Hagen. Die Brauereien in Deutschland verloren im ersten Halbjahr massiv an Absatz. Was das für Krombacher, Veltins und Warsteiner bedeutet.

Ernüchterung herrscht in der deutschen Brauerbranche. Im ersten Halbjahr 2020 verloren die Brauereien laut Statistischem Bundesamt um über 3 Millionen Hektoliter (hl) an Absatz.

Lockdown, Shutdown. Der Ausschank versiegte im Frühjahr vielerorts. Am Ende des Jahres dürfte ein Rekordverlust von über sechs Millionen Hektolitern gegenüber dem Vorjahr stehen. Selbst jetzt, bei bestem Biergartenwetter, vermiest das Corona-Virus Brauern, Wirten und Gästen die Laune.

Die drei großen Brauereien im Sauer- und Siegerland, Krombacher, Veltins und Warsteiner bekommen die Krise unterschiedlich stark zu spüren. Dabei haben alle mit einem massiven Verlust beim Fassbier zu kämpfen.

Über harte Zahlen spricht nur Veltins

Über Halbjahreszahlen offen sprechen mag man nur bei Veltins. „Trotz der dramatischen Verluste im Fassbiergeschäft (Minus 60 Prozent) stimmt das rasante Wachstum im Flaschenbierverkauf einigermaßen versöhnlich, weil es zeigt, dass die Menschen im Land weiterhin Lust auf Biergenuss haben“, liest Veltins-Chef Michael Huber gern das Positive aus den eigenen Zahlen. Der Einbruch beim Fassbier ist bitter. Andererseits war die Kiste Bier von Veltins im Handel auch wegen 9,99-Euro-Aktionen stark gefragt: Ein Plus von über 10 Prozent beim Flaschenbier, das den Löwenanteil der rund 1,5 Millionen hl Absatz im ersten Halbjahr ausmacht.

Erkenntnis: In der Corona-Hochphase haben sich viele bevorratet. Und auch jetzt, „machen es sich die Leute gerne zuhause gemütlich“, schätzt Hubers.

Schwer getroffen sein dürften viele kleinere Brauereien. Vielfach in Süddeutschland, wo Marken sehr vom Ausschank in Gastronomien und bei Festen abhängig sind. Aber auch Biere aus NRW haben es schwer. Mit König (Fassbieranteil über 30 Prozent) fällt nach Prognose des Fachmagazins „Inside“ die Premiummarke, die zum Bitburger-Konzern gehört, nach fast einem halben Jahrhundert in diesem Jahr erstmals wieder unter die Millionenmarke beim Absatz. Zur „Halbzeit“ betrug das Minus in Duisburg 13 Prozent.

In ähnlichen Verlustbereichen befindet sich demnach beispielsweise auch Erdinger (Minus 14,2 Prozent) – oder die Warsteiner-Brauerei mit einem Halbzeit-Minus 16,2 Prozent. Das bedeutet laut „Inside“ ein Absatzrückgang von 184.000 hl auf rund 950.000 hl.

Negativrekord

Seit der Jahrtausendwende verliert der deutsche Biermarkt beinahe jede Jahr an Volumen.

Wurden im Jahr 2000 noch knapp 110 Millionen Hektoliter (hl) abgesetzt, dürften es Ende 2020 nur noch 86 Mio. hl sein. Der Verlust von dann über 6 Mio. hl innerhalb eines Jahres wäre Negativrekord.

Die Sauerländer haben einen vergleichsweise hohen Exportanteil. Dass Warsteiner-Boss Christian Gieselmann den Lockdown aufgrund der weltweiten Pandemie als „Oberkatastrophe“ bezeichnete, dürfte sich sowohl auf das Auslandsgeschäft wie aufs Inland bezogen haben. „Wir sehen, dass das für unser Familienunternehmen wichtige Exportgeschäft wieder anzieht. In den Niederlanden konnte das Geschäft im Handel ausgebaut werden. Dort werden wir in den nächsten Wochen weitere Akzente setzen: Im August wird der eigens für den niederländischen Markt produzierte goldene Mehrwegkasten (24 × 0,3 l) eingeführt. Im Inland verlief die Neueinführung von Brewers Gold, unserer naturtrüben, bernsteinfarbenen Bierspezialität, sowie die unseres erfrischenden Biermix-Getränks Warsteiner Grapefruit überaus erfolgreich“, hat Warsteiner-Sprecherin Sinje Vogelsang den Optimismus nicht verloren.

Im November stellte Warsteiner sein neues Spezialitätenbier
Im November stellte Warsteiner sein neues Spezialitätenbier "Brewers Gold" vor, das es mittlerweile auch in der Dose gibt. Von links: Michael Grupp (Vertriebsdirektor Handel), Marcus Wendel (Marketing Director), Catharina Cramer (Inhaberin), André Hilmer (Vertriebsdirektor Gastronomie), Christian Gieselmann (Sprecher der Geschäftsführung). © WP | Warsteiner Brauerei

Die Brauerei droht allerdings erstmals seit den frühen 80er Jahren wieder unter die Zwei-Millionen-Marke beim Absatz zu rutschen. Um das zu verhindern, ist im September eine Sonder-Verkaufsaktion geplant. Montags und dienstags sollen Kunden beim Kauf von zwei Kästen Warsteiner den Preis für eine von der Brauerei wieder zurückerhalten. Bedeutet: Premiumpils zum Schnäppchenpreis für möglicherweise fünf Euro pro Kasten. Ein Corona-Erdrutsch-Preis.

Weit weniger dramatisch scheint die Situation bei Krombacher zu sein, der Nummer eins in NRW und beim Pils bundesweit: Minus 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum tun dennoch weh: „Natürlich haben auch uns die Pandemie, der Lockdown und die damit verbundenen Einschnitte in den Vertriebskanälen erheblich getroffen. Trotz der schwierigen Ausgangslage ist es uns gelungen, zwei neue Produkte erfolgreich am Markt zu platzieren.

Erstaunlich viele neue Produkte

Vor allem Krombacher Limobier hat bereits heute sehr viele Fans gewinnen können. Und auch bei Vitamalz Sport erfahren wir bisher eine sehr erfreuliche Nachfrage“, sagt Brauereisprecher Peter Lemm. Gewonnen haben die Siegerländer zudem mit Schweppes, das jetzt in einer „Zero-Variante“ zu haben ist.

Eigentlich sind es nicht die besten Zeiten für Neueinführungen. Aber auch Veltins aus Meschede-Grevenstein zog das im Februar für diesen Mai angekündigte „Helle Pülleken“ in der 0,33-Liter-Euroflasche nicht zurück – und ist mit rund 8000 Hektoliter Absatz bisher zufrieden. Die Vielfalt ist der Gewinner“, bilanziert Veltinschef Huber. Tatsächlich sind selten sind in so kurzer Zeit so viele neue Produkte präsentiert worden. Im stark schrumpfenden Markt zählt eben jeder Hektoliter.