Essen. Was wird aus Thyssenkrupp? NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart befeuert die Diskussion über eine mögliche Stahlfusion mit einem Konkurrenten.

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) befeuert die Diskussion über eine mögliche Stahlfusion. „Man muss gucken, was da geht. Das müssen auch die Unternehmen klären“, sagte Pinkwart bei einer Diskussionsveranstaltung am Montagabend in der Essener Thyssenkrupp-Zentrale. „Wichtig scheint mir, dass wir in Europa schon ein Stück auch noch zu Konsolidierungen kommen müssen.“ Die privaten Akteure müssten „sich entscheiden, wie sie vorangehen wollen“, betonte Pinkwart. Ziel müsse „ein qualitativ hochwertiges, wettbewerbsfähiges Stahlangebot“ sein, „nicht ein strukturelles Überangebot“.

Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz hatte im Mai erklärt, das Unternehmen prüfe die Chancen für einen Zusammenschluss mit einem Konkurrenten, sogar eine Trennung von der Mehrheit der Anteile am traditionsreichen Stahlgeschäft mit wichtigen Standorten in Duisburg, Bochum und Dortmund sei denkbar. „Wir haben selber keine Denkverbote mehr“, sagte Merz.

Pinkwart ermunterte die Stahlhersteller angesichts der Krise der Branche, „unternehmerisch tragfähigere Lösungen“ zu entwickeln. „Dann muss man ausloten: Wo kann man wirklich zusammenarbeiten, möglicherweise auch zusammengehen?“ Eine Fusion sei „eine Option“, „die muss man nur wollen“, sagte der NRW-Wirtschaftsminister im Thyssenkrupp-Quartier. Dies gelte für einen europäischen oder einen deutschen Zusammenschluss.

SSAB, Salzgitter oder Tata gelten als Optionen

Als mögliches Szenario gilt in der Branche ein Deal von Thyssenkrupp mit dem schwedischen Konkurrenten SSAB. In Konzernkreisen war schon vor einigen Wochen zu hören, dass beide Seiten intensiv mit dem Thema befasst sind. Als Optionen für Thyssenkrupp gelten auch eine deutsche Fusion mit den Konzernen Salzgitter und Saarstahl sowie eine Neuauflage des zuletzt gescheiterten Bündnisses mit dem Europaableger des indischen Mischkonzerns Tata.

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Thyssenkrupp-Stahlchef Bernhard Osburg verwies in der Diskussionsrunde mit dem NRW-Wirtschaftsminister auf die schwierige Situation der Unternehmen angesichts der Corona-Krise. „Der Druck in der Industrie ist zweifellos so groß wie selten zuvor“, sagte Osburg. Zur Frage, ob eine deutsche oder eine europäische Stahlfusion eine Lösung sein könne, sagte der Thyssenkrupp-Manager: „Ich glaube, dass es momentan sehr klug ist, das gesamte Spielfeld zu überblicken.“

Milliardenschwere Kosten für Umbau der Stahlwerke

Den anstehenden milliardenschweren Umbau der Stahlwerke, um eine klimaneutrale Produktion zu erreichen, könne Thyssenkrupp nicht aus eigener Kraft finanzieren. „Da bauen wir die Flüssigphase eines Stahlwerks komplett neu“, sagte Osburg. „Das ist ein finanzieller Kraftakt, den kann keiner in der Branche, egal wie er heißt, alleine stemmen.“ Der Thyssenkrupp-Stahlchef fügt hinzu: „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, das zu tun.“

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Die Stahlindustrie verursache weltweit rund zehn Prozent der CO2-Emissionen, gab Osburg zu bedenken. „Wir alleine mit unserem Standort in Duisburg sind für zwei Prozent der deutschen Emissionen verantwortlich.“ Das bedeute: „Wir sind heute ein großer Teil des Problems, aber auch ein großer Teil des Lösungshebels.“ Die Technologien für eine CO2-freie Stahlproduktion seien vorhanden, müssten aber nun groß zur Anwendung gebracht werden.

„Elektrofahrzeug mit CO2-haltigem Stahl darf es eigentlich gar nicht geben“

Reine Kooperationen von Unternehmen beim Thema Wasserstoff – ohne einen Zusammenschluss oder die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens – seien in diesem Zusammenhang aus wettbewerbsrechtlichen Gründen schwierig, sagte der Thyssenkrupp-Manager.

NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart wies darauf hin, dass die Bundesländer Niedersachsen und NRW im engen Austausch zum Thema Wasserstoff seien. Der Stahlstandort Duisburg könne sich auch über den Hafen über verschiedene Quellen mit Wasserstoff versorgen, so Pinkwart. Dies sei strategisch günstig. „Hier hat jeder etwas mitzubringen. Da lohnt es auch, miteinander zu reden.“

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Die deutsche Stahlindustrie muss sich nach Einschätzung von Pinkwart künftig im internationalen Wettbewerb behaupten, wenn es um eine CO2-neutrale Produktion geht. „Auch unsere chinesischen Wettbewerber werden CO2-freien Stahl liefern“, sagte er. Es sei zudem zu erwarten, dass die Autoindustrie als Kunden und die Finanzmärkte als Geldgeber klimafreundlichen Stahl fordern werden. Die Unternehmen müssten sich der „veränderten Wettbewerbssituation“ bewusst sein. „Ein Elektrofahrzeug mit CO2-haltigem Stahl darf es eigentlich gar nicht geben“, sagte der Minister. „Stahl ist für mich nicht eine Geschichte von gestern, sondern ein Produkt von morgen. So müssen wir das auch angehen.“