Essen. Mercedes-Benz steigt bei einem schwedischen Start-up ein, das grünen Stahl herstellen will. Experte Dudenhöffer: „Wachrütteln für Thyssenkrupp“.
Der Autobauer Mercedes-Benz beteiligt sich an einem schwedischen Stahlhersteller und will ab dem Jahr 2025 Fahrzeuge mit grünem Stahl auf den Markt bringen. Mercedes-Benz sei der erste Pkw-Hersteller, der beim schwedischen Start-up H2 Green Steel (H2GS) einsteige, erklärte das Stuttgarter Unternehmen. Ziel sei der Einsatz von CO2-freiem Stahl in Serienfahrzeugen.
In einem ersten Schritt investiert Mercedes-Benz nach eigenen Angaben einen einstelligen Millionenbetrag beim Start-up H2GS. Das ist gemessen am Investitionsbedarf in der Stahlindustrie eine kleine Summe. Vorstandsmitglied Markus Schäfer betont indes, Mercedes-Benz gehe es dabei um einen „wichtigen Impuls, um den Wandel in der Stahlbranche zu beschleunigen und die Verfügbarkeit von CO2-freiem Stahl zu erhöhen“.
Die Firma H2GS wurde erst im Jahr 2020 mit dem Ziel gegründet, eine fossilfreie Stahlproduktion in großem Maßstab in Nordschweden zu etablieren. H2GS plant, fünf Millionen Tonnen fossilfreien Stahl bis zum Jahr 2030 zu produzieren. Zum Vergleich: Deutschlands Branchenprimus Thyssenkrupp Steel stellt jährlich etwa elf Millionen Tonnen Rohstahl her. Ab 2030 will Thyssenkrupp pro Jahr rund drei Millionen Tonnen CO2-neutralen Stahl produzieren. 2050 soll die Stahlproduktion vollständig klimaneutral sein.
Auch interessant
„Das ist ein Wachrütteln für Thyssenkrupp“, kommentiert der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Duisburger CAR-Institut die Pläne von Mercedes-Benz. „Bei uns wird viel geredet, aber es hapert an der Umsetzung.“ Insbesondere hohe Energiepreise seien ein Hemmnis für den Aufbau einer starken klimaneutralen Stahlproduktion in Deutschland.
„Eine der größten Herausforderungen in der Automobilindustrie“
Durch die Partnerschaft mit dem schwedischen Start-up wolle Mercedes-Benz „eine der größten Herausforderungen in der Automobilindustrie auf dem Weg zur CO2-Neutralität“ angehen, erklärte der Autobauer. Eine Limousine von Mercedes-Benz bestehe im Durchschnitt zur Hälfte aus Stahl. Damit mache der Werkstoff etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen in der Herstellung aus. Als „bevorzugter Partner“ des Start-ups H2GS werde Mercedes-Benz ab dem Jahr 2025 „grünen Stahl in verschiedenen Fahrzeugmodellen auf den Markt“ bringen, kündigt Vorstandsmitglied Schäfer an. Der Autobauer hat sich zum Ziel gesetzt, die eigene Lieferkette bis zum Jahr 2039 CO2-neutral zu gestalten.
Auch interessant
Produktionsstandorte des Stahlhersteller H2GS sollen in den schwedischen Städten Boden und Luleå entstehen. Der Gründer und größte Anteilseigner des Start-ups ist das Unternehmen Vargas, das auch Mitbegründer und einer der größten Anteilseigner des Elektroauto-Batterieherstellers Northvolt ist.
Nach Darstellung von Mercedes-Benz will H2GS bei der Stahlherstellung Wasserstoff und Strom aus erneuerbaren Energien anstelle von Kokskohle einsetzen. Der Wasserstoff diene als Reduktionsgas, das den Sauerstoff aus dem Eisenerz herauslöst und bindet. Dabei entstehe anders als bei der Nutzung von Kokskohle kein CO2, sondern Wasser.
Thyssenkrupp hofft auf staatliche Unterstützung beim Umbau
Die Stahlindustrie gehört zu den größten Verursachern von klimaschädlichem Kohlendioxid. Allein aus den Hochöfen von Thyssenkrupp stammen Unternehmensangaben zufolge rund 2,5 Prozent des bundesweiten Kohlendioxid-Ausstoßes. Deutschlands größter Stahlkonzern hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen um 30 Prozent zu reduzieren. Dafür ist der Bau sogenannter Direktreduktionsanlagen erforderlich, mit denen Thyssenkrupp schrittweise die klassischen Hochöfen ersetzen will.
Auch interessant
Um im Zeitplan zu bleiben, benötigt Thyssenkrupp früheren Angaben zufolge in den Jahren 2025 oder 2026 die erste dieser neuen Anlagen zur Stahlproduktion auf Basis von Wasserstoff, im Jahr 2030 dann eine weitere. Hinzu kommt der Aufbau einer neuen Infrastruktur – zum Beispiel Pipelines für die Versorgung mit Wasserstoff. Um die milliardenschweren Investitionen tätigen zu können, benötigt der Stahlkonzern nach eigener Darstellung staatliche Unterstützung. „Wir sind uns mit der Politik einig, dass kein Unternehmen die Transformation alleine stemmen kann. Es braucht anfangs geeignete Förder- und Anreizinstrumente“, hatte Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz betont.