Essen. Thyssenkrupp-Chefin Merz hebt die Prognose für das laufende Geschäftsjahr an. Der Verlust soll niedriger ausfallen als bisher angekündigt.
Der angeschlagene Essener Industriekonzern Thyssenkrupp hat seine Verluste in der Corona-Krise begrenzen können. Bei der Halbjahresbilanz hob der Vorstand um Konzernchefin Martina Merz die Prognose für das laufende Geschäftsjahr mit Blick auf den Umsatz und das Ergebnis an. „Wir haben im zweiten Quartal weiter Boden gut gemacht“, sagte Martina Merz. „Einerseits hat uns dabei die Erholung in vielen unserer Märkte geholfen. Andererseits zeigen unsere Maßnahmen zur Performancesteigerung die geplante Wirkung.“
Gleichwohl erwartet Thyssenkrupp unter dem Strich weiterhin einen beträchtlichen Jahresfehlbetrag. Der Verlust könnte einen „mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag“ erreichen. Bisher war das Management sogar von einem Nettoverlust „im hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich“ ausgegangen. Darin seien Aufwendungen für die Sanierung des Konzerns in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrags berücksichtigt. „Die Neuausrichtung von Thyssenkrupp bleibt ein Weg der vielen kleinen Schritte – und die gehen wir“, betonte die Vorstandschefin. „Deshalb wird sich hier auch nicht ausgeruht.“
Auftragseingang und Umsatz in der Stahlsparte verbessern sich
Im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2020/2021 (bis Ende September) habe das Unternehmen an die gute Geschäftsentwicklung des ersten Quartals anknüpfen können, teilte Thyssenkrupp am Dienstagvormittag (11. Mai) mit. Nahezu alle Geschäftsbereiche hätten zu einem Ergebnisanstieg beigetragen.
In der Stahlsparte mit großen Standorten in NRW lagen Auftragseingang und Umsatz Unternehmensangaben zufolge mit 13 beziehungsweise acht Prozent über Vorjahr. Unter anderem aufgrund von Nachholeffekten der Automobilindustrie habe sich die Geschäftsentwicklung verbessert.
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Vorstandschefin Merz plant, die traditionsreiche Stahlsparte mit ihren großen Standorten in NRW vom Konzern zu trennen. Es wäre eine Zäsur für Thyssenkrupp. Zu einer Verselbstständigung des Stahlgeschäfts wird es nach Einschätzung der IG Metall allerdings frühestens im nächsten Jahr kommen. „Über diese wichtige Frage wird es keine schnelle Entscheidung geben. Vermutlich fällt sie nicht vor Anfang 2022“, heißt es in einem Informationsschreiben des Vorstands der nordrhein-westfälischen IG Metall an die Beschäftigten des Unternehmens. Der Zeitplan zeichne sich in den Verhandlungen zwischen der IG Metall und der Thyssenkrupp-Führung ab.
Konzernchefin Merz will Stahlsparte verselbstständigen
„Wir verlangen eine solide Lösung, und dafür werden wir Zeit brauchen“, erklärte Detlef Wetzel, der stellvertretender Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel in Duisburg ist. In der vergangenen Woche gab es eine Sitzung des Steel-Aufsichtsrats, in der es ebenfalls um das Thema ging. In dem Kontrollgremium wollte die IG Metall eigenen Angaben zufolge auf klare Zusagen durch den Essener Mutterkonzern pochen und Bedingungen für eine Verselbstständigung formulieren.
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Thyssenkrupp-Chefin Merz hatte Anfang des Jahres angekündigt, sie wolle das Stahlgeschäft, zu dem rund 27.000 der insgesamt 100.000 Thyssenkrupp-Beschäftigten gehören, in die Selbstständigkeit führen. Dieses Vorhaben sei zwar „sehr anspruchsvoll“, aber „machbar“. Merz forderte in diesem Zusammenhang auch, die Stahlsparte müsse so „aufgestellt sein, dass es keine Zuschüsse mehr aus der Zentrale braucht“.
Die Arbeitnehmervertreter knüpfen ihre Zustimmung zu einem möglicherweise historischen Konzernumbau ebenfalls an Bedingungen. „Zumindest in der Startphase dürfen keine neuen Aktionäre an Bord gehen, damit das Stahlgeschäft nicht in die Hände von reinen Finanzinvestoren fällt“, fordert die IG Metall in ihrem Schreiben an die Beschäftigten, das unserer Redaktion vorliegt. Thyssenkrupp Steel müsse zudem von finanziellen Risiken befreit werden, „die noch irgendwo schlummern könnten“. Geld, das in der neuen Firma verdient werde, müsse auch im Unternehmen bleiben, um Investitionen zu ermöglichen.
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Zum Forderungskatalog der IG Metall gehört außerdem, die konzerneigenen Stahlservice-Center zu Thyssenkrupp Steel zu holen. Diese Vertriebsaktivitäten gehören bislang zur Werkstoffhandelssparte Material Services, die als fester Bestandteil des Essener Thyssenkrupp-Konzerns vorgesehen ist.
IG Metall fordert „größtmögliche Sicherheit“ bei einer Abspaltung
„Wir brauchen größtmögliche Sicherheit, wenn wir in die Selbstständigkeit entlassen werden sollen“, mahnt der ehemalige IG Metall-Vorsitzende Wetzel. „Dazu gehört auch eine vernünftige finanzielle Ausstattung.“ Um im Wettbewerb bestehen zu können, benötige Thyssenkrupp Steel „eine Kapitalausstattung, die uns nicht schlechter stellt als die Mitbewerber“.
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Entscheidend für die Zukunft von Thyssenkrupp Steel ist insbesondere, ob der Aufbau einer klimafreundlichen Stahlproduktion gelingt. Der Essener Industriekonzern hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen um 30 Prozent zu reduzieren. Dafür ist in der Stahlsparte der Bau sogenannter Direktreduktionsanlagen erforderlich, mit denen Thyssenkrupp schrittweise die klassischen Hochöfen ersetzen will. Die milliardenschweren Investitionen seien nur mit staatlicher Unterstützung möglich, wird bei Thyssenkrupp stets betont.
„Wir können und wollen einen massiven Beitrag zum Klimaschutz leisten“, sagt Bernhard Osburg, der Vorstandschef von Thyssenkrupp Steel. „Wir brauchen allerdings ganz konkrete politische Schritte und nicht nur neue Ziele und Ankündigungen.“ Es gebe kein Erkenntnisproblem beim Klimaschutz, sondern ein Umsetzungsproblem. „Nötig sind realistische Strategien, wie wir gemeinsam den bestmöglichen Effekt für den Klimaschutz erzielen und zugleich unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Die Chance ist jetzt da und kommt nicht wieder.“