Essen. Richtungsentscheidung bei Thyssenkrupp: Der Vorstand beendet die Gespräche mit Liberty Steel über einen Verkauf. Nun kommt eine harte Sanierung.

Thyssenkrupp bricht die Gespräche zu einem möglichen Verkauf der Stahlsparte an den britisch-indischen Unternehmer Sanjeev Gupta ab. Das teilte der Vorstand von Thyssenkrupp am Mittwochabend nach wochenlangen Verhandlungen mit dem Management des Gupta-Konzerns Liberty Steel mit.

Thyssenkrupp habe die Gespräche mit Liberty Steel über einen möglichen Erwerb der Stahlsparte beendet, erklärte das Essener Unternehmen in einer Mitteilung. Eine Veräußerung des Stahlgeschäfts an Liberty Steel werde damit nicht zustande kommen.

„Wir haben die Tür für Verhandlungen aufgemacht, aber die Vorstellungen über Unternehmenswert und Struktur der Transaktion lagen am Ende doch weit auseinander“, sagte Thyssenkrupp-Finanzchef Klaus Keysberg. „Wir haben uns daher entschieden, die Gespräche zu beenden. Das bedauern wir, denn wir haben Liberty Steel als einen ernstzunehmenden Interessenten wahrgenommen.“

Liberty Steel hatte im vergangenen Jahr ein Übernahmeangebot für das traditionsreiche Thyssenkrupp-Geschäft mit rund 27.000 Beschäftigten und großen Standorten in NRW vorgelegt. Mit der Absage an Gupta hat Vorstandschefin Martina Merz nun eine wesentliche Weichenstellung zur Zukunft von Thyssenkrupp getroffen.

„Zukunftsfähigkeit unseres Stahlgeschäfts aus eigener Kraft sicherstellen“

Thyssenkrupp ließ Liberty Steel seit Ende vergangenen Jahres in die Bücher der Stahlsparte schauen. Noch vor wenigen Wochen bekräftigte Gupta sein Interesse an einer Übernahme. Doch zuletzt seien die Verhandlungen nicht vorangekommen, hieß es in Konzernkreisen. Offene Fragen habe es auch zur Finanzierung des Kaufangebots von Gupta gegeben.

„Wir nehmen die Mitteilung von Thyssenkrupp zur Kenntnis“, teilte Liberty Steel am Mittwochabend (17. Februar) mit. „Die Gespräche wurden zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund unterschiedlicher Preisvorstellungen ausgesetzt, wir halten uns jedoch die Tür offen.“ Das Management von Liberty sei „nach wie vor davon überzeugt, den einzigen langfristig tragfähigen Plan für das Stahlgeschäft von Thyssenkrupp vorgelegt zu haben“. Daher werde sich das Unternehmen „weiterhin bemühen, die Bewertungslücke zu gegebener Zeit zu schließen“.

Thyssenkrupp-Stahlchef Bernhard Osburg bereitete die Belegschaft vor wenigen Tagen auf weitere Einsparungen und zusätzlichen Stellenabbau vor. Bislang hatte der Konzern angekündigt, 3000 Arbeitsplätze in der Stahlsparte abzubauen. Insbesondere Standorte in NRW sind davon betroffen.

„Jetzt kommt es für uns darauf an, die Zukunftsfähigkeit unseres Stahlgeschäfts aus eigener Kraft sicherzustellen“, betonte Thyssenkrupp-Finanzchef Keysberg am Mittwochabend nach der Absage an Liberty Steel. „Daran arbeiten wir mit Hochdruck, so, wie wir das in den vergangenen Wochen und Monaten stets unterstrichen haben.“

Thyssenkrupp-Spitze fordert neue Verhandlungen mit Arbeitnehmern

Die bisher vereinbarte Beschäftigungssicherung hatte Thyssenkrupp-Stahlchef Osburg bereits in Frage gestellt und neue Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern gefordert. „Es war und ist immer unser Anspruch, beim Stahl keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen“, sagte Osburg im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ob wir das halten können, hängt aber auch von den Ergebnissen ab, die wir jetzt gemeinsam mit der Mitbestimmung erarbeiten müssen.“

Dem Vernehmen nach hatte Gupta damit geworben, er wolle alle Standorte von Thyssenkrupp erhalten, auch das von der Schließung bedrohte Werk in Bochum. Ziel sei eine bessere Auslastung der Anlagen, hieß es.

Die Gewerkschaft IG Metall sah Gupta mit seinem Unternehmen Liberty Steel von Anfang an kritisch. Stattdessen machte sich die IG Metall für einen Staatseinstieg bei der Thyssenkrupp-Stahlsparte stark. Angesichts eines erforderlichen Umbaus der Werke ist der Kapitalbedarf enorm.

„Wir brauchen keinen neuen Eigentümer, sondern zusätzliches Kapital – und das hat Liberty auch nicht“, sagte IG Metall-Vorstand Jürgen Kerner im vergangenen November. Der nordrhein-westfälische IG Metall-Chef Knut Giesler betonte: „Wer meint, in einem Ein-Euro-Laden Thyssenkrupp billig kaufen zu können, ist nicht der richtige Partner.“

„Ein ,Weiter so‘ ist vor diesem Hintergrund ganz sicher keine Option“

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) brachte Ende vergangenen Jahres im Landtag auch die Gründung einer „Deutschen Stahl AG“ zur Stabilisierung der Branche ins Gespräch. Ein Zusammenschluss der deutschen Hersteller sei eine „ernsthafte Option“, sagte er.

So oder so steuert Thyssenkrupp zunächst einmal auf schwierige Verhandlungen über mögliche Kostensenkungen in der Stahlsparte zu. „Wir stehen vor Riesenherausforderungen, die uns allen viel abverlangen werden“, betonte Finanzvorstand Klaus Keysberg in einem internen Schreiben an die Belegschaft. „Ein ,Weiter so‘ ist vor diesem Hintergrund ganz sicher keine Option. Wir müssen weiter sehr konsequent an der Wettbewerbsfähigkeit arbeiten und die Kosten beim Stahl müssen runter – und zwar signifikant.“