Essen. Karstadt-Chef Stephan Fanderl und der Warenhaus-Konzern geben Trennung bekannt. Grund sei ein Bandscheibenvorfall. Verdi nennt das überfällig.

Mitten in seiner schwersten Krise seit der Insolvenz 2009 verliert der Karstadt-Konzern seinen Chef: Stephan Fanderl und die österreichische Karstadt-Mutter Signa hätten sich auf eine einvernehmliche Trennung geeinigt, teilten beide Seiten am Mittwoch mit. Fanderl gebe den Vorsitz der Geschäftsführung von Galeria Karstadt Kaufhof ab und scheide freiwillig auch als Geschäftsführer der Signa Retail aus, heißt es in der Mitteilung.

Die Trennung hatte sich seit Wochen angedeutet. Fanderl war seit Beginn der Corona-Krise mit ihren schweren Verwerfungen für den Warenhaus-Riesen nicht mehr im Management aktiv, früh mehrten sich die Anzeichen, dass er auch nicht auf seinen Chefsessel in der Essener Karstadt-Zentrale zurückkehren würde. Als Grund wird nun „ein massiver Bandscheibenschaden“ angegeben, den sich Fanderl bereits Ende 2019 zugezogen habe.

Fanderl: Musste Sanierung in der Reha verfolgen

Der scheidende Chef erklärte, er bedaure es sehr, dass er sich seit Mitte März den notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen habe unterziehen müssen und deshalb „die Entwicklung existenzsichernder Maßnahmen für die Galeria Karstadt Kaufhof Gruppe von außen miterleben musste“. Nach dem vergeblichen Bemühen um einen der für die Corona-Krise bereitgestellten Staatskredite hatte Karstadt Ende März beim Insolvenzgericht ein Schutzschirmverfahren beantragt. Bis Ende Juni muss das Krisenmanagement mit den Sanierungsexperten Arndt Geiwitz und Frank Kebekus nun einen Insolvenzplan vorlegen.

Auch interessant

„Nach der Sanierung beider Unternehmen und der weit fortgeschrittenen Fusion von Karstadt und Kaufhof hat die Corona-Pandemie das wirtschaftliche Umfeld für den Handelmassiv belastet“, beschreibt Fanderl die aktuelle Lage. Das sei „für uns alle im Unternehmen ein schwerer Schlag, es bietet aber auch die Chance auf eine Neuorientierung“. Deshalb habe er sich mit Signa auf eine einvernehmliche Trennung verständigt.

Verhaltene Würdigung durch Karstadt-Mutter Signa

Die obligatorische Würdigung durch den Konzern fiel verhalten aus. Sein bisheriger Kollege in der Signa-Geschäftsführung, Wolfram Keil, sagte, nannte Fanderl einen „unserer erfahrensten Einzelhändler, Mitgestalter und Partner der ersten Stunde“. Er wünsche ihm „für seine neuen Projekte und künftigen Aufgaben die gleiche gute Hand“ und „gesundheitlich alles Gute“. Einen expliziten Dank für seine Leistung formulierte Keil, der auch Aufsichtsratschef bei Galeria Karstadt Kaufhof ist, nicht.

Die Gewerkschaft Verdi bedauert Fanderls Abgang nicht, ganz im Gegenteil. „Im Sinne aller Beschäftigten ist es die richtige Entscheidung, dass der für die Misere hauptverantwortliche Manager gehen muss“, sagte Orhan Akman unserer Zeitung, Bundesfachgruppenleiter für den Einzelhandel bei Verdi. Er ist zugleich der Verhandlungsführer in den laufenden Gesprächen mit dem Management über einen Sanierungstarifvertrag. Fanderl hätte allerdings bereits früher gehen sollen, betont Akman. Denn er habe es „bis dato nicht geschafft, die Warenhäuser so aufzustellen, dass sie an der Ladenkasse Geld verdienen“. Doch genau das sei Fanderls Aufgabe gewesen.

Verdi: Fanderl verantwortlich für Misere

Der frühere Real- und Rewe-Manager übernahm Karstadt 2014, nachdem der österreichische Milliardär René Benko die angeschlagene Kaufhauskette von Nicolas Berggruen übernommen hatte, der mit seinen Sanierungsversuchen weitgehend gescheitert war. Fanderl führte Karstadt mit einer Sanierung und Neuausrichtung zurück in die schwarzen Zahlen, spätestens mit der Übernahme des defizitären Konkurrenten Galeria Kaufhof verschlechterte sich aber auch die Gesamtlage des Warenhaus-Konzerns wieder. In die beginnende Phase der Besserung durch Synergien platzte im Frühjahr dann die Corona-Krise mit den wochenlangen Zwangsschließungen.

„Die vergangenen sieben Jahre an der Spitze des Unternehmens waren eine enorm spannende und dynamische Aufbauphase, in der wir mit einem starken Team vieles erreicht haben“, zieht der 56-jährige Fanderl seine eigene Bilanz. Nun befindet sich der Konzern freilich in seinem nächsten Existenzkampf. Die Insolvenzexperten Geiwitz und Kebekus wollen 60 bis 80 der 172 Galeria-Filialen schließen und auch in den verbleibenden Arbeitsplätze abbauen. Die Gewerkschaft Verdi will das verhindern. Verdi-Verhandlungsführer Akman sieht nun im Abgang Fanderls auch eine Botschaft an seine Nachfolger: „Sie müssen endlich ein tragfähiges Konzept liefern und die Warenhäuser zukunftsfähig machen.“