Essen. Bei Thyssenkrupp geht im Oktober die neue Einheit „Multi-Tracks“ an den Start. Geschäfte mit 20.000 Arbeitsplätzen stehen auf dem Prüfstand.

Seit Mitte Mai stehen bei Thyssenkrupp Geschäfte mit rund 20.000 Mitarbeitern auf dem Prüfstand. Der Vorstand spricht von Konzernbereichen, in denen es „keine nachhaltigen Zukunftsperspektiven“ innerhalb der Thyssenkrupp-Gruppe gebe. Betroffen sind unter anderem der Anlagenbau, die Grobblech-Produktion in Duisburg, Teile der Autosparte, das Bautechnik-Geschäft sowie das Edelstahlwerk im italienischen Terni. Erste Veränderungen stehen nun an. „Das Projekt Multi-Tracks geht in eine neue Phase“, sagt Daniela Jansen, die Thyssenkrupp-Konzernbetreuerin der IG Metall, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ab dem 1. Oktober kommen die Geschäfte, die zu Multi-Tracks gehören, raus aus der Berichterstattung des Konzerns und sind einem gemeinsamen Management unterstellt.“

Im Frühjahr hatte Vorstandschefin Martina Merz praktisch eine Zweiteilung von Thyssenkrupp angekündigt – zum einen in Firmenbereiche, die der Konzern „allein oder gemeinsam mit Partnern entwickeln“ wolle und zum anderen in Geschäfte, „für die das Unternehmen vorrangig Entwicklungspfade außerhalb der Gruppe“ verfolge. Letztere sollen im Segment Multi-Tracks gebündelt werden – mit einer eigenen Finanzberichterstattung ab dem neuen Geschäftsjahr, das bei Thyssenkrupp traditionell im Oktober startet.

Multi-Tracks soll nicht zu einer „Bad Bank von Thyssenkrupp“ werden

Die IG Metall verfolgt den weitreichenden Konzernumbau aufmerksam. „Wir werden es nicht zulassen, dass Multi-Tracks zu einer Bad Bank von Thyssenkrupp wird“, sagt Konzernbetreuerin Daniela Jansen. „Es handelt sich um gute Geschäfte, auch wenn Thyssenkrupp möglicherweise nicht immer der beste Eigentümer ist.“ Daher könne es „nicht um ein Abwickeln, sondern immer nur um ein Weiterentwickeln“ gehen.

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Die Leitung von Multi-Tracks hat der Thyssenkrupp-Manager Volkmar Dinstuhl übernommen, der ohnehin im Konzern für Firmenverkäufe und Übernahmen zuständig ist. Dinstuhl hat auch den Verkauf der Aufzugsparte mit mehr als 50.000 Jobs maßgeblich betreut. Seit dem Verkauf der Sparte Elevator gehören noch rund 100.000 Beschäftigte zum Essener Traditionskonzern. Mit dem Projekt Multi-Tracks stehen weitere 20.000 Jobs zur Disposition.

Partnerschaften, Verkäufe oder Werksschließungen

Denkbar seien Partnerschaften mit bisherigen Konkurrenten oder Firmenverkäufe, hatte Vorstandschefin Merz erklärt. Für die Bereiche Bautechnik, Grobblech und Battery Solutions (Produktionsanlagen zur Batteriemontage) prüft Thyssenkrupp neben einem Verkauf auch die Schließung von Standorten. Insgesamt geht es um Geschäfte, die zuletzt einen Jahresumsatz von rund sechs Milliarden Euro erwirtschaftet haben.

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Auch beim Anlagenbau für die Automobilindustrie (System Engineering) mit bislang 3200 Mitarbeitern setzt Thyssenkrupp auf eine Zweiteilung der Aktivitäten. Ab Oktober soll es im Konzern einen auf die Karosserie-Montage spezialisierten Anlagenbauer mit Standorten in Baden-Württemberg, dem Saarland und Hessen geben. Das Geschäft mit der Antriebs- und Batteriemontage mit Werken in Bremen, Niedersachsen und Sachsen wandert ins Segment Multi-Tracks.

Thyssenkrupp streicht 800 Stellen im Anlagenbau für die Autoindustrie

Rund 800 Arbeitsplätze sollen dabei wegfallen, 500 davon in Deutschland, wie das Unternehmen mitteilte. „Die Marktsituation im automobilen Anlagenbau bleibt nach wie vor extrem angespannt“, sagt der zuständige Thyssenkrupp-Manager Ingo Steinkrüger zur Begründung. „Wir gehen davon aus, dass die Produktionszahlen der Autoindustrie frühestens in zwei bis drei Jahren wieder das Vorkrisenniveau erreichen werden.“

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Die IG Metall fordert eine „klare Perspektive“ für die Beschäftigten, die künftig zu Multi-Tracks gehören. Gerade in den betroffenen Geschäften sei „den Beschäftigten schon viel zugemutet worden“, sagt Daniela Jansen. „Auch daher erwarten wir einen fairen Umgang.“ Wenn es zu Verkäufen von Firmenteilen komme, wolle die IG Metall „genau darauf achten, dass die Beschäftigten so gut wie möglich abgesichert“ werden. „In jedem Fall muss es eine Fair-Owner-Vereinbarung geben, mit der Standards für den fairen Umgang mit den Beschäftigten festgelegt sind.“

Entscheidung zum Grobblech-Standort in Duisburg rückt näher

Mit dem Verkauf der Aufzugsparte für mehr als 17 Milliarden Euro habe sich Thyssenkrupp Luft verschafft. „Für Notverkäufe besteht kein Anlass“, betont Jansen. Verkäufe „unter Wert“ werde es mit der IG Metall nicht geben. „Für einige Bereiche von Multi-Tracks laufen bereits Gespräche mit möglichen Partnern oder Käufern“, berichtet die Konzernbetreuerin. „Wir reden bei Multi-Tracks über sehr unterschiedliche Geschäfte, in denen großes Potenzial steckt. Ich denke beispielsweise an den Anlagenbau für die Zement- und Chemieindustrie. Die Ingenieure in diesen Bereichen verfolgen vielerorts Ansätze zur CO2-Reduktion und Ressourcenschonung.“ Sie gehe davon aus, sagt Daniela Jansen, dass es ab Mitte Oktober „erste Angebote für den Anlagenbau“ gebe.

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Auch mit Blick auf den Grobblech-Standort in Duisburg-Hüttenheim drängt die Zeit. Der Thyssenkrupp-Vorstand hat unlängst angekündigt, die Produktion mit rund 800 Arbeitsplätzen im September 2021 zu schließen, sollte sich bis Ende des Jahres kein Käufer finden. „Wir erwarten, dass in Kürze belastbare Angebote von Käufern auf dem Tisch liegen“, sagt Daniela Jansen dazu.