Ruhrgebiet. Die NRW-Gastronomie steckt in der Corona-Krise. Keine vier Wochen nach Lockerungen für Kneipen und Restaurants machen die ersten schon wieder zu.
Wärme, sie brauchen Wärme. Am besten mit Sonne, auf jeden Fall aber trocken. „Bei gutem Wetter geht es im Gastronomie-Außenbereich ganz gut“, sagt Christian Bickelbacher, der in Bochum gleich fünf Restaurants betreibt. Aber „ganz gut“ ist für viele Wirte nicht genug. Keine vier Wochen, nachdem Kneipen und Restaurants wieder öffnen dürfen, machen die ersten wieder zu.
Keine Events, eingeschränkter Restaurantbetrieb – unter den derzeitigen Bedingungen, bedauert etwa das Jagdhaus Schellenberg in Essen, könne man kein „wirtschaftlich vertretbares Angebot machen. Deshalb bleibe das Restaurant im Jagdhaus „bis auf weiteres geschlossen“, nur im Biergarten geht der Betrieb weiter.
Mittagstisch fällt aus - viele arbeiten noch im Homeoffice
Auch die zur muto Gmbh gehörende Schürmanns Hafenkantine am Phoenixsee in Dortmund hat nach dreiwöchiger Öffnung die Schotten wieder dicht gemacht. „Die meisten Büros in der Gegend sind noch immer nicht wieder besetzt“, weiß Jan Möller, einer der Inhaber. „Die Mitarbeiter sind im Homeoffice.“ Und kommen deshalb mittags auch nicht zum Essen.
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Mit etwa 40 Prozent der normalen Umsätze aber lassen sich die voll hochgefahrenen Betriebskosten bei Weitem nicht einspielen. Von den Kosten durch die verschärften Hygieneauflagen ganz zu schweigen. Ständiges Desinfizieren, die Kundschaft an den Tisch führen – „schon der Personalbedarf ist ja viel höher“, gibt Möller zu bedenken.
Nach der Wiederöffnung höhere Verluste als während des Corona-Lockdowns
„Es lohnt sich nicht“, ist trotzdem ein Satz, der ihm nur schwer über die Lippen kommt. „Da entsteht schnell ein falscher Eindruck. Aber es gehe nicht darum wie viel man verdiene, sondern wie viel man täglich verliere. „Es klingt vielleicht komisch, aber in diesem Modus machen wir noch deutlich mehr Verluste, als während des Lockdowns.“
Das ist kein Einzelfall. „85 Prozent aller Betriebe arbeiten derzeit nicht wirtschaftlich“, weiß Thorsten Hellwig, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga NRW) aus einer aktuellen Umfrage. Mindestens 70 Prozent des normalen Umsatzes seien nötig, um über die Runden zu kommen. „Aber drei Viertel der Betriebe haben derzeit weniger als 50 Prozent. Manche liegen sogar bei 20 oder 30 Prozent.“ Ohne weitere staatliche Hilfe, ist der Verband überzeugt, „werden viele Betriebe diese Krise nicht überleben“.
Bochumer Gastronom: Keine Chance ohne Außengastronomie
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Auch Christian Bickelbacher hält die Lage für „katastrophal“. Wer keine vernünftige Außengastronomie hat, hat keine Chance“, fürchtet er. Und wer eine hat, muss auf einen guten Sommer hoffen. „Viele Menschen tun sich noch schwer damit, wieder in ein Restaurant hinein zu gehen“, sagt Hellwig. „Drinnen ist oft kaum was los“, bestätigt Bickelbacher und kann das verstehen. „Mit all den Regeln macht das Essen gehen noch nicht richtig Spaß.“
Konjunkturhilfe
Dehoga-Präsident Guido Zöllick sieht im Konjunkturpaket der Bundesregierung „wichtige Impulse“ wie die Senkung der Mehrwertsteuer und die Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge auf 40 Prozent.
Die geplanten Summen für Überbrückungshilfen seien aus seiner Sicht jedoch zu gering
Draußen dagegen werde der Platz wegen der reduzierten Sitzzahlen vor allem am Wochenende schon mal knapp. „Aber wer kommt, ist happy.“ Und gibt sogar ein wenig mehr aus, als üblich. „Der Pro-Kopf-Umsatz ist leicht gestiegen.“
„Man muss seine Zahlen im Griff haben“
„Draußen ist die Lage entspannter, weiß auch Hellwig. Nur nicht für die Kellner und Kellnerinnen. Bei höheren Temperaturen, hat Bickelbacher an den schönen Tagen Ende Mai erlebt, „führt das bei den Bedienungen teilweise zu ernsthaften Erschöpfungszuständen“.
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Allen Problemen zum Trotz haben weder Möller noch Bickelbacher die Hoffnung aufgegeben. Bickelbacher, der seit 30 Jahren in der Gastronomie arbeitet und alle seine Lokale bisher geöffnet hält, nimmt dabei auch die Wirte selber in die Pflicht. „Einfach öffnen und sehen, was passiert wird nicht funktionieren. Man muss seine Zahlen im Griff haben.“ Kurzarbeit anmelden, staatliche Hilfen beantragen, „wenn alles optimal läuft, komme ich Ende des Jahres plus minus null raus“.
2020 wird ein „brutal hartes Jahr“ für die Gastro-Branche
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„Die Zahlen sprechen dagegen, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir es irgendwie schaffen werden“, sagt Möller, warnt aber auch: „Kredite alleine werden nicht lange helfen.“ Um die zurück zu zahlen, müssten die Restaurants ja mittelfristig mehr Umsatz machen. „Dabei wären wir ja schon froh, wenn wir an die Zahlen der Vorjahre herankommen würden.“
Aber das wird schwierig, selbst wenn die Auflagen irgendwann mal fallen. „Zur Sorge um die Gesundheit kommen bei vielen Menschen ja auch wirtschaftliche Sorgen“, gibt Dehoga-Sprecher Hellwig zu bedenken. „Wer von Kurzarbeit oder Kündigung bedroht oder betroffen ist, geht nicht essen.“
Das sieht Christian Bickelbacher ähnlich. „Es wird“, ahnt der Bochumer Wirt, „ein brutal hartes Jahr für unsere Branche.“