Essen. In vielen Großstädten wird das Potenzial für Solardächer laut einer Lichtblick-Studie zu wenig genutzt. Essen allerdings liegt im Ranking vorn.

Das Potenzial für neue Solaranlagen wird laut einer Studie im Auftrag des Stromversorgers Lichtblick vielerorts nur zu einem kleinen Teil genutzt. In acht von 14 untersuchten deutschen Großstädten wird demnach auf weniger als 30 Prozent der im Jahr 2019 gebauten Dachflächen Solarstrom erzeugt. Die regionalen Unterschiede sind indes enorm: So belegt die Ruhrgebietsmetropole Essen mit 62,9 Prozent bundesweit den Spitzenplatz.

Auch Dortmund schneidet in der Studie mit 36,3 Prozent vergleichsweise gut ab. Schlusslichter der Tabelle sind die Hauptstadt Berlin mit 14,9 Prozent, Frankfurt am Main mit 11,8 Prozent und Hamburg mit lediglich 10,3 Prozent. Für die Studie sind nach Angaben von Lichtblick Daten für die 14 deutschen Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern ausgewertet worden.

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„Dächer sind die grünen Kraftwerke der Zukunft“, betont Lichtblick-Manager Ralf Schmidt-Pleschka. Hier könne „Klimaschutz bezahlbar und verbrauchernah realisiert werden“. Kommunen und Bauträger müssten deshalb den Bau von Solaranlagen deutlich beschleunigen, fordert er.

Auch Eon sieht großes Potenzial ungenutzter Flächen

Auch der Essener Energieversorger Eon hat unlängst auf ein großes Potenzial ungenutzter Flächen verwiesen. Berechnungen von Eon ergaben eine Fläche von 90 Millionen Quadratmetern auf Dächern von Supermärkten, Logistikhallen, Möbelhäusern oder Baumärkten, auf denen in Deutschland Photovoltaik-Anlagen gebaut werden könnten. Auf dieser Fläche von umgerechnet 10.000 Fußballfeldern könnten laut Eon Anlagen mit einer installierten Kapazität von 6750 Megawatt entstehen, was einer Leistung von acht Kohlekraftwerken entspricht.

Dass bestimmte Städte im Lichtblick-Ranking besonders gut abgeschnitten haben, begründet das Unternehmen insbesondere mit einzelnen Photovoltaik-Großprojekten. In Dortmund beispielsweise hätten unter anderem ein neues Rewe-Logistikzentrum sowie ein Projekt der Deutschen Bank eine wichtige Rolle gespielt. In Essen machten die drei größten Anlagen immerhin ein Viertel des gesamten Neubaus im Jahr 2019 aus.

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Außerdem sei die Neubautätigkeit im untersuchten Jahr in Essen insgesamt vergleichsweise gering gewesen, heißt es bei Lichtblick. So entstanden in Dortmund rund zwei Drittel mehr neue Dachflächen als in Essen, in Frankfurt sogar rund doppelt so viele. Auch das erkläre „den hohen Solar-Faktor Essens“, der schließlich unmittelbar in Bezug zu den Neubau-Dachflächen stehe. Positiv wirkt sich nach Einschätzung von Lichtblick zudem aus, dass sowohl in Essen als auch in Dortmund die Photovoltaik-Nutzung bereits seit einigen Jahren kommunal gefördert werde.

Lichtblick fordert Pflicht zur Solarenergie-Nutzung auf Neubauten

Lichtblick spricht sich für eine bundesweite Pflicht zur Solarenergie-Nutzung auf Neubauten aus. Ein entsprechendes Regelwerk sollte demnach die neue Bundesregierung auf den Weg bringen. „Die Solarförderung greift in den Metropolen bei weitem nicht so, wie es erforderlich wäre, um die neuen Klimaziele zu erreichen“, sagt Schmidt-Pleschka zur Begründung.

Der Eigentümerverband Haus & Grund indes lehnt eine bundesweite Solarpflicht ab. „Eine Solardach-Pflicht treibt die Kosten des Bauens und Wohnens weiter in die Höhe“, gibt Verbandspräsident Kai Warnecke zu bedenken. Er regt stattdessen an, es sollte den Eigentümern erlaubt werden, den Strom günstig an die Bewohner des Hauses zu liefern. „Aber hier ist der Politik der Schutz der kommunalen Energieversorger vor Konkurrenz wichtiger als der Klimaschutz.“

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Der Bochumer Wohnungskonzern Vonovia, Deutschlands größter Vermieter, erzeugte eigenen Angaben zufolge im vergangenen Jahr auf knapp 1300 Dächern in Deutschland Solarstrom. Vonovia-Chef Rolf Buch betont, künftig wolle das Unternehmen „noch deutlicher als bisher auf den Einsatz erneuerbarer Energie setzen“. Eine Solardach-Pflicht stößt auch bei Vonovia auf Ablehnung. „Auch wenn der Ruf nach der Solarpflicht aus Klimaschutzgründen nachvollziehbar sein mag, so muss man immer daran denken, dass viele Hauseigentümer und kleinere Vermieter mit dieser Pflicht finanziell an ihre Grenzen stoßen würden – trotz Förderung“, sagt Buch. „Klimaschutz muss sozial verträglich gestaltet werden.“