Essen. Düsterer Ruhrlagebericht: Gastronomie, Veranstalter, Reisebüros und Händler blicken mit Sorge auf den Corona-Winter. Kammern befürchten Pleiten.
Wirtschaftsverbände und Kammern neigen eher nicht dazu, schlechte Prognosen noch schlechter zu reden. Doch was eine Herbstumfrage wert ist, die vor Verkündung des neuen Teillockdowns erhoben wurde, machten die Industrie- und Handelskammern bei ihrem Ruhrlagebericht am Freitag sehr deutlich: „Hätte die Umfrage gestern oder heute stattgefunden, wären die Aussichten noch deutlich düsterer ausgefallen“, sagte Jutta Kruft-Lohrengel, Chefin der in diesem Jahr federführenden IHK Essen. Dabei sind sie schon so düster genug: Die Betriebe gehen mit großer Sorge in den Corona-Winter, viele befürchten, ihn nicht zu überstehen.
Der Blick in die Zukunft wird immer pessimistischer
30 Prozent der befragten Betriebe gaben an, sie befänden sich in einer schlechten Lage – das waren dreimal so viele wie zu Jahresbeginn. In den besonders betroffenen Branchen sind es weit mehr – in der Gastronomie sehen sich zwei von drei Hotels und Restaurants in einer schlechten Lage, bei den Veranstaltern und Reisebüros ist es jeder zweite. Der Blick nach vorn verheißt nichts Gutes: Ebenfalls zwei Drittel der Gastronomen erwartete eine weitere Verschlechterung – dies freilich bevor sie wussten, dass sie im November erneut schließen müssen.
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Kruft-Lohrengel sieht das kritisch und fordert von der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten: „Neue Restriktionen dürfen nicht so eng geschnürt werden, dass den Betrieben die Luft zum Atmen fehlt.“ Das gelte besonders für die Gastronomie, die dank vorbildlicher Hygienekonzepte kein Infektionsherd sei. Sie befürchte nun, „dass ein Teil der Betriebe die erneute Schließung nicht überstehen wird“, so die IHK-Präsidentin, und richtet einen flammenden Appell an die Politik: „Wir dürfen die Gastronomen jetzt nicht alleine lassen.“
Erholung der Konjunktur „akut gefährdet“
Das Konjunkturklima hatte sich im Ruhrgebiet zuletzt erholt: Nachdem der entsprechende Index wegen der Corona-Krise bis zum Sommer von 111 auf 82 Punkte abgesackt war, lag er nun wieder bei 96. Doch das dürfte nur eine kurze Momentaufnahme sein. „Die Ruhrwirtschaft befand sich auf dem Erholungspfad. Mit den erneuten Einschränkungen ist dieser akut gefährdet“, sagte Kruft-Lohrengel. Es gebe keine Planungssicherheit mehr, die Betriebe blickten nun „von Tag zu Tag“.
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Auch der Handel sehe dem für ihn besonders wichtigen Weihnachtsgeschäft mit Skepsis entgegen, obwohl er von neuerlichen Zwangsschließungen bisher verschont bleibt. Prognosen seien nicht möglich. Die sich bereits jetzt abzeichnenden neuen Rekorde beim Online-Geschenkekauf dürften aber zu Lasten der Umsätze in den Läden gehen. Die IHK-Präsidentin hofft, dass die Einzelhändler mit eigener Internetpräsenz möglichst viel kompensieren können. Denn: „Ich wäre sehr traurig, wenn kleine Einzelhändler verschwinden und unsere Innenstädte weiter veröden.“
Stimmung im Handwerk deutlich positiver
Deutlich positiver fiel das Herbstgutachten der Handwerkskammer Düsseldorf aus, die auch für das westliche Ruhrgebiet zuständig ist. 82 Prozent der Betriebe bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als gut oder zufriedenstellend. Vor allem auf dem Bau läuft es weiter rund, auch weil Privathaushalte in der Krise sogar mehr in ihre Häuser und Wohnungen investierten. „Andererseits sind bestimmte Handwerksbereiche von den nun anstehenden Schließungen substanziell betroffen: vorneweg die Lebensmittelhandwerke in ihrem gastronomischen Angebot, die Messe- und Ladenbauer und die Kosmetiker“, sagte Kammerpräsident Andreas Ehlert unserer Redaktion.
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Ehlert zeigte sich gleichwohl erfreut, dass die meisten Handwerksunternehmen von den neuen Corona-Restriktionen nicht betroffen seien und weiter arbeiten können. Ebenso begrüßt er die nach dem Berliner Gipfel angekündigte staatliche Umsatzausfall-Kompensation für die von den neuen Beschränkungen betroffenen Branchen. Sie müssten ihnen aber auch „so viel Liquidität belassen, dass sie den neuerlichen schweren Einschnitt in ihre Geschäftstätigkeit vorerst überstehen können“, sagte Ehlert. Darüber hinaus fordert er mehr steuerliche Spielräume bei den Verlustrückträgen auch für kleine und mittlere Betriebe.
Corona-Bekämpfung „essenziell für die Wirtschaft“
Die Industrie- und Handelskammern betonten, natürlich müsse eine unkontrollierte Ausbreitung der Infektionen verhindert werden. „Das ist für die Wirtschaft essenziell“, sagte Jutta Kruft-Lohrengel. Allerdings sollten Maßnahmen zielgerichtet an Infektionsherden ansetzen. „Einige Vorgaben bedrohen die Existenz auch von Betrieben, die nicht als Infektionstreiber bekannt sind“, kritisierte sie. Die Präsidentin der IHK zu Essen spricht beim Ruhrlagebericht auch für die ebenfalls teilnehmenden IHKen Dortmund, Duisburg, Mittleres Ruhrgebiet und Nord Westfalen.