Bochum. Vonovia und Deutsche Wohnen planen ihre Fusion. Der Großkonzern wird von Bochum aus gelenkt. Mieterbund warnt, dass Mieter die Kosten tragen.
Rolf Buch ist am Ziel. Nach zwei gescheiterten Versuchen kann der Vonovia-Chef gemeinsam mit dem Rivalen Deutsche Wohnen Europas größten Wohnungskonzern zimmern. Die langen Verhandlungen über das Pfingstwochenende waren erfolgreich. Am frühen Dienstagmorgen gibt sich Buch in zweifacher Hinsicht gut gelaunt und lässt keinen Zweifel, dass er den neuen Immobilien-Giganten mit 569.000 Wohnungen in Deutschland aus dem Ruhrgebiet heraus steuern will. „Natürlich bleibt die Zentrale in Bochum, in der Stadt des Erstligisten VfL. Das liegt mir besonders am Herzen“, versichert er.
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Buch arbeitet seit Jahren daran, die Nummer eins und die Nummer zwei auf dem deutschen Vermietermarkt zu vereinen und die wohl größte Fusion in der deutschen Immobilienwirtschaft auf den Weg zu bringen. 2016 holte er sich bei den Gremien und Aktionären der Deutschen Wohnen noch einen Korb. Sie witterten seinerzeit eine feindliche Übernahme. Im vergangenen Jahr verhagelte ihm die Corona-Krise den Deal.
Übernahme im dritten Anlauf
Doch im dritten Anlauf hat der Vonovia-Chef Vorstand und Aufsichtsrat des Berliner Wettbewerbers auf seine Seite gebracht. „Alle Gremien unterstützen den Deal. Manchmal braucht es etwas länger“, sagt Buch mit einem Seitenhieb. Michael Zahn, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Wohnen, der zuletzt die Avancen aus Bochum noch brüsk zurück gewiesen hatte, wird nun Buchs Stellvertreter. „Gemeinsam schaffen wir neue Perspektiven für unsere Mitarbeiter, unsere Mieter und unsere Eigentümer“, sagt Zahn nun versöhnlich.
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Mitte Juni sollen seine Aktionäre von der Vonovia ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot im Gesamtwert von rund 18 Milliarden Euro oder 53,03 Euro je Deutsche-Wohnen-Aktie erhalten. Das entspreche einer Prämie von knapp 18 Prozent auf den Schlusskurs vom Freitag. Zur Finanzierung der Übernahme wollen die Bochumer neue Aktien für bis zu acht Milliarden Euro ausgeben. Vonovia selbst kommt an der Börse derzeit auf einen Marktwert von knapp 30 Milliarden Euro.
Buch erwartet keine kartellrechtlichen Hürden
Rolf Buch gibt sich am Dienstagmorgen optimistisch, dass er die Mindestannahmequote von 50 Prozent erreichen werde. Auch kartellrechtliche Vorbehalte bereiten ihm nach eigenem Bekunden kein Kopfzerbrechen. „Wir sind weiter sehr klein, weit unter jeder Kartellamtsgröße“, sagt er.
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In der Tat: Der deutsche Wohnungsmarkt ist derart zerklüftet, dass selbst der neue Gigant gerade einmal auf einen Anteil von rund zwei Prozent kommen wird. Mit 114.000 Wohnungen hat die Deutsche Wohnen im hart umkämpften Großraum Berlin die größte Präsenz. Vonovia kommt in der Hauptstadt gerade einmal auf 43.000 Wohnungen. In NRW ist das Verhältnis umgekehrt: Die Deutsche Wohnen vermietet in Köln und Düsseldorf 3000 Einheiten, Vonovia landesweit dagegen mehr als 100.000 – die meisten davon im Ruhrgebiet.
Mietsteigerungen in Berlin und Frankfurt begrenzt
Die größte Bedeutung wird die Fusion für den Berliner Wohnungsmarkt haben, auf dem die Mieten in der Vergangenheit explodiert waren. Den von der Landesregierung aufgesetzten Mietendeckel hatte das Bundesverfassungsgericht kassiert. Den Mietern in Berlin verspricht Vonovia nun eine Begrenzung der Mietsteigerungen bis zum Jahr 2026. Eine ähnliche Vereinbarung gilt für den Hotspot Frankfurt am Main. Für alle anderen Mieter werde sich nichts ändern, unterstreicht Buch.
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Von ihrem Zusammenschluss versprechen sich Vonovia und Deutsche Wohnen ein jährliches Einsparpotenzial bei den Kosten in Höhe von 105 Millionen Euro, das bis Ende 2024 erreicht werden soll. Die Frage, ob es auch zu Arbeitsplatzabbau kommen wird, ließ Buch am Dienstag zunächst unbeantwortet. Beide Unternehmen haben vereinbart, dass betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2023 ausgeschlossen seien. Vonovia hat über 10.000 Mitarbeiter, bei Deutsche Wohnen sind es knapp 5800.
„Wie man die Mäuse mit Speck fängt ...“
Der Deal hat für Buch freilich auch strategische Bedeutung. „Wir sind jetzt in allen großen Städten das größte private Wohnungsunternehmen“, betont er am Morgen. Der Vonovia-Chef denkt aber in europäischen Dimensionen. In Österreich und Schweden ist der Dax-Konzern bereits vertreten, mit Frankreich hat er eine Kooperation angebahnt. „Deutschland ist Marktführer in der Wohnungswirtschaft“, formuliert er auch im Hinblick auf Frankreich, wo gerade ein neuer Riese entsteht.
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Mieterschützer betrachten die Mega-Fusion mit Skepsis. „Wie man Mäuse mit Speck fängt, so versuchen die beiden Konzerne mit zweifelhaften Versprechungen die öffentliche Meinung gnädig zu stimmen“, sagt Hans-Jochem Witzke, der Vorsitzende des Deutschen Mieterbundes NRW. Tatsächlich würden Vonovia und deren Mieterinnen „die überbewertete Deutsche Wohnen den bisherigen Eigentümern teuer abkaufen müssen“. Vonovia habe schon jetzt die Nähe zu den Kunden verloren. Das „hastige Wachstum“, so Witzke, mache die Integration immer neuer Unternehmen schwieriger. Der Mieterschützer fordert deshalb: „Das Kartellamt muss genau hinschauen.“
>>> Zahn wird Buchs Stellvertreter
Größere Veränderungen zeichnen sich im Vonovia-Vorstand ab: Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn wird Buchs Stellvertreter, Deutsche-Wohnen-Finanzchef Philip Grosse übernimmt das Ressort bei Vonovia von Helene von Roeder, die wiederum in das neu geschaffene Ressort Innovation und Digitalisierung wechseln soll. Arnd Fittkau bleibt im Vonovia-Vorstand für die Bewirtschaftung zuständig, Daniel Riedl für das Neubaugeschäft. Die Deutsche Wohnen soll zwei Sitze im Vonovia-Aufsichtsrat erhalten.