Essen. Die Taxibetriebe sind wegen Corona unter Druck. Die BMW- und Daimlertochter Free Now sieht in flexiblen Preisen eine Chance für die Branche.
Die Taxibranche leidet schwer unter den Folgen der Pandemie. „Viele Taxifahrer können sich in der Corona-Krise kaum noch über Wasser halten“, sagt Alexander Mönch, der Deutschland-Chef der Vermittlungsplattform Free Now. Das Unternehmen, das den Autokonzernen BMW und Daimler gehört, betreibt eigenen Angaben zufolge Europas größte Mobilitäts-App und ist in mehr als 100 Städten aktiv. Die Vermittlung von Taxifahrten ist das Kerngeschäft von Free Now. „Wenn es keine Messen, Events und kaum Geschäftsreisen gibt, bekommt die Branche das massiv zu spüren“, gibt Mönch zu bedenken.
Mitten in der Corona-Krise will Free Now nun einen Vorstoß starten, um auf flexible Taxipreise in Deutschlands Großstädten hinzuwirken. Eine Grundlage gebe es durch eine beschlossene Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes, in dem die Regelungen zu Taxis und Mietwagen festgeschrieben sind. Für bestellte Touren könnten die Städte den Tarif künftig „flexibler ausgestalten“, wie Mönch im Gespräch mit unserer Redaktion betont.
„Die Städte haben verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand bekommen, die sie nutzen können, aber nicht müssen“, sagt der Manager. Als Alternative zu einem starren Taxitarif wie heute sei unter anderem die Einführung von Unter- und Obergrenzen möglich. „Bei starker Nachfrage wäre dann mit höheren Preisen zu rechnen, in Zeiten mit schwacher Nachfrage mit niedrigeren“, erklärt Mönch. „Es ist auch möglich, Fixpreise für hoch frequentierte bestimmte Strecken zu machen. Denkbar wäre dann ein Pauschalpreis für eine Fahrt vom Essener Hauptbahnhof zur Grugahalle.“
„Wir werden die Stadtverwaltung in Essen kontaktieren“
In den NRW-Metropolen Essen, Düsseldorf und Köln will Mönch nun auf die Kommunalpolitiker und Stadtverwaltungen zugehen, um für flexible Taxipreise zu werben. „Wir werden die Stadtverwaltung in Essen kontaktieren und dafür plädieren, von einer Flexibilisierung des Taxitarifs Gebrauch zu machen“, sagt
Mönch. „Sinnvoll wäre aus unserer Sicht, bis zu 25 Prozent nach oben und unten vom fixen Taxitarif abzuweichen.“ Um entsprechende Veränderungen zu erwirken, sei der Beschluss des Stadtrates erforderlich. Eine Anwendung der neuen Regeln wäre nach Einschätzung des Managers ab dem Sommer möglich. Auch in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Hamburg und München will Free Now den Vorstoß für flexible Preise starten.
„Durch ein Absenken der Preise in bestimmten Zeiten lassen sich mehr Fahrgäste gewinnen. Das bietet der Taxibranche neue Chancen“, wirbt Mönch für den Vorstoß der BMW- und Daimler-Tochterfirma. „Die lokale Taxibranche wird wettbewerbsfähiger.“ Die neuen Regelungen für die Branche gelten nach Angaben des Unternehmens lediglich für bestellte Touren, also Fahrten nach einem Anruf in der Taxizentrale oder einer Buchung via App. Wenn jemand am Straßenrand ein Taxi zu sich winke oder spontan am Bahnhof einsteige, sei weiterhin der fixe örtliche Tarif bindend.
„Wir sind bereit, sämtliche Zahlen mit der Stadt zu teilen“
Wenn die Auslastung von Taxen – wie aktuell – gerade einmal bei zwanzig oder 25 Prozent liege, gebe es „noch eine Menge Luft nach oben“, sagt Mönch. Denkbar sei auch, zunächst in eine Testphase zu gehen, beispielsweise von einem halben Jahr: „Wir sind bereit, die Flexibilisierung zu testen und sämtliche Zahlen mit der Stadt zu teilen. Hat die Nachfrage zu- oder abgenommen? Haben Fahrer und Unternehmer mehr oder weniger verdient? Dann können die Politiker in den Stadträten gegebenenfalls nachjustieren.“
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Der Geschäftsmodell von Free Now basiert auf Provisionen, die das Unternehmen für die Vermittlung von Fahrten erhält. „Wir haben rund 27 Millionen registrierte Nutzer in Europa, davon zehn Millionen in Deutschland“, berichtet Mönch. „Ein Kerngedanke unserer Strategie ist es, unsere Kunden zu ermutigen, auf ein eigenes Auto zu verzichten, weil es Alternativen gibt, die bequem in einer Metropole verfügbar sind: Taxis, Mietwagen mit Fahrer, E-Scooter, E-Roller oder Fahrzeuge aus einem Carsharing-Pool.“
„Pro Monat zählen wir aktuell mehr als 15.000 Fahrgäste im Ruhrgebiet“
Das Fahrer- und Unternehmer-Netzwerk im Ruhrgebiet organisiert Free Now am Standort Essen. „Im Ruhrgebiet haben wir über 1300 aktive Fahrer, unter anderem in Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Mülheim und Oberhausen“, sagt Mönch. „Pro Monat zählen wir aktuell mehr als 15.000 Fahrgäste im Ruhrgebiet. Das sind deutlich weniger als vor Corona.“
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Im Ruhrgebiet ist das Unternehmen seit knapp zehn Jahren aktiv, zunächst noch unter der Marke My Taxi, die dann 2019 in Free Now aufgegangen ist. Die Tochterfirma von BMW und Daimler zählt in Europa rund 1200 Mitarbeiter, darunter 450 in Deutschland. Zu den Standorten des Unternehmens gehören neben der Zentrale in Hamburg auch die Städte Essen, Düsseldorf, Köln, Berlin, Frankfurt, Stuttgart und München.
Free Now arbeite auch eng mit externen Mobilitätsanbietern zusammen. Ein Beispiel sei eine Kooperation mit dem E-Scooter-Anbieter „Tier“, sagt Mönch. Nach dem Start in Berlin und Hamburg könnten nun auch Kunden in Essen E-Scooter aus der Flotte von „Tier“ über die Plattform von Free Now buchen. „In der Corona-Krise stellen wir fest, dass viele Leute U- und S-Bahnen meiden. E-Scooter sind eine Alternative“, berichtet Mönch. „Die Nachfrage wächst.“