Essen. Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof bekommt einen Staatskredit in der Corona-Krise. Konzernchef wendet sich an Mitarbeiter
Als die Entscheidung in Berlin über einen Staatskredit für Galeria Karstadt Kaufhof gefallen ist, wendet sich Konzernchef Miguel Müllenbach in einem Brief an die Mitarbeiter. Es habe in den vergangenen Wochen „intensive Gespräche mit der Politik“ gegeben, berichtete Müllenbach in dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt. Dabei sei deutlich geworden, dass die „Warenhäuser auch von unseren Spitzenpolitikern eindeutig als systemrelevant angesehen werden“. Die Bedeutung von Karstadt und Kaufhof für die Innenstädte sei „unumstritten“.
Die Bundesregierung habe daher entschieden, dem Essener Konzern einen Überbrückungskredit zu gewähren, der Karstadt und Kaufhof die nötige Liquidität in den nächsten Wochen und Monaten der Pandemie sichere. Müllenbach betonte: „Es handelt sich nicht um ein Geschenk oder einen Zuschuss, sondern um einen Kredit, den wir mit Zinsen zurückführen werden.“ Der Warenhauskonzern und die Eigentümergesellschaft Signa hätten dafür „umfangreiche Sicherheiten“ gewährt. „Der Steuerzahler hat durch diesen Kredit weder ein Risiko noch einen Nachteil.“
Darlehen für Galeria Karstadt Kaufhof bis zu 460 Millionen Euro
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur geht es um ein Darlehen in Höhe von bis zu 460 Millionen Euro, wie der Ausschuss des Wirtschaftsstabilisierungsfonds beschloss. Mit der Unterstützung leiste die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag, um Arbeitsplätze zu sichern und die aktuell schwierige Lage für das Unternehmen zu überbrücken, hieß es in Berlin. Die rund 130 Warenhäuser des von der Corona-Krise hart getroffenen Konzerns gelten als unverzichtbare Publikumsmagneten in vielen Fußgängerzonen. Die Hilfsmaßnahmen sind dem Vernehmen nach an umfangreiche Auflagen und rechtliche Vorgaben geknüpft, außerdem müsse der Konzern eine angemessene Verzinsung zahlen.
Die Bundesregierung hatte den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im März 2020 gegründet, um in der Corona-Krise große Unternehmen mit Garantien und Kapitalhilfen zu unterstützen und Arbeitsplätze zu erhalten. Auch die Lufthansa und der Reisekonzern TUI haben bereits Hilfen erhalten.
Offener Brief aus der Belegschaft an Angela Merkel
Angesichts des andauernden Lockdowns in der Corona-Krise hatten Mitte Januar die Arbeitnehmervertreter des Essener Warenhauskonzerns Alarm geschlagen. In einem „Offenen Brief“ an Kanzlerin Angela Merkel, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zeigte sich der Gesamtbetriebsrat des Unternehmens tief besorgt. Die Hilfspakete im Zusammenhang mit der Pandemie seien derzeit aus Sicht der Einzelhandelsbranche „völlig unzureichend“, kritisierten Gesamtbetriebsratschef Jürgen Ettl und seine Kollegen Peter Zysik und Udo Feix. „Die Zeit läuft uns davon“, warnten die Betriebsräte und verwiesen auf die „Gefahr eines massiven Kahlschlags“ in der Branche.
Nach Angaben von Gesamtbetriebsratschef Ettl hatte Galeria Karstadt Kaufhof bis dahin keine staatlichen Hilfspakete erhalten. „Wir gehen leer aus“, sagte Ettl am 13. Januar im Gespräch mit unserer Redaktion. Als Unternehmen mit mehr als 500 Millionen Euro Umsatz werde der Warenhauskonzern mit seinen rund 27.500 Mitarbeitern nicht bei den Unterstützungsprogrammen berücksichtigt. Die Beschäftigten seien nahezu komplett in Kurzarbeit gegangen.
