Essen. Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Russwurm wird BDI-Präsident. Seine Tätigkeit beim angeschlagenen Essener Konzern will der Manager fortsetzen.

Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm übernimmt zum Jahreswechsel zusätzlich zu seiner Tätigkeit beim angeschlagenen Essener Traditionskonzern die Führung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Russwurm sei bei der Mitgliederversammlung in geheimer Abstimmung ohne Gegenstimme zum BDI-Präsidenten gewählt worden, teilte der Verband mit. Der Manager tritt am 1. Januar die Nachfolge von Dieter Kempf an und führt den einflussreichen Industrieverband damit im Jahr der nächsten Bundestagswahl.

Der 57-jährige Russwurm ist Vorsitzender der Aufsichtsräte der Industrieunternehmen Thyssenkrupp und Voith. In den Jahren 2008 bis 2017 war er Mitglied des Siemens-Vorstands. Bei Thyssenkrupp ist Russwurm an die Spitze des Kontrollgremiums gerückt, als seine Vorgängerin Martina Merz überraschend die Führung des Vorstands übernahm.

„Da jetzt von Bord zu gehen – das wäre Fahnenflucht“

Vor Journalisten betonte Russwurm in einer Web-Konferenz auf Nachfrage, dass er seine Tätigkeit bei Thyssenkrupp trotz der neuen Aufgabe beim BDI fortsetzen wolle. „Das Unternehmen ist in einer schwierigen Situation“, sagte Russwurm. „Da jetzt von Bord zu gehen – das wäre Fahnenflucht.“ Der neue BDI-Präsident erinnerte daran, dass er sich bei Thyssenkrupp „nicht um den Aufsichtsratsvorsitz beworben“ habe. Nun wolle er dabei helfen, Thyssenkrupp „zu einem ganz normalen Unternehmen zu machen“.

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Siegfried Russwurm wurde im Juni 1963 geboren und stammt aus einem kleinen Dorf in Franken. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. 1988 schloss Russwurm sein Studium der Fertigungstechnik an der Universität Erlangen-Nürnberg als Diplom-Ingenieur ab, wo er anschließend am Lehrstuhl für Technische Mechanik promovierte. Seit 2005 hält er dort Vorlesungen in Mechatronik, seit 2009 als Honorarprofessor. Russwurm ist auch Mitglied des Präsidiums der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) und des Vorstands der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

Arbeit beim Fleischkonzern Tönnies beendet

Beim Fleischkonzern Tönnies in Rheda-Wiedenbrück hatte Russwurm zwischenzeitlich als Mitglied in einem Firmenbeirat fungiert. Das Ziel sei dabei gewesen, den Familienkonflikt bei Tönnies zu lösen. Seine Tätigkeit beim Fleischkonzern sei mittlerweile beendet. Der Konflikt sei „nicht extern lösbar“, sagte Russwurm.

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„Ich werde meine ganze Kraft dafür einsetzen, dass die deutsche Industrie die heftige Rezession möglichst rasch überwindet und ihre weltweite Spitzenstellung im digitalen Wandel stärkt“, erklärte Russwurm nach seiner Wahl zum BDI-Chef. Er sprach von einem „tiefgreifenden Strukturwandel“, der durch die Corona verstärkt werde.

„Das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft schwindet“

Angesichts der Stimmung im Land gab sich Russwurm nachdenklich. „Das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft schwindet“, sagte er. Geprägt werde er auch von Erfahrungen, die er jenseits des politischen Betriebs in seiner ländlichen Heimat mache, so Russwurm. Hier sei für ihn ein „kontinuierlicher Reality-Check“ möglich.

Mit Blick auf den anstehenden Umbau der Industrie hob Russwurm hervor, dass er auch auf Unterstützung des Staates setze. Subventionen seien dazu da, „etwas anzuschieben“. Auch Thyssenkrupp hofft auch Hilfen des Staates – insbesondere beim Umbau der Stahlwerke, die in Zukunft klimaneutral produzieren sollen. Dafür sind allerdings milliardenschwere Investitionen erforderlich.