Essen. Mieter bekommen mehr Wahlfreiheit beim Kabelanbieter. Dafür werden steigende Preise erwartet. Zudem sollen sie eine Glasfaser-Umlage bezahlen.
Auf 12,5 Millionen Nutzer von Kabelfernsehen kommen in den nächsten Jahren Veränderungen zu. Sammelverträge, die Vermieter mit TV-Anbietern abgeschlossen haben, laufen spätestens am 1. Juli 2024 aus. Damit ihre Bildschirme nicht schwarz bleiben, müssen die Mieter eigene Verträge mit Telekommunikationsunternehmen abschließen. Zugleich kommen Zusatzkosten auf Nutzer von Glasfaseranschlüssen zu.
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Über Monate schlugen die Wellen hoch. Mit seiner geplanten Novelle des Telekommunikationsgesetzes brachte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Wohnungswirtschaft gegen sich auf und spaltete die Telekommunikationsbranche. Nach langem Ringen verabschiedete der Bundestag einen Kompromiss, dem nur noch der Bundesrat – vermutlich am 7. Mai – zustimmen muss. Für Mieter und Vermieter wird es komplizierter als bisher.
12,5 Millionen Mieter brauchen neue Verträge
Denn rund 12,5 Millionen Mietparteien können ab Mitte 2024 Kabelfernsehen nicht mehr über ihre Immobilienunternehmen beziehen, die die Gebühren über die Nebenkosten abrechnen. Der Vorteil: Sie sind nicht mehr an den Anbieter und die Technik gebunden, mit dem ihr Vermieter ein Rahmenabkommen geschlossen hat. Der Nachteil: Mieter werden nicht länger von dem günstigen Massentarif profitieren können, der zum Teil um die Hälfte billiger ist als der in Einzelverträgen. Und: Die Mieter müssen sich spätestens 2024 selbst darum kümmern, wie sie künftig fernsehen wollen: über Kabel, Satellit, DVB-T oder Internet.
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Aus Sorge, dass Kabelfernseh-Anbieter wie Vodafone, Gelsen-Net oder Stadtwerke mit dem Verlust großer Rahmenverträge ihr Tempo beim Ausbau des schnellen und leistungsfähigen Glasfasernetzes drosseln, hat die Mehrheit aus CDU/CSU und SPD im Bundestag kurzerhand eine neue Umlage eingeführt und sie geschmeidig „Glasfaserbereitstellungsentgelt“ getauft. Den zusätzlichen Obolus sollen Mieter entrichten, deren Wohnungen zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 31. Dezember 2027 einen Glasfaseranschluss erhalten haben oder erhalten werden.
Die Vermieter, denen die Glasfaser-Verteilung innerhalb der Häuser obliegt, können dem neuen Gesetz zufolge künftig pro Wohneinheit bis zu fünf Euro pro Monat über einen Zeitraum von längstens neun Jahren auf die Haushalte umlegen. Experten haben ausgerechnet, dass betroffene Mieter auf diese Weise mit bis zu 540 Euro am bislang schleppenden Glasfaserausbau in Deutschland beteiligt werden.
Wohnungsverband: Glasfaser-Ausbau auf der Kippe
Die Reaktionen auf die Gesetzesnovelle fallen unterschiedlich aus. „Die Umsetzung ist wenig zielführend“, kritisiert Alexander Rychter, Direktor des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen, der für 475 Unternehmen mit rund 1,1 Millionen Wohnungen spricht. „Allein in NRW wollen unsere Unternehmen in den kommenden fünf Jahren eine halbe Million Wohnungen mit Glasfaseranschlüssen versorgen. Mit den neuen, viel zu restriktiven Regelungen steht dieser Ausbau nun aber auf der Kippe“, so Rychter.
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Ganz anders sieht das Rolf Buch, Chef des größten deutschen Vermieter Vonovia: „Die Umlagefähigkeit ist im Interesse des Digitalstandorts Deutschland. Sie ist Motor für den Glasfaserausbau und sie sorgt für Wettbewerb bei Telekommunikationsanbietern“, sagte er unserer Redaktion. Die Wohnungswirtschaft spiele für den Glasfaserausbau eine wichtige Rolle. Die Möglichkeit der Refinanzierung sei deshalb richtig.
Konsequenzen für Hartz-IV-Bezieher unklar
Kritisch sieht Buch dagegen den Wegfall der Umlage für Kabelgebühren. „Wir begrüßen, dass es Übergangsvorschriften bis 2024 gibt. Allerdings ist es für Wohnungsunternehmen durchaus eine Herausforderung, ihr Geschäftsmodell komplett umzustellen. Daher wäre ein längerer Übergangszeitraum sicherlich sinnvoll gewesen“, sagt er. Verbandschef Rychter geht sogar noch einen Schritt weiter: „Die Preise steigen, die Digitalisierung verlangsamt sich“, prophezeit er. Weil Mieter nicht mehr von günstigen Sammelabos beim Kabel profitieren könnten, kämen auf sie Mehrkosten von bis zu 200 Euro jährlich zu. Darunter litten insbesondere Geringverdiener und Hartz-IV-Bezieher, deren TV-Kosten die jeweilige Kommune übernehme.
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Als größter Kabelnetz-Betreiber in Deutschland wird der Düsseldorfer Telekommunikationskonzern Vodafone die Neuregelung am härtesten zu spüren bekommen. Er hatte für die Beibehaltung der Kabel-Umlage plädiert. Ein Sprecher zeigte sich im Gespräch mit unserer Redaktion nun aber erleichtert, dass vier statt drei Jahre für „einen geregelten Übergang“ bleiben. „Damit hat auch Vodafone entsprechend Zeit, seine Kunden auf neue Modelle umzustellen und die Auswirkungen auf sein Geschäft gering zu halten“, so der Sprecher und lässt durchblicken, dass die Preise steigen könnten. Der Konzern fordert nun die Bundesregierung auf, für Empfänger von Transferleistungen eine sozialverträgliche Lösung zu finden.