Duisburg/Essen. Personalvorstand von Thyssenkrupp Steel, Markus Grolms, im Podcast: Bald sollen Entscheidungen für wichtige Investitionen in Duisburg fallen.

Markus Grolms spricht von der „größten Herausforderung der Unternehmensgeschichte“. Es gehe um eine gewaltige Aufgabe, sagt der Personalvorstand von Thyssenkrupp Steel. Der Konzern, der den Wirtschaftsstandort Duisburg prägt wie kaum eine andere Firma, steht vor einem radikalen Umbau – und zwar auf einer Fläche, „die fünf Mal so groß ist wie Monaco“, wie Grolms erklärt. Vier Hochöfen wolle Thyssenkrupp verschwinden lassen und durch so genannte Direktreduktionsanlagen ersetzen, mit denen Stahl auf Basis von Wasserstoff und ohne Kohle produziert werden könne. Die damit verbundenen Herausforderungen seien beträchtlich. „Aber wir werden die hier in Duisburg bewältigen“, sagt Grolms im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“.

Bei der Neuerfindung von Deutschlands größtem Stahlhersteller spielt Grolms eine Schlüsselrolle. Als früherer stellvertretender Aufsichtsvorsitzender von Thyssenkrupp ist er bestens vernetzt im Unternehmen. Traditionell verfügt die Gewerkschaft IG Metall, der Grolms angehört, über viel Einfluss im Duisburger Montankonzern.

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Zehntausende Jobs in NRW hängen direkt oder indirekt an Thyssenkrupp und der Stahlindustrie. Die Situation ist angespannt. Am vergangenen Freitag sind mehrere tausend Beschäftigte auf die Straße gegangen, um vor der Firmenzentrale in Duisburg für einen Erhalt der Branche und politische Unterstützung zu demonstrieren.

Ruf nach Anschubfinanzierung für Umbau der Stahlwerke

Für den Umbau hin zu einer klimafreundlichen Produktion sind milliardenschwere Investitionen erforderlich. Geld, das die Unternehmen nach eigener Darstellung nicht aufbringen können. Konzernführung und IG Metall hoffen daher auf eine staatliche Anschubfinanzierung. Die Transformation könne nicht allein privatwirtschaftlich bezahlt werden, sagt Grolms. Selbstverständlich werde allerdings auch das Unternehmen „Geld in die Hand nehmen“.

„Wir müssen aufs Gas drücken“, betont Grolms. Denn schon im kommenden Jahr soll es wichtige Investitionsentscheidungen für die Zukunft des Stahlstandorts Duisburg geben. Von der künftigen

Markus Grolms, der Personalvorstand von Thyssenkrupp Steel: „Wir müssen aufs Gas drücken“, sagt er mit Blick auf den anstehenden Umbau.
Markus Grolms, der Personalvorstand von Thyssenkrupp Steel: „Wir müssen aufs Gas drücken“, sagt er mit Blick auf den anstehenden Umbau. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Bundesregierung, die aller Voraussicht nach vom Sozialdemokraten Olaf Scholz geführt wird, erhofft sich Thyssenkrupp Unterstützung. „Die Transformation der Industriegesellschaft muss Chefsache sein“, sagt Grolms – und meint damit den künftigen Kanzler. „Wir würden uns freuen, wenn es eine Transformationsallianz gäbe unter Leitung des Bundeskanzlers.“

Das Ziel sei, im kommenden Frühjahr den ersten Investitionsantrag für eine Direktreduktionsanlage zu stellen, die im Jahr 2025 in Betrieb gehen soll. „Wir wollen nächstes Jahr loslaufen. Das ist doch eine Top-Botschaft für die Bundesregierung“, formuliert es Grolms. „Wir sind bereit.“ Eine Botschaft an die Koalitionspartner – vermutlich SPD, Grüne und FDP – sei aber auch: „Die Uhr tickt.“

„Wir haben keine Zeit zu verlieren“

Arbeitnehmervertreter warnen davor, Deutschlands Stahlindustrie könne den Anschluss verlieren. Die erst kürzlich gegründete Firma H2GS will – mit Unterstützung des deutschen Autobauers Mercedes – in Nordschweden eine fossilfreie Stahlproduktion in großem Maßstab aufbauen. H2GS plant, fünf Millionen Tonnen Stahl bis zum Jahr 2030 zu produzieren. Zum Vergleich: Deutschlands Branchenprimus Thyssenkrupp Steel stellt jährlich etwa elf Millionen Tonnen Rohstahl her. Ab 2030 will Thyssenkrupp pro Jahr rund drei Millionen Tonnen CO2-neutralen Stahl produzieren.

„Wir haben keine Zeit zu verlieren“, mahnt Grolms. Einerseits gehe es darum, die globale Erwärmung zu stoppen, andererseits wolle Thyssenkrupp „vorne sein“ und „den Markt prägen, den es für grünen Stahl gibt“. In diesem Zusammenhang hebt Personalvorstand Grolms auch hervor, wie wichtig die Stahlbranche und die Industrie insgesamt für die Beschäftigung in Deutschland sei. Es dürfe nicht dazu kommen, dass „Hunderttausende von Arbeitsplätzen“ beim Umbau verloren gehen. Wenn dies geschehe, werde es auch keinen gesellschaftlichen Konsens für mehr Klimaschutz geben. „Wir müssen Beschäftigung sichern“, betont Grolms.

„Das war ein außerordentlich positives Signal des Ministerpräsidenten“

Überraschend ist am vergangenen Freitag auch der neue NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zur Kundgebung der Stahlbeschäftigten in Duisburg geeilt. „Das war ein außerordentlich positives Signal des Ministerpräsidenten“, sagt Grolms dazu, auch da es sich um den ersten Termin des neuen NRW-Regierungschefs gehandelt habe.

Der Vorstand von Thyssenkrupp Steel hatte sich bei der Kundgebung unter die Beschäftigten gemischt, so auch Thyssenkrupp-Stahlchef Bernhard Osburg und Markus Grolms. Kurz zuvor war der Personalvorstand noch in Marokko, um sich ein Bild vom Aufbau der Wasserstoff-Wirtschaft in der Region zu machen. Denn noch ist es eine offene Frage, wie Thyssenkrupp künftig an genügend Wasserstoff zu bezahlbaren Preisen kommt. In der Übergangszeit werde der Konzern bei der Stahlherstellung Erdgas einsetzen, sagt Grolms – nicht etwa, weil Thyssenkrupp dies tun wolle, sondern weil es der Konzern tun müsse, um den Umbau voranzutreiben. Das große Ziel sei jedenfalls: „die Wasserstoff-Leitung aufmachen“.