durch Russland und die Corona-Nachholeffekte. Die massiven Versäumnisse Deutschlands beim Ausbau der Erneuerbaren in der letzten Dekade verschärfen die Krise zusätzlich.