Düsseldorf. Vodafone stellt 5G-Netz auf eigene Füße. Im TV sind Tore beim Fußball nun ohne zeitliche Verzögerung zu sehen. Wer von Echtzeit profitiert.

Das superschnelle Mobilfunknetz 5G soll das autonome Fahren ermöglichen, Roboter miteinander vernetzen und für stabile Telefonverbindungen im voll besetzten Fußballstadion sorgen. Die Telekommunikationskonzerne schließen Stadt für Stadt an 5G an. Als erster Anbieter in Europa schaltet Vodafone Deutschland an diesem Montag das 5G-Netz, das auf eigenen Füßen steht und nicht mehr an den Vorgänger LTE gekoppelt ist, für Privat- und Firmenkunden frei.

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„Wir machen den Weg für Echtzeit frei“, erklärt Hannes Ametsreiter, der Deutschlandchef von Vodafone. Denn die rasend schnelle Übertragung von Daten nahezu ohne zeitliche Verzögerung ist die große Innovation, die 5G zu bieten hat. Betrug die Latenzzeit nach Unternehmensangaben bislang 40 Millisekunden, erreiche man im eigenständigen 5G-Netz nun acht bis zehn Millisekunden. Damit werde es in etwa so schnell wie das menschliche Nervensystem. „Unser Ziel ist es, diesen Datenaustausch in Echtzeit deutschlandweit möglich zu machen – und perspektivisch sogar auf eine Millisekunde herunterzukommen“, sagt Ametsreiter.

Autonomes Fahren und Surfen mit Datenbrillen

Bei autonom fahrenden Autos, ferngesteuerten Zügen, Luftschiffen, Personenfähren und Robotern, die in Produktionshallen Hand in Hand arbeiten, wird das Thema Echtzeit von entscheidender Bedeutung sein. Aber auch Verbraucher sollen von der neuen Schnellligkeit profitieren – so bei der wachsenden Zahl von Anwendungen mit Augmented-Realtiy-Brillen, die dreidimensionale Filme zeigen und Surfen im Internet nur mit Bewegungen von Kopf und Augen ermöglichen.

Hannes Ametsreiter, Deutschlandchef von Vodafone, mit einem Roboterarm.
Hannes Ametsreiter, Deutschlandchef von Vodafone, mit einem Roboterarm. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

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Ametsreiter spricht von einem „Riesen-Ruck“. Das 5G-Netz komme nun „ohne Stützräder“ des LTE-Vorgängernetzes aus, das parallel weiterfunken und ausgebaut werden soll. „Ende des Jahres werden wir mit 5G rund 30 Millionen Nutzer erreichen“, prophezeit der Vodafone-Deutschlandchef. 25 Smartphone-Modelle, die 5G-tauglich sind, seien bereits nutzbar.

Corona bremst private 5G-Nutzung

Wegen der Corona-Pandemie können die Kunden die neuen Vorzüge derzeit aber kaum nutzen: Bei Fußballspielen und großen Popkonzerten sorgt 5G dazu, dass das Handynetz nicht zusammenbricht, wenn Tausende gleichzeitig ihre Telefone benutzen. 5G soll laut Vodafone in der Lage sein, bis zu eine Millionen Kunden auf einem Quadratkilometer miteinander zu vernetzen.

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Am meisten sollen aber Unternehmen von 5G profitieren. Sie können eigene Teilnetze für Spezialanwendungen buchen. Darunter Fernsehanbieter, die Sportveranstaltungen live übertragen. Erste Tests mit dem Bezahlfernsehkonzern Sky hat Vodafone bereits gefahren. Der Vorteil: Tore beim Fußballspiel fallen auf dem heimischen Bildschirm in Echtzeit und nicht wie bisher mit einigen Sekunden Verzögerung. Vorteile gibt es auch für die Industrie. „Wir sprechen mit zahlreichen Unternehmen zum Beispiel aus der Automobil- und der Chemieindustrie über den Aufbau eigner Firmennetze. Diese lokalen 5G-Netze stellen sicher, dass keine Daten den eigenen Campus verlassen“, sagt Ametsreiter.

Konzerne bauen Mobilfunknetze massiv aus

Bis zum Jahresende will Vodafone die Zahl der 5G-Antennen in Deutschland auf 4000 vervierfacht haben. Parallel bauen auch die Wettwerber Deutsche Telekom, Telefonica/O2 und 1&1/Drillisch ihre 5G-Netze aus. Der Vodafone-Deutschlandchef zeigt sich mit dem Fortgang zufrieden. „Deutschland hat sich nach anfänglichen Problemen in die Spitzengruppe Europas hochkatapultiert“, urteilt er. Ende März versorgte die Telekom nach eigenen Angaben 66 Millionen Menschen in Deutschland über 50.000 Antennen mit 5G-Mobilfunk. O2 war in 30 Großstädten mit 1000 5G-Antennen vertreten. Bei Vodafone sind es 20 Millionen Menschen über 8500 Antennen, von denen nun 1000 Daten in Echtzeit übertragen.

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Gleichwohl fordert er mehr Rückendeckung von der Politik ein. Denn nach der Versteigerung von 5G-Frequenzen im Jahr 2019, bei der die deutschen Telekommunikationskonzerne am Ende zusammen 6,6 Milliarden Euro in die Staatskasse überweisen mussten, steht 2023 bereits die nächste Runde an. „Es ist der richtige Zeitpunkt umzudenken. Es wäre ein angemessener Schritt, Frequenzauktionen anders zu gestalten und das Geld stattdessen direkt in die Infrastruktur zu investieren“, fordert Ametsreiter und hat Beispiele in anderen Ländern wie Österreich vor Augen.

Vodafone-Chef kritisiert Frequenz-Versteigerungen

Der Vodafone-Lenker macht eine einfache Rechnung auf: „Die Versteigerung der 3,5-Gigahertz-Frequenzen hat die Netzbetreiber 6,6 Milliarden Euro gekostet. Hätten wir dieses Geld in neue Mobilfunk-Masten investiert, gäbe es in Deutschland keine Funklöcher mehr.“

>>> 5G-Rechenzentrum in Dortmund

Vodafone plant den Bau von bundesweit zehn Rechenzentren, über die Daten innerhalb des 5G-Netzes vom Absender zum Empfänger zugestellt werden. Die erste dieser Verteilstationen wurde im Frankfurt am Main in Betrieb genommen.

Den Großteil des 5G-Datenverkehrs in NRW soll nach Vodafone-Planungen ein Rechenzentrum in Dortmund übernehmen. Ein weiteres ist in Ratingen geplant.