An Rhein und Ruhr. Immer weniger junge Menschen wollen im Handwerk arbeiten. Das Image hat gelitten. Die Corona-Pandemie verstärkt den Negativtrend jetzt noch mal.
Das Handwerk kämpft zunehmend mit Nachwuchsproblemen. In diesem Jahr sind in den Betrieben in Nordrhein-Westfalen 10,1 Prozent weniger neue Ausbildungsverträge abgeschlossen worden, teilt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) auf NRZ-Anfrage mit. Bundesweit betrage das Minus 8,1 Prozent. Grund der stark gesunkenen Nachfrage nach Ausbildungen sei vor allem die Corona-Krise und die damit einhergehenden Schulschließungen. Dadurch entfielen im Frühjahr viele Angebote zur Berufsorientierung, etwa Ausbildungsmessen oder Tage der offenen Tür.
Es sei so schlicht und ergreifend kaum möglich gewesen, junge Menschen und Betriebe zusammenzubringen, sagt Christian Henke, Geschäftsführer bei der Handwerkskammer Düsseldorf. Hinzu komme, dass im vergangenen Schuljahr kein Schüler sitzen bleiben konnte. Dadurch würden junge Menschen, die sonst die Schule mit einem Realschulabschluss verlassen und möglicherweise eine Ausbildung angefangen hätten, jetzt weiter die Schule besuchen.
Beruf im Handwerk nicht mehr so attraktiv
Bäcker, Automechaniker oder Friseur – während bei vielen Kindern im Grundschulalter handwerkliche Berufe weit oben auf der Liste der Traumberufe stehen, ist davon bei Schulabgängern nur noch wenig zu spüren. Das Handwerk hat ein Imageproblem, viele junge Menschen wollen lieber im Büro arbeiten als auf dem Bau oder in der Werkstatt. Seit Jahren schon klagen die Betriebe über immer weniger Interesse an handwerklichen Ausbildungen. Ein Fachkräftemangel droht oder ist in manchen Gewerken schon Realität.
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Durch die Corona-Pandemie hat sich die Lage bei den Neuabschlüssen von Ausbildungsverträgen noch mal deutlich verschlechtert. NRW-weit verzeichnen die Handwerkskammern ein Minus von rund zehn Prozent. Je nach Gewerk und Landkreis sind die Rückgänge noch deutlicher, wie Holger Benninghoff, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft des Kreises Wesel bestätigt.
Im Kreis seien je nach Gewerk teilweise sogar 15 bis 20 Prozent weniger neue Lehrverträge unterschrieben worden. Andere Gewerke hätten aber auch die Zahl ihrer Azubis auf Vorjahresniveau halten oder sogar etwas ausbauen können. Darunter falle vor allem die Baubranche, also etwa Maler, Maurer und Elektroinstallateure.
Wirtschaftliche Unsicherheit, fehlende Präsentationsmöglichkeiten
Die Gründe für den rapiden Rückgang in diesem Jahr liegen vor allem in der Corona-Pandemie und dem damit einhergehenden Lockdown im Frühjahr. Wirtschaftliche Schwierigkeiten würden einige Betriebe verunsichern, sagt Benninghoff. Mit Lehrverträgen sei man deshalb etwas zurückhaltender gewesen, gerade im Kfz-Bereich.
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Betriebe, denen es wirtschaftlich besser geht und die ausbilden wollen, haben hingegen das Problem, dass sie zunehmend keine jungen Leute finden. Das liege aber nicht nur an der vermeintlich mangelnden Attraktivität der Ausbildungen, sondern auch daran, dass sich Betriebe und Gewerke im Frühjahr nicht in den Schulen vorstellen konnten. „Es war sehr schwierig, in Kontakt mit Schülerinnen und Schülern zu kommen“, erklärt Christian Henke, Geschäftsführer bei der Handwerkskammer Düsseldorf.
Keine Möglichkeit zum Kennenlernen
Ausbildungsmessen etwa entfielen, und Schnuppertage konnten nicht wie üblich stattfinden, so sei es kaum möglich gewesen, Jugendlichen die Berufe vorzustellen und sie möglicherweise für eine Ausbildung zu begeistern. Auch Praktika entfielen reihenweise. Diese seien sowohl für Schüler als auch für Betriebe wichtig, weil zum einen die Jugendlichen eine Vorstellung von dem Beruf und den Aufgaben bekommen, zum anderen haben die Betriebe die Möglichkeit, potenzielle Bewerber kennenzulernen, erklärt Holger Benninghoff. Erst langsam würden Schulen nun wieder in die Berufsorientierung einsteigen, sagt Christian Henke. Durch die Pandemie hätten die Schulen verständlicherweise derzeit anderes zu tun.
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Aber auch die Betriebe und Handwerkskammern versuchen mit der Situation umzugehen. Als Alternative zu Ausbildungsmessen und Infoveranstaltungen habe man beispielsweise im Sommer einen „Azubi-Drive-In“ auf einer großen Freifläche organisiert, erklärt Henke.
Digitale Ausbildungsbörsen wurden ebenfalls ausprobiert, würden aber bisher eher schleppend angenommen. Einen Lichtblick gibt es aber noch: Weiterhin können sich Betriebe und Bewerber finden. „Die Betriebe sind weiter bereit, Auszubildende anzunehmen“, sagt Henke. Rund 65 Prozent seien es ungefähr. Und auch Benninghoff appelliert: „Junge Leute können sich weiterhin bewerben, auch noch für dieses Jahr.“