Essen. O2-Chef Haas fordert das Ende von teuren Versteigerungen von Mobilfunk-Frequenzen und wirft dem Bund vor, nur an die eigene Kasse zu denken.

Die vorerst letzte Versteigerung von Mobilfunk-Frequenzen ist den Netzbetreibern noch in schmerzlicher Erinnerung: Für 5G mussten Telekom, Vodafone, Telefonica/O2 und 1&1/Drillisch im Frühjahr 2019 satte 6,6 Milliarden Euro auf den Tisch legen. Das Grummeln war groß. Doch der Bund will am Prinzip der Versteigerung festhalten. Gegen einen entsprechenden Passus in der zur Verabschiedung anstehenden Novelle des Telekommunikationsgesetzes regt sich Widerstand.

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Markus Haas hat gerechnet und kommt auf den gewaltigen Betrag von 66 Milliarden Euro, die Telekommunikationskonzerne in den vergangenen Jahren für die Ersteigerung von Frequenzen an die Bundesregierung überweisen mussten. „Für die Summe hätte in jeden deutschen Haushalt Glasfaser verlegt werden können. Auch wir können jeden Euro nur einmal ausgeben“, sagt der Chef von Telefonica/O2 im Gespräch mit unserer Redaktion.

Gutachten: Versteigerung verstößt gegen EU-Recht

Haas hält die Versteigerungen nicht nur für überteuert, sondern möglicherweise auch für rechtswidrig. In einem Gutachten, das O2 bei der Universität Bonn in Auftrag gegeben hat, kommt Christian Koenig, Direktor am Europäischen Zentrum für Integrationsforschung, zu dem Schluss, dass der Regierungsentwurf europarechtswidrig sei. Würde die Novelle mit dem Versteigerungspassus von Bundestag und Bundesrat so beschlossen, drohe der Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren.

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O2 hat dem Bund deshalb einen anderen Weg vorgeschlagen: „Wenn Bestandsfrequenzen gegen Gebühren oder Ausbauzusagen verlängert würden, hätten die Netzbetreiber deutlich mehr Planungssicherheit“, skizziert Haas und weiß sich dabei einig mit seinen Rivalen Telekom und Vodafone. Davon wolle man in Berlin aber nichts wissen. Der O2-Chef ist deshalb verärgert und erklärt: „Wir sind überrascht, dass unser Vorschlag bislang nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen wurde. Das lässt vermuten, dass das fiskalische Interesse des Bundes an hohen Auktionseinnahmen gegenüber dem politischen Interesse an mehr Investitionen in die Mobilfunknetze überwiegt.“

1&1/Drillisch will Mobilfunknetz ausbauen

O2-Chef Markus Haas.
O2-Chef Markus Haas. © AFP/Getty Images | Getty Images

Haas befürchtet, dass die nächsten Versteigerungen wie ein Bremsklotz für Investitionen wirken könnte. Schließlich wisse man nicht, ob man ab 2026 bestimmte Frequenzen überhaupt noch nutzen könne. Die Automatismus zur Verlängerung gegen Gebühr hätte für die drei Riesen Telekom, Vodafone und O2 freilich einen weiteren Vorteil. Der aufstrebende vierte Netzbetreiber 1&1/Drillisch hätte kaum Gelegenheit, an eigene Frequenzen zu gelangen. Bei 1&1/Drillisch wähnt man daher bereits eine „offenkundig rechtswidrige Privilegierung“ der drei Großen und pocht auf das Prinzip der Versteigerung.

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O2-Chef Haas ist da anderer Auffassung: „Wenn 1&1/Drillisch Frequenzen ersteigert, führt das zunächst nicht unmittelbar zu einer größeren Haushaltsabdeckung in der Bevölkerung“, sagt er und verweist auf die Durchleitungsrechte, die 1&1/Drillisch bis 2034 Planungssicherheit ermögliche. Die für die Frequenzvergabe zuständige Bundesnetzagentur bleibt dennoch bei ihrer Haltung: „Auktionen sind und bleiben der beste Weg, knappe Frequenzen wettbewerbsoffen zu vergeben und Chancen für potenzielle Neueinsteiger zu eröffnen“, sagt Behördenchef Jochen Homann.

Kürzere Laufzeiten für Mobilfunkverträge

Die Vergabe von Frequenzen ist aber nicht der einzige Punkt im neu gefassten Telekommunikationsgesetz, das Haas sauer aufstößt. Um Kunden den Wechsel zu erleichtern, will der Bund die Laufzeiten von Mobilfunkverträgen auf zwölf Monate begrenzen. Der O2-Chef hält die Änderung für kontraproduktiv: „Die Hälfte der Mobilfunkkunden nutzt Prepaid-Verträge. Es ist völlig überflüssig, Laufzeiten auf zwölf Monate zu begrenzen. Das regelt der Markt von allein“, meint Haas.

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„Wir haben für 24-Monats-Verträge gekämpft, weil sich damit alle Kunden hochwertige Smartphones leisten können. Bei höheren Raten, die bei einer Laufzeit von nur zwölf Monaten für die Finanzierung des Endgeräts entstehen, können sich das einige Kundengruppen nicht mehr leisten.“ Deshalb würden 24-Monatsverträge bei O2 zu fast 95 Prozent gebucht. Hauptgrund, sich ein neues Handy zu kaufen, sei der Akku, den man inzwischen leicht austauschen könne. „Die Innovationszyklen der Handys sind etwas erschlafft, weil die technischen Sprünge nicht mehr so groß sind“, so Haas.