Essen. Der Bochumer Europa-Abgeordnete Dennis Radtke sieht durch Klimapläne der EU Jobs im Ruhrgebiet bedroht, gerade in der Chemie- und Stahlindustrie.
Klimaschutzpläne der Europäischen Union schüren Sorgen um die Industrie im Ruhrgebiet. „Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, hätte gravierende Folgen für die Industrie. Gerade das Ruhrgebiet würde hart getroffen“, sagte der Bochumer Europa-Abgeordnete Dennis Radtke (CDU) im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich mache mir Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit von energieintensiven Branchen wie Chemie, Stahl und Alu.“
Allein in der Stahlindustrie gehe es um rund 150.000 Arbeitsplätze, die direkt oder indirekt an der Branche hängen, betonte Radtke. In der Chemieindustrie seien ebenfalls weit mehr als 100.000 Jobs betroffen. „Es wäre fahrlässig, diesen Branchen den Boden unter den Füßen wegzuziehen“, sagte Radtke, der auch den Arbeitnehmerflügel CDA seiner Partei in NRW führt. „Das EU-Paket darf nicht dazu führen, dass wir unsere Industrie kaputtmachen.“
Die EU-Kommission hatte Mitte des Monats ein Klimapaket mit dem Namen „Fit for 55“ präsentiert, das zum Ziel hat, bis zum Jahr 2030 die Kohlendioxid-Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken.
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl, die Konzerne wie Thyssenkrupp vertritt, rechnet mit zusätzlichen Belastungen für die Unternehmen durch Veränderungen beim Emissionshandel. Auch der Chemieverband VCI, der aktuell von Evonik-Chef Christian Kullmann geführt wird, erwartet „massive Mehrkosten für den Klimaschutz“.
„Werden EU-Paket nicht einfach abnicken“
„Es darf keine Überforderung wichtiger Branchen beim Emissionshandel geben“, sagte Radtke, ein Vertrauter von Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet. „Wenn unsere heimische Industrie über Gebühr belastet wird, ist niemandem geholfen. Das Weltklima wird nicht dadurch besser, dass der Stahl anderswo auf dem Globus produziert wird.“ Radtke kündigte an, er wolle auf Veränderungen beim geplanten Gesetzespaket der EU hinwirken. „Wir hätten unseren Job verfehlt, wenn wir das EU-Paket einfach abnicken würden“, sagte er. „Hier ist das letzte Wort im Gesetzgebungsverfahren noch lange nicht gesprochen.“
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Radtke ging auch den für die Klimapolitik zuständigen EU-Vizepräsidenten Frans Timmermans direkt an. „Für innovative Lösungen beim Klimaschutz brauchen wir keine Selbstinszenierung von Herrn Timmermans als Weltklima-Staatsmann Nummer eins, sondern wir brauchen die Industrie als Partner“, sagte der EU-Parlamentarier, der auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) in der Pflicht sieht. „Sie muss sich entscheiden, ob ihre Klimapolitik von Erfolg gekrönt sein wird oder am Ende zur Deindustrialisierung führt, weil sie Herrn Timmermans freie Hand gelassen hat.“
„Soziale Aspekte wie das Thema Beschäftigung ausgeblendet“
Radtke forderte die Industriemanager auf, stärker Position zu beziehen. „Rückgrat schmilzt bei vielen, gerade in der Automobilindustrie, schneller als die Polkappen. Irgendwann kann auch der schönste Maßanzug nicht mehr kaschieren, dass man für den Umgang mit unbequemen Wahrheiten nicht den nötigen Hintern in der Hose hat“, stichelte der CDA-Landeschef.
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Mit Blick auf das neue Klimapaket forderte Radtke von der EU-Kommission eine Folgenabschätzung insbesondere mit Blick auf die Arbeitsplätze in den betroffenen Branchen. „Mich ärgert es kolossal, dass einseitig über Klimaschutz gesprochen wird, aber soziale Aspekte wie das Thema Beschäftigung ausgeblendet werden“, sagte der EU-Parlamentarier. „Es ist irrwitzig zu glauben, die Stahlindustrie könne den Umbau der Produktion aus eigener Kraft finanzieren.“ Es sei staatliche Unterstützung notwendig – und damit auch ein entsprechendes Beihilferecht der EU. „Ich rate dringend dazu, dass wir die Industrie beim Thema Klimaschutz nicht bestrafen, sondern – im Gegenteil – dazu ermuntern und ertüchtigen, in Zukunft CO2-neutral zu produzieren“, sagte Radtke. „Das heißt: Anreize und Unterstützung sind notwendig. Ein neuer Markt für grünen Stahl wird sich nicht von allein etablieren.“