Duisburg. SPD-Kanzlerkandidat bei Thyssenkrupp in Duisburg: Scholz signalisiert Unterstützung für einen klimafreundlichen Umbau der Stahlwerke.

Bei einem Besuch von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Duisburger Standort von Thyssenkrupp Steel hat Gesamtbetriebsratschef Tekin Nasikkol rasche Entscheidungen für milliardenschwere Investitionen in den klimafreundlichen Umbau der Produktion angemahnt. „Wir brauchen Entscheidungen, damit wir loslegen können“, sagte Nasikkol am Rande eines Treffens von Scholz mit Beschäftigten von Thyssenkrupp. Nasikkol warnte davor, dass Deutschlands Stahlindustrie den Anschluss verlieren könnte. Die für die Branche wichtige Automobilindustrie schließe schon jetzt im Ausland Verträge mit potenziellen Lieferanten von grünem Stahl ab.

Mercedes-Benz hatte unlängst angekündigt, sich als erster Pkw-Hersteller am schwedischen Start-up H2 Green Steel (H2GS) zu beteiligen. Die erst im vergangenen Jahr gegründete Firma H2GS will in

Am Hochofen 8 von Thyssenkrupp: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (links) mit Gesamtbetriebsratschef Tekin Nasikkol.
Am Hochofen 8 von Thyssenkrupp: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (links) mit Gesamtbetriebsratschef Tekin Nasikkol. © AFP | Ina Fassbender

Nordschweden eine fossilfreie Stahlproduktion in großem Maßstab aufbauen. H2GS plant, fünf Millionen Tonnen fossilfreien Stahl bis zum Jahr 2030 zu produzieren. Zum Vergleich: Deutschlands Branchenprimus Thyssenkrupp Steel stellt jährlich etwa elf Millionen Tonnen Rohstahl her. Ab 2030 will Thyssenkrupp pro Jahr rund drei Millionen Tonnen CO2-neutralen Stahl produzieren.

Scholz will Produktion von grünem Strom ankurbeln

SPD-Kanzlerkandidat Scholz signalisierte den Beschäftigten während seines Besuchs in Duisburg Unterstützung beim geplanten Umbau. Er werde sich dafür einsetzen, dass Stahl auch künftig in Deutschland hergestellt werden könne. Rasch nach einem möglichen Amtsantritt wolle er insbesondere dafür sorgen, dass der Ausbau der Erzeugung erneuerbarer Energie vorangetrieben werde. Grüner Strom wird in großen Mengen auch für eine Produktion von klimaneutralem Stahl benötigt. Eine Genehmigung von neuen Windkraftanlagen solle nicht mehr wie bisher im Schnitt sechs Jahre, sondern sechs Monate auf sich warten lassen, sagte Scholz. Mit Blick auf die milliardenschweren Investitionen in der Stahlindustrie stellte Scholz Fördermittel in Aussicht, ohne konkrete Summen zu nennen.

Thyssenkrupp-Stahlgesamtbetriebsratschef Nasikkol forderte, die neue Bundesregierung müsse einen zehn Milliarden Euro schweren „Transformationsfonds“ für den Umbau der Stahlindustrie bis zum Jahr 2030 auf den Weg bringen. Die Unternehmen könnten die nun notwendigen Investitionen nicht aus eigener Kraft finanzieren. Nasikkol verwies auf die Bedeutung der Branche für die Beschäftigung in Deutschland. Allein Thyssenkrupp Steel habe 28.000 Beschäftigte, davon rund 13.000 in Duisburg.

Kundgebung mit mehr als 5000 Teilnehmern geplant

Er wolle mit dem Unternehmen auch in Verhandlungen über eine Beschäftigungs- und Standortgarantie gehen, kündigte Nasikkol an. Für den 29. Oktober plant der Betriebsrat einen „Stahl-Aktionstag“ mit einer Großkundgebung, an der mindestens 5000 Beschäftigte teilnehmen sollen.

Ab dem Jahr 2025 will Thyssenkrupp Steel die vier konzerneigenen Hochöfen am Standort Duisburg schrittweise durch sogenannte Direktreduktionsanlagen ersetzen. Hinzu sollen Einschmelz-Aggregate kommen, um aus dem festen Rohmaterial aus den neuen Anlagen flüssiges Roheisen für die Weiterverarbeitung zu machen. Hierfür sind Unternehmensangaben zufolge Investitionen von rund zwei Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 erforderlich, für den kompletten Umbau bis zu acht Milliarden Euro. Es sind riesige Industriekomplexe, die Thyssenkrupp in Duisburg plant. 150 Meter hoch sollen die Direktreduktionsanlagen nach Darstellung von Thyssenkrupp-Stahlchef Bernhard Osburg sein. Die bisherigen Hochöfen würden sie locker überragen.

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„Der Direktreduktionsprozess mit Erdgas ist um die Hälfte sauberer als Stahl aus dem Hochofen“, erklärten das Bundesumweltministerium und Thyssenkrupp Steel nach einem Besuch von Ministerin Svenja Schulze (SPD) Ende Juni. Weiter hieß es, mittel- bis langfristig müsse das Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzt werden. Insgesamt sei die heimische Stahlindustrie derzeit mit etwa 58 Millionen Tonnen CO2 für rund sechs Prozent der jährlichen CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich, hieß es in der gemeinsamen Presseerklärung von Bundesumweltministerium und Thyssenkrupp.