Essen. Postbank-Studie: Onlinehandel verleitet in der Pandemie dazu, Sachen zu kaufen, die nicht benötigt werden. Das geben zwei von drei Jüngeren zu.

Auch eine Nebenwirkung der Corona-Pandemie: Die Deutschen kaufen nicht nur deutlich mehr im Internet ein – sie kaufen nach eigener Aussage auch deutlich mehr Sachen, die sie gar nicht brauchen. Und je jünger sie sind, desto mehr Lust- oder Frustkäufe leisten sie sich. Viele wissen schon beim Bestellen, dass sie mindestens einen Teil der Ware wieder zurückschicken werden. Das ist ein Ergebnis der Mittwoch vorgestellten Postbank-Digitalstudie 2021.

In der repräsentativen Umfrage gab jeder dritte der gut 3000 Befragten an, in der Corona-Krise häufiger online einzukaufen als zuvor. Insgesamt haben im Lockdown 35 Prozent der Deutschen mehr als die Hälfte ihrer gesamten Einkäufe im Netz erledigt. Dass gemessen am Umsatz die Onlinekäufe dermaßen zugenommen haben, liegt auch daran, was die Leute im Corona-Jahr verstärkt im Netz bestellt haben: Wohnaccessoires legten am stärksten zu. Die Leute gaben besonders viel Geld dafür aus, ihr Zuhause aufzumöbeln, in dem sie sich deutlich mehr aufgehalten haben als üblich.

Jüngere besonders anfällig für Lustkäufe

Offenkundig waren viele Bestellungen aber auch Übersprungshandlungen oder geschahen zum bloßen Zeitvertreib. Das legt zumindest die Aussage vieler Konsumentinnen und Konsumenten nahe, Dinge online gekauft zu haben, die sie gar nicht brauchen. Mehr als jeden Dritten führte der bequeme Einkauf am Handy oder PC in diese Versuchung. Besonders anfällig sind dafür nach eigenem Bekunden die Jüngeren: Von den Unter-40-Jährigen gaben fast zwei Drittel der Befragten an, unnötige Dinge gekauft zu haben.

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Außerdem bestellt mehr als jeder vierte Online-Kunde öfter als früher Sachen, von denen er weiß, dass er sie postwendend wieder zurückschicken wird, von den Unter-40-Jährigen gab das fast jeder zweite an. Wahrscheinlich deshalb, weil sie deutlich häufiger als andere auch Kleidung und Schuhe online bestellen – und zwar gleich in mehreren Größen, damit die passenden auf jeden Fall dabei ist.

Konsumpsychologe sieht Bewusstseinswandel

Für den Kölner Konsumpsychologen Dirk Ziems sind die Ergebnisse der Postbank-Studie keine Überraschung. Er deutet sie aber nicht als neuen Kaufrausch-Ausbruch, sondern im Gegenteil als den Beginn eines Bewusstseinswandels: „Die Leute blicken kritischer auf ihr eigenes Konsumverhalten, nach einem Jahr Corona hinterfragen sie sich selbst viel stärker und merken, wie viele Dinge sie gekauft haben, aber gar nicht brauchen“, sagt der Experte des Marktforschungsinstituts Conceptm. Die Umfrageergebnisse müssten nicht bedeuten, dass wirklich mehr unnötige Dinge gekauft werden, sondern spiegelten eher eine veränderte Selbstwahrnehmung der Konsumenten in ihren Antworten wider.

Dieses Innehalten habe man schon vor der Pandemie in Tiefeninterviews festgestellt, Corona habe die Besinnung auf andere Werte wie den Zusammenhalt in der Familie und eine neue Heimeligkeit aber noch einmal deutlich beschleunigt.

Digital Detox als großer Vorsatz

Zu dieser These passt ein weiteres Ergebnis der Postbank-Studie: Nach einem Jahr Pandemie sind viele ihren gestiegenen Internet-Konsum leid. Mit durchschnittlich 65 Stunden pro Woche waren die Menschen hierzulande im Jahr 2020 rund neun Stunden länger online als vor der Pandemie. „Mangels Alternativen verbrachten die Deutschen im Lockdown einen erheblichen Teil ihrer Freizeit im Netz“, sagt Thomas Brosch, Digital-Vertriebschef der Postbank. Nun gab jeder siebte (14 Prozent) an, seine Internet-Präsenz reduzieren zu wollen. Vor allem die Unter-40-Jährigen nehmen sich „Digital Detox“ vor – 30 Prozent von ihnen wollen seltener zu surfen. Vor allem soziale Netzwerke (47 Prozent) und die Videoplattform Youtube (34 Prozent) geben sie als Hauptquellen des Verzichtbaren an.