Attendorn. Ob das Konjunktur-Paket tatsächlich schnell die Konjunktur ankurbeln wird, ist aus Sicht des NRW-Arbeitgeberpräsidenten Arndt G. Kirchhoff offen.

Vor einer Woche beschloss der Koalitionsausschuss von Union und SPD das gewaltige Konjunkturpaket in Höhe von rund 130 Milliarden Euro, das Deutschland „schnell wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad“ führen soll. „Es sind viele richtige Beschlüsse darin enthalten“, sagt NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt G. Kirchhoff. Aber: „Auf die Industrie hat man nicht geachtet.“

„Es steht vieles im Programm, was wir sowieso machen wollen.  Digitalisierung und die Themen rund um den ,Green Deal’ (also Klimaschutz und Nachhaltigkeit/Red.) zu beschleunigen, ist richtig“, lobt NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt G. Kirchhoff. Allerdings habe das Paket auch deutliche Schwächen.
„Es steht vieles im Programm, was wir sowieso machen wollen. Digitalisierung und die Themen rund um den ,Green Deal’ (also Klimaschutz und Nachhaltigkeit/Red.) zu beschleunigen, ist richtig“, lobt NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt G. Kirchhoff. Allerdings habe das Paket auch deutliche Schwächen. © dpa | Federico Gambarini

Zum Bündel an guten Maßnahmen zählt der 65-jährige Sauerländer Unternehmer (Kirchhoff Gruppe) konkrete Liquiditätshilfen wie den steuerlichen Verlustrücktrag. Das heißt: Verluste durch Auswirkungen der Corona-Pandemie aus den Jahren 2020 und 2021 können auf Gewinne aus 2019 angerechnet werden – allerdings nur bis maximal zehn Millionen Euro. „Das reicht für KMU (kleinere und mittelgroße Unternehmen) aus, für Große aber nicht. Dabei ist das risikolos. Hier hätten wir uns mehr gewünscht“, sagt Kirchhoff. Verständlich, denn die gesamte Wirtschaft leidet, verzeichnet immense Umsatzrückgänge und verfügt über deutlich weniger Liquidität als noch vor ein paar Monaten.

Die Idee des Paketes ist es, nicht einfach mit der Gießkanne Geld regnen zu lassen, in der Hoffnung, dass schon irgendetwas wachsen wird. Über 50 Milliarden Euro sollen den Wandel, die Modernisierung des Wirtschaftsstandortes Deutschland beflügeln. „Es steht vieles im Programm, was wir sowieso machen wollen. Digitalisierung und die Themen rund um den ,Green Deal’ (also Klimaschutz und Nachhaltigkeit/Red.) zu beschleunigen, ist richtig“, lobt Kirchhoff.

Chancen für Südwestfalen

Die Automobil- und Zuliefererindustrie soll bei der Entwicklung von Zukunftstechnologien ausdrücklich auch gefördert werden. Eine Milliarde Euro stehen hier laut Beschluss für 2020 und 2021 bereit. Ist das angesichts der ausgebliebenen Kaufprämie für Autos mit Verbrennermotor (Benzin und Diesel) zu wenig oder doch viel? „Eine Milliarde Euro sind eine Menge Geld“, ordnet Kirchhoff angesichts immer schwindelerregenderer Zahlen ein. Mit dem Automotive Center Südwestfalen (ACS) verfügt die Sauerländer Zuliefererindustrie bereits über eine Institution, in der sich Unternehmen aus der Region gemeinschaftlich an Zukunftsthemen versuchen. Leichtbau etwa. Der Bund will laut Koalitionsbeschluss „transformationsrelevante Innovationen und regionale Innovationscluster vor allem der Zuliefererindustrie“ fördern. Eine Chance.

50 Milliarden für Zukunft

130 Milliarden Euro umfasst das von der Bundesregierung beschlossene Konjunkturpaket insgesamt.

Über 50 Milliarden Euro sollen für das „Zukunftspaket“ zur Verfügung stehen.

Drunter fallen Forschungsanreize ebenso wie die Erhöhung der E-Mobilitätsprämie und ein Flottentauschprogramm für Handwerker und KMU (kleine und mittelgroße Unternehmen) für E-Fahrzeuge bis 7,5 t sowie der Ausbau von Infrastruktur für die E-Mobilität.

Auch die „Nationale Wasserstoffstrategie“ (7 Milliarden Euro) ist hier aufgeführt.

Außerdem soll aus diesem Topf die Förderung für die Megathemen Digitalisierung (inklusive Breitbandausbau und 5G) und Künstliche Intelligenz finanziert werden.

Transformationsrelevant kann Entwicklungen hin zur Klimaneutralität wie auch Fortschritte bei der Digitalisierung meinen. „Wir haben hier gute Voraussetzungen mit unserer Hochschullandschaft und dem ACS“, sagt der Unternehmer Kirchhoff, der gespannt auf die Detailbedingungen zum Konjunkturpaket wartet, die in den kommenden Tagen vorliegen müssten.

Der NRW-Arbeitgeberpräsident gibt sich optimistisch, dass das Paket insgesamt funktionieren kann. Zweifel hat Kirchhoff jedoch, ob die Konsum-Anreize über die Senkung der Mehrwertsteuer ausreichen werden. „Und eins kann ich sagen: Es gibt eine riesen Aufregung über die Mehrwertsteuer.“ Mit der vorübergehenden Senkung und Ende des Jahres Wiederanhebung des Steuersatzes ist ein immenser bürokratischer Aufwand verbunden, der innerhalb von drei Wochen kaum zu bewältigen sei. Das betreffe nicht nur die Preisschilder im Supermarkt, sondern alle Handelsbeziehungen und auch alle Unternehmensbeziehungen, also das „B to B“-Geschäft.

Juli und August abwarten

Unterläuft einem Unternehmen hier ein Fehler, ist das möglicherweise sogar Betrug – also ein Straftatbestand.

Vielleicht wäre es also doch einfacher gewesen „Gutscheine zu verteilen“, sagt Kirchhoff und zählt dazu auch die Kaufprämie für Autos. Von der Förderung für Elektromobilität hätten 95 Prozent der Arbeitnehmer „nichts“. Ob das Paket also das Richtige ist, um wieder auf den Wachstumspfad zu kommen, scheint keineswegs sicher zu sein. „Wir müssen den Juli abwarten, vielleicht auch den August“, rät Kirchhoff zu etwas Geduld.