Essen. Vodafone wirft einigen Shop-Betreibern „hohe kriminelle Energie“ vor. Weitere Kündigungen. Ein Anwalt äußert Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

Betrugsvorwürfe, Strafanzeigen und Unregelmäßigkeiten bei Vertragsabschlüssen mit Kundinnen und Kunden von Vodafone nehmen immer größere Dimensionen an: Der Düsseldorfer Telekommunikationskonzern hat sich von deutlich mehr Betreibern seiner Partnershops getrennt als bisher angegeben. Nachdem Vodafone vor wenigen Wochen die Kündigung von drei Partneragenturen mit 13 Ladenlokalen bestätigt hatte, räumte das Unternehmen auf Nachfrage unserer Redaktion nun auch Schließungen in Olpe, Siegen, Rösrath, Dortmund Thier-Galerie, Bergisch Gladbach, Witten und Mettmann ein.

Zur Erinnerung: In einer Mail, die vor Wochen von einem anonymen Absender offenbar bundesweit verschickt wurde, ist die Rede von kriminellen, erpresserischen und korrupten Netzwerken, die sich seit Jahren in einigen Niederlassungen gebildet und ausgedehnt hätten. Vodafone arbeitet bundesweit mit rund 1400 Partneragenturen zusammen.

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Es geht um zusätzliche Mobilfunk-Verträge, die Kundinnen und Kunden untergeschoben worden sein sollen, obwohl sie diese gar nicht benötigen oder nutzen. Betreiber von Partner-Agenturen sollen aber auch von Vodafone subventionierte Smartphones, die für Kunden bei Vertragsverlängerungen vorgesehen waren, illegal an Dritte verkauft haben. Eine Auswertung des Verbraucherzentrale Bundesverband hatte im Mai ergeben, dass die mit Abstand meisten Beschwerden im Mobilfunkbereich von Vodafone-Kunden kommen. Einer der am häufigsten Gründe seien „untergeschobene Verträge im stationären Handel“.

Anwalt hält Kündigungen für fragwürdig

Vodafone selbst hatte zu den Unregelmäßigkeiten erklärt, dass man derzeit eine Reihe von Vorfällen bei externen Vertriebspartnern des Unternehmens untersuche. In den bisher zur Aufklärung gebrachten Fällen habe Vodafone „betrügerische Handlungen gegen das Unternehmen genau wie gegen seine Kunden nachweisen können, in denen teils mit hoher krimineller Energie vorgegangen wurde“, teilte der Konzern auf Anfrage mit.

Die Kündigungen hält der Münchener Rechtsanwalt Bernd Schleicher, der nach eigenen Angaben etwa acht Partneragenturen vertritt, denen von Vodafone Betrug vorgeworfen wird, jedoch für fragwürdig. So habe Vodafone vage Hinweise auf Unregelmäßigkeiten zum Anlass genommen worden, um fristlose Kündigungen auszusprechen. Es sei nicht beim Vertreter nachgefragt worden, ob er etwas hierzu wisse, damit dieser weiter nachzuforschen konnte. In der Regel sei gleich ohne Abmahnung gekündigt worden.

Offenbar wurden Kunden erfunden

Bisher habe er von Vodafone aber keine Nachweise erhalten, die eine Kündigung gerechtfertigt hätten. Schleicher: „Vodafone hat die Beweislast. Aber was ich bisher an Vortrag gelesen habe, beinhaltete nur Vermutungen oder es wurden ganz normale Sachverhalte aufgeblasen“, so Schleicher im Gespräch mit unserer Redaktion.

Mehr noch: Selbst wenn es in Einzelfällen betrügerische Handlungen gegeben habe (zum Beispiel dadurch, dass Kunden erfunden worden seien), so sei die Dokumentationsprüfung bei Vodafone sehr lax. Die elektronische Übermittlung der Ausweis- und Bankkarten reichten, damit das Vodafone-System einen neuen Vertrag unmittelbar danach freigebe und das Gerät an den Kunden im Shop ausgehändigt wird. Eine Prüfung der Unterlagen durch das Unternehmen erfolgt nicht.

„Es gibt Schwachstellen, und die werden offenbar einfach hingenommen“

Vodafone stellt seine Prüfung so dar: „In unserer Legitimationsrichtlinie, die jeder Betreiber laut Partnervertriebsvertrag einzuhalten hat, ist genau geregelt, dass der Betreiber für die Prüfung und damit die Richtigkeit der vorgelegten Legitimationspapiere verantwortlich ist. Erst nach Prüfung der Unterlagen darf eine Eingabe in das Vodafone-System erfolgen. Die Aktivierung / Freigabe im Vodafone-System erfolgt erst nach einer Plausibilitätsprüfung (plus Bonitätsprüfung bei Neukunden).“

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Schleicher führt die momentane Kündigungswelle darauf zurück, dass Vodafone den Eindruck vermitteln wolle, dass man selbst alles getan habe, um unsaubere Praktiken zu unterbinden. Doch in der Vergangenheit habe Vodafone diese Praktiken laufen lassen. Schleicher: „Es gibt Schwachstellen, und die werden offenbar einfach hingenommen.“

Diese Darstellung weist Vodafone auf Nachfrage zurück. Fristlose Kündigungen seien ausgesprochen worden, weil es sich um gravierende Verstöße gegen den Vodafone-Vertriebsvertrag mit den Partnern handele. „In einem solchen Fall gehen wir gegen diesen Vertriebspartner rigoros vor – von Abmahnungen über einen befristeten Stopp der weiteren Vermarktung bis hin zur vollständigen Beendigung der Zusammenarbeit und Einleitung von Strafverfahren.“ Vodafone lägen eindeutige Hinweise vor, die eine fristlose Kündigung rechtfertigten.

Vodafone: Täter zur Verantwortung ziehen

Mit Blick auf Schwachstellen teilt Vodafone mit: „Wir unternehmen alles, um unsere Systeme so sicher wie möglich zu machen. Dabei unterziehen wir Systeme und Prozesse regelmäßig strengen Prüfungen, beugen potenziellen Lücken vor und schließen diese, sobald sie erkannt sind.“ Allerdings könne kein System jederzeit hundertprozentigen Schutz gegen Angriffe und Missbrauch von außen bieten, wenn diese mit hoher krimineller Energie erfolgten. Werde Vodafone dieser gewahr, ginge man umgehend dagegen vor, stelle Missbrauch ab und arbeite eng mit den Behörden zusammen, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen.

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Inzwischen ist auch der traditionsreiche Standort auf der Königstraße in Duisburg geschlossen. Dieser wurde von der Liva GmbH betrieben. Nach Informationen dieser Zeitung sind auch die anderen 15 Liva-Standorte dicht. Vodafone bestätigt, dass die Zusammenarbeit mit dem Vertriebspartner Liva GmbH beendet worden sei, von einer Kündigung spricht Vodafone allerdings nicht. Der Name Liva taucht auch in der anonymen Mail auf. Nach Angaben von Vodafone steht die Beendigung der Zusammenarbeit aber damit nicht im Zusammenhang.

Angesichts der beträchtlichen Zahl an Schließungen stellt sich die Frage, ob sich ein Netzwerk für betrügerische Handlungen gebildet hat, ein derartiges Netzwerk sei Vodafone jedoch nicht bekannt, teilt das Unternehmen mit.