Essen. Karstadt/Kaufhof schließt 62 seiner 172 Kaufhäuser. Einigung mit Verdi: In verbleibenden Filialen sollen doch keine Stellen abgebaut werden.

Deutschlands Warenhaus-Landschaft wird deutlich karger: Galeria Karstadt Kaufhof schließt 62 seiner aktuell noch 172 Filialen und damit mehr als jedes dritte Haus. Das erfuhr unsere Redaktion am Abend aus Verhandlungskreisen. Damit verbunden ist der Wegfall von mehreren tausend Arbeitsplätzen, in den Filialen arbeiten im Durchschnitt jeweils rund 100 Mitarbeiter. Der Kölner Stadtanzeiger berichtet von rund 6000 Stellen, die abgebaut werden sollen.

Die rund 28.000 Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof sollten nach dpa-Informationen am Freitag gegen 14 Uhr über die Schließungspläne des Konzerns informiert werden. Zuvor hätten bereits die Führungskräfte des Handelsriesen gegen 12 Uhr Einzelheiten zur Zukunftsplanung mitgeteilt bekommen.

Das Management der angeschlagenen Kaufhauskette und die Gewerkschaft Verdi haben sich nach viertägigen Verhandlungen am Donnerstag auf einen Sanierungstarifvertrag geeinigt. Das Unternehmen befindet sich seit Ende März in einem Schutzschirmverfahren und muss dem Insolvenzgericht bis Ende Juni einen Sanierungsplan vorlegen.

Karstadt-Management wollte bis zu 80 Filialen schließen

Am Abend wurden noch keine Details offiziell bekannt gegeben. Verdi will am Freitagmorgen darüber informieren. Für die Beschäftigten ist das Aus für 62 Warenhäuser ein Schock. Das Management um die Insolvenzexperten Arndt Geiwitz und Frank Kebekus hatte zuvor von rund 60 Filialen gesprochen, die nicht zu retten seien, und einem guten Dutzend, das auf Mietsenkungen angewiesen sei. Welche Standorte es trifft, wurde am Donnerstagabend noch nicht mitgeteilt.

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Die von Schließungen betroffenen Mitarbeiter sollen nun in eine Transfergesellschaft wechseln können, um nicht gleich arbeitslos zu werden – das hatte Verdi bereits am Vortag als einen Verhandlungserfolg gemeldet. In den verbleibenden Kaufhäusern sollen zudem nun doch keine Arbeitsplätze abgebaut werden. Das Karstadt-Management wollte auch hier jede zehnte Stelle streichen.

Die Einigung ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung des Schutzschirmverfahrens. Weil dem Warenhauskonzern durch die Corona-bedingten Zwangsschließungen die Zahlungsunfähigkeit drohte und er trotz Bemühungen keine Staatshilfe erhielt, rettete sich das Essener Traditionsunternehmen in diese mildere Form eines Insolvenzverfahrens. Nach drei Monaten, also bis Ende Juni, muss das Krisenmanagement dem Essener Amtsgericht einen Sanierungsplan vorlegen. Ihn müssen die Arbeitnehmerseite und die Gläubiger mittragen.

Karstadt verhandelte seit Montag mit Verdi

Die Insolvenzexperten Geiwitz und Kebekus sowie die nach dem Abgang von Konzernchef Stephan Fanderl verbliebenen Karstadt-Vorstände verhandelten seit Montag mit Verdi über den Beitrag der Beschäftigten zur Sanierung des Konzerns. Dabei ging es vor allem um die Folgen der Filialschließungen für die betroffenen Mitarbeiter, um Lohnverzicht der verbleibenden Beschäftigten und um die Perspektiven der zu erhaltenden Häuser.

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Verdi kam Letzteres in den Sanierungsplänen des Managements deutlich zu kurz, Verhandlungsführer Orhan Akman vermisste ein Zukunftskonzept. Deshalb war es der Gewerkschaft besonders wichtig, den bereits vom Management angekündigten Abbau jeder zehnten Stelle in den verbleibenden Kaufhäusern zu verhindern. Das gelang ihr „unter dem Vorbehalt einer Gesamtlösung“, wie es nun heißt. Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger sagte dazu: „Das Mindeste sind Zukunftsperspektiven in einem nachhaltigen Warenhauskonzept.“

Betroffene Filialen sollen Freitag informiert werden

Nicht verhindern konnte Verdi die Schließung fast jeder dritten Filiale. Welche betroffen sind, wolle die Geschäftsführung am Freitagmorgen direkt an den entsprechenden Standorten verkünden, sagte Betriebsrätin Iris Geiger dem Nachrichtensender ntv. Sie habe sich „erpresst gefühlt“ sagte sie weiter. Und: „Morgen verlieren Tausende von Menschen ihren Arbeitsplatz und die Betriebsräte sind nicht darauf vorbereitet.“