Gladbeck/Düsseldorf. Ex-Mitarbeiter Inan Koc hat kriminelle Machenschaften in Vodafone-Shops aufgedeckt. Von seiner Geldforderung fühlt sich der Konzern erpresst.
Inan Koc hat intime Kenntnisse, wie in Läden des Telekommunikationskonzerns Vodafone das Geschäft mit Telefonverträgen und Smartphones angekurbelt wird – zum Teil auch mit kriminellen oder zumindest fragwürdigen Methoden. Seine Informationen hat er dem Düsseldorfer Unternehmen immer wieder zur Verfügung gestellt, dafür aber auch die saftige Summe von 900.000 Euro verlangt. Vodafone fühlt sich durch die Geldforderung erpresst und hat Strafanzeige gegen Koc, der den Vorwurf strikt von sich weist, gestellt. Nun ermittelt die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft.
Nur 180 der mehr als 1000 Vodafone-Shops gehören dem Unternehmen selbst. Den großen Rest lässt es von Franchise-Partnern betreiben. Das ist in der Branche üblich. Inan Koc arbeitete selbst für eine Reihe dieser Partner unter anderem in Gladbeck und Oberhausen. Im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ bestätigt der 48-Jährige, dass er bei seinen Tätigkeiten nicht nur tiefe Einblicke in das Vertriebssystem von Vodafone erhielt, sondern sich offenbar auch selbst an kriminellen Machenschaften beteiligte. „Wir haben Produkte, die sich schlecht verkauften, auf Kunden ohne ihr Wissen gebucht, um die Betriebsziele zu erreichen“, räumt er im „Spiegel“ sein. Sein Chef habe ihn außerdem gedrängt, Handys aus dem System zu buchen, damit er sie anderweitig verkaufen könne.
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Inzwischen arbeitslos, begann Koc im März 2020 damit, diese und weitere Auffälligkeiten an die Vodafone-Zentrale in Düsseldorf zu melden. Ein Jahr später schickte der Gladbecker eine Rechnung „für die Untersuchungen und Beweislieferungen“ in Höhe von 900.000 Euro, zahlbar auf ein Konto der Sparkasse Duisburg, hinterher. Die Zahlung lehnte der Konzern nach eigenen Angaben ab, weil er sich erpresst fühlte. „Herr Koc drohte damit, sensible Kundendaten und Geschäftsgeheimnisse zu veröffentlichen, sofern diese Summe nicht gezahlt werden würde“, sagte ein Vodafone-Sprecher am Freitag.
Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt
Auf das Angebot eines mit 200.000 Euro dotierten „Beratervertrags“ ließ sich Koc offenbar nicht ein. „Vodafone ist nicht erpressbar und wird Erpressungsversuche oder anderes Fehlverhalten zum Nachteil von Vodafone oder seiner Kunden auch weiterhin konsequent zur Anzeige bringen“, betont der Sprecher. „Wir haben deshalb gegen den Hinweisgeber bereits vor geraumer Zeit bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Anzeige wegen Erpressung und unerlaubter Weitergabe von personenbezogenen Daten und Geschäftsinterna erstattet.“
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Das Verfahren läuft seit einigen Wochen. „Die Strafanzeige wird derzeit geprüft“, erklärt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, ohne nähere Angaben zu machen. „Es ist eine Frechheit, dass Vodafone behauptet, ich hätte das Unternehmen erpresst“, erklärt Koc auf Nachfrage unserer Redaktion. Damit wolle der Konzern von den „eigentlichen Themen“ ablenken. „Ich habe schon 2007 zum ersten Mal auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen“, sagt der Gladbecker. „900.000 Euro habe ich deshalb in Rechnung gestellt, weil durch meine Recherchen dem Unternehmen ein Schaden von rund ca. 70 Millionen Euro erspart geblieben wäre, wenn das Unternehmen gehandelt hätte.“
„Was für ein verlogener Sauhaufen“
Doch ein Durchgreifen vermisst Koc. Nachdem er seine Geldforderungen nicht durchsetzen konnte, bombardierte er Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Vodafone, darunter auch den Chef Hannes Ametsreiter, mit Mails, die man im Konzern zum Teil als beleidigend empfand. „Eine Lüge nach der anderen. Was für ein verlogener Sauhaufen. Sie betrügen und belügen Ihre eigene Kunden“, hieß es einer Nachricht. „Was für eine dreckige und asoziale Lüge. (...) Leiden Sie an einer Verdrängungserkrankung im Zentralhirn?“ in einer anderen.
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Den Hinweisen des ehemaligen Partner-Mitarbeiters, betont Vodafone, sei man dennoch nachgegangen. „Bislang haben wir 15 Strafanzeigen gestellt, uns von zehn Partnern getrennt und 53 Ladenlokale geschlossen“, sagt der Sprecher. „Betrügerische Handlungen“ gegen Kundinnen und Kunden sowie das Unternehmen habe es insbesondere in Nordrhein-Westfalen gegeben. Hinweise auf ein Netzwerk gebe es aber nicht, heißt es bei Vodafone. Vertragsabschlüsse seien „teils mit hoher krimineller Energie ohne Zustimmung der Kunden vorgenommen“ worden. Provisionen und Rabattierungen seien zu Lasten des Unternehmens erfolgt.
Verstöße gegen den Datenschutz für Kunden
Besonders schwer wiegen Verstöße des Datenschutzes, die nach Hinweisen von Koc ans Tageslicht kamen. Dem „Spiegel“ sagte er, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Partner-Shops zeitweise an Vertragsdaten von Kundinnen und Kunden gelangen konnten, ohne deren Kennwort zu kennen. Bis heute sei die Kennwortsperre leicht zu umgehen.
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„Im Rahmen eines erwiesenen Datenschutzverstoßes haben wir eine Meldung an den Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gemacht“, bestätigt Vodafone. Die Recherchen der Behörde dauern an. Die „Mehrheit“ der Hinweise, die Koc gegeben habe, hätten sich laut Vodafone am Ende aber nicht bestätigt. Der Sprecher: „Weitere Fälle befinden sich derzeit noch in Untersuchung.“ Aus Fehlverhalten werde man „umgehend Konsequenzen ziehen“.
Inan Koc lässt durchblicken, dass er weitere Erkenntnisse über die Vertriebspraxis bei Vodafone im Ärmel habe. „Ihre Systeme sind offen wie ein Scheunentor“, sagt er bildhaft.