Duisburg/Essen. Bei Thyssenkrupp sollen Teile der Stahlsparte ausgegliedert werden. Bei der IG Metall ist von „Wild-West-Manier“ die Rede. Verhandlungen laufen.
Der Stellenabbau in der Stahlsparte von Thyssenkrupp geht weiter. Zu den 3000 Jobs, die bislang auf der Streichliste gestanden haben, kommen 750 Arbeitsplätze hinzu. Thyssenkrupp-Finanzchef Klaus Keysberg, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrats von Thyssenkrupp Steel ist, sagt, dies solle „dazu beitragen, den durch Corona entstandenen wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen“.
Ein bisher geltender Tarifvertrag, der auch eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2026 vorsieht, bleibt Unternehmensangaben zufolge erhalten. Damit sollen betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden.
Dieser Tage laufen zudem Planspiele, die Stahlproduktion von Thyssenkrupp aus dem Essener Industriekonzern auszugliedern. Vorstandschefin Martina Merz sagt, sie wolle das Stahlgeschäft, zu dem derzeit rund 27.000 der insgesamt 100.000 Thyssenkrupp-Beschäftigten gehören, in die Selbstständigkeit führen. Dieses Vorhaben sei zwar „sehr anspruchsvoll“, aber „machbar“. Merz fordert in diesem Zusammenhang auch, die Stahlsparte müsse so „aufgestellt sein, dass es keine Zuschüsse mehr aus der Zentrale braucht“.
Pläne für „Outsourcing nach Wild-West-Manier“
Einsparungen will das Management unter anderem erreichen, indem künftig einzelne Geschäftsbereiche der Stahlsparte ausgegliedert werden. Dem Vernehmen nach geht es etwa um die Logistik oder den Service von Thyssenkrupp Steel. Es habe Pläne für „Outsourcing nach Wild-West-Manier“ gegeben, berichtet der frühere IG Metall-Chef Detlef Wetzel, der nun als Vize-Aufsichtsratschef bei Thyssenkrupp Steel die Interessen der Beschäftigten vertritt. „Das haben wir verhindert“, betont Wetzel.
Auch interessant
Allerdings hat sich die Gewerkschaft mit dem Management im Grundsatz darauf verständigt, wie ein mögliches „Betreibermodell“ für Teile der Stahlsparte aussehen könnte. Mit diesem Modell wolle der Konzern bestimmte Geschäftsbereiche in Zukunft mit Partnern von außen weiterführen, heißt es in einer Mitteilung der IG Metall.
„Niemand fällt in die Tariflosigkeit“
Eine Vereinbarung mit dem Management sehe vor, dass der Konzern die Zustimmung der Arbeitnehmervertreter benötige, wenn Betriebe ausgegliedert werden sollen. „Wir lassen nicht zu, dass sich das Unternehmen seiner sozialen Verantwortung entzieht“, sagt Knut Giesler, der Chef der IG Metall in NRW. Dass Thyssenkrupp einzelne Geschäftsbereiche mit Partnern von außen betreiben wolle, könne die Gewerkschaft dem Unternehmen nicht verbieten. „Aber wir konnten sehr wohl verhindern, dass Thyssenkrupp Tarifflucht begeht und Teile seiner Belegschaft in Gesellschaften mit Billigtarifen oder gar in die Tariflosigkeit abschiebt“, betont Giesler. „Unsere Vereinbarung zum Betreibermodell setzt hier ganz klare Standards: Niemand fällt in die Tariflosigkeit.“
Auch interessant
Gesamtbetriebsratschef Tekin Nasikkol berichtet, es sei in den vergangenen Wochen bei Thyssenkrupp Steel „über Standortschließungen, das Verschieben der Investitionen, billiges Outsourcing von 3000 Beschäftigten und massiven Personalabbau“ diskutiert worden. „Es war dreist, wie hier unter dem Deckmantel der Corona-Krise versucht wurde, die große Axt anzulegen. Das haben wir verhindert“, sagt Nasikkol. „Die erzielten Eckpunkte zu Betreibermodellen werden jetzt weiterverhandelt“, heißt es in einem Flugblatt der IG Metall. „Bis Mitte April soll ein Tarifvertrag stehen.“
Pläne für Herauslösung der Stahlsparte aus dem Thyssenkrupp-Konzern
Grundsätzlich offen hat sich IG Metall indes für eine Herauslösung der traditionsreichen Duisburger Stahlsparte aus dem Essener Thyssenkrupp-Konzern gezeigt. Gewerkschaftsvorstand Jürgen Kerner nannte es „die richtige Entscheidung“, dass der Vorstand das Stahlgeschäft nun „aus eigener Kraft“ weiterentwickeln wolle und dabei auch erwäge, die Konzernsparte „zu verselbstständigen“.
Auch interessant
Um die Jahrtausendwende herum hatte Thyssenkrupp schon einmal Pläne für einen Börsengang der Stahltochter verfolgt. Doch im Sommer 2000 sagte die damalige Konzernleitung um Ekkehard Schulz das Vorhaben ab und begründete den Schritt mit einer schwachen Bewertung des Stahlsektors am Kapitalmarkt. Milliardenschwere Pensionslasten erschweren auch heute einen Neustart der Sparte. Hinzu kommt, dass für den Aufbau einer klimaneutralen Stahlproduktion erhebliche Investitionen erforderlich sind.