HDE sieht in Corona-Hilfen „meist nur Tropfen auf den heißen Stein“
Der Branchenverband HDE erklärte am Dienstag (26. Januar), aktuelle Umfragen zeigten, dass zwar knapp mehr als 70 Prozent der vom Lockdown betroffenen Handelsunternehmen staatliche Unterstützung bekommen hätten, diese sei aber „deutlich zu niedrig, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern“. Demnach ergab eine HDE-Umfrage aus der vergangenen Woche, dass die Händler im vergangenen Jahr durchschnittlich 11.000 Euro an Hilfszahlungen erhalten hätten. „Die staatlichen Corona-Hilfen für den Einzelhandel waren im vergangenen Jahr meist nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, kritisierte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. „Das reicht in der Regel nicht einmal für die Mietzahlungen in den Lockdown-Monaten.“
Anträge auf staatliche Überbrückungshilfe dürfen nach Angaben des Verbands aktuell nur Unternehmen stellen, die nicht mehr als 500 Millionen Euro Jahresumsatz machen. Diese Obergrenze soll laut HDE nun auf 750 Millionen Euro angehoben werden. „Es ist nicht zu verstehen, warum größere Handelsunternehmen weniger hilfsbedürftig sein sollen als kleinere. Im aktuellen Lockdown sind Händler aller Größen geschlossen und können keinen Umsatz mehr machen“, bemerkte Genth. Deshalb müsse die Obergrenze grundsätzlich in Frage gestellt werden.
Insolvenzverfahren im vergangenen Jahr abgeschlossen
Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof hatte sich bereits zu Beginn der Corona-Krise im vergangenen Jahr um einen staatlich abgesicherten Kredit bemüht. Doch der Rettungsschirm blieb dem Unternehmen verwehrt, weil nach Aussage des damaligen Generalbevollmächtigten Arndt Geiwitz die Privatbanken nicht mitgespielt haben. Obwohl die KfW 90 Prozent der Ausfallrisiken übernimmt, hätten die Banken „völlig inakzeptable und auch unangemessene“ Sicherheiten und Zinsen verlangt, sagte Geiwitz damals unserer Zeitung.
Statt unter den Rettungsschirm schlüpfte Galeria Karstadt Kaufhof unter den Schutzschirm des Insolvenzrechts. Ein halbes Jahr später verließ der Konzern die Insolvenz – nach Aussagen des Chefs Miguel Müllenbach schuldenfrei und bestens gerüstet für die kommenden schweren Monate. Die Gläubiger hatten auf Verbindlichkeiten von rund zwei Milliarden Euro verzichtet, der Konzern einen Sanierungsplan samt Schließung von rund 40 Warenhäusern und den Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen beschlossen.
„Onlineumsätze in der Pandemie schon signifikant gesteigert"
Nach dem für den Einzelhandel so wichtigen und in diesem Jahr für Filialisten überwiegend schwachen Weihnachtsgeschäft hat sich die Lage bei Karstadt nun offenkundig arg verschlechtert. Offenkundig auch, weil Karstadt die stationären Umsatzverluste weniger als andere Handelsketten mit Onlineverkäufen kompensieren kann.
Unternehmenschef Müllenbach hat das lahmende Internetgeschäft deshalb kurz nach seiner Amtsübernahme zur Chefsache gemacht. „Wir haben unsere Onlineumsätze in der Pandemie schon signifikant gesteigert, aber zugegeben von einem zu niedrigen Niveau aus. Wir gehen aktuell in Richtung zehn Prozent des Gesamtumsatzes und liegen damit noch unter dem Marktdurchschnitt“, sagte Müllenbach im Interview mit unserer Zeitung. Das Manager Magazin nannte unlängst für Oktober einen Onlineumsatz von 14 Millionen Euro, was nur gut sechs Prozent entsprochen habe.