Essen. Die Lage bei Thyssenkrupp ist ernst. Am 18. Mai tagt der Aufsichtsrat. Konzernchefin Merz will wegen der Corona-Krise schneller Kosten senken.

Vor einer wichtigen Aufsichtsratssitzung betont Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz den Ernst der Lage. In einem Schreiben an die Mitarbeiter des Unternehmens kündigt Merz an, die geplanten Einsparungen und Einschnitte im Konzern müssten wegen der Corona-Krise schneller als bisher erwartet kommen. „Die Restrukturierungen, die Kostensenkungen, aber vor allem auch die Maßnahmen im Hinblick auf Umsatzwachstum, die wir in den nächsten zwei bis drei Jahren abarbeiten wollten, müssen wir wegen Corona deutlich schneller hinbekommen“, schreibt Merz in einem konzerninternen Newsletter, der unserer Redaktion vorliegt.

Nach der Unterschrift Anfang März zum Verkauf der Thyssenkrupp-Aufzugsparte für mehr als 17 Milliarden Euro hatte Martina Merz angekündigt, im Mai wolle das Management über die konkrete Mittelverwendung entscheiden, unter anderem in der Stahlsparte. Nun dämpft die Konzernchefin die Erwartungen. „Je länger Corona dauert, umso mehr werden die Mittel aus der Elevator-Transaktion aufgezehrt“, erklärt Merz. „Damit werden unsere Spielräume für Investitionen in die Zukunft kleiner.“ Dies solle auch Thema einer Sitzung des Thyssenkrupp-Aufsichtsrats am 18. Mai sein. Das Management arbeite gerade an „Lösungen und Optionen“.

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Die ohnehin schwierige wirtschaftliche Lage bei Thyssenkrupp werde durch Corona „erheblich verschärft“, führt Merz aus. „Das Unternehmen befindet sich in einer ernsten Situation. Dem müssen wir gerecht werden. Es hilft nicht, darauf zu warten, dass es von alleine besser wird. Wie die meisten anderen Unternehmen auch müssen wir alles dafür tun, Mittelabflüsse aus dem Unternehmen – wo es nur geht – zu vermeiden.“

Thyssenkrupp-Chefin dämpft die Erwartungen

Die Corona-Pandemie habe „ganz erhebliche Auswirkungen“ auf das Geschäft von Thyssenkrupp, berichtet Merz. „Da ist es wichtig, dass sich niemand ein falsches Bild der Situation macht.“ Zwischenzeitlich hatten große Stahlabnehmer wie der Autobauer VW ihre Werke stillgelegt. Mittlerweile fahren die Kunden ihre Produktion langsam wieder hoch. „Wir hoffen natürlich wie alle, dass die Nachfrage sich möglichst schnell wieder erholt“, sagt Thyssenkrupp-Chefin Merz dazu. „Aber aktuell bin ich da skeptisch. Leider ist noch sehr offen, wann und wie sich die Lage normalisiert – und auf welchem Niveau die Nachfrage nach der Krise sein wird. Wir müssen uns daher zu Realismus zwingen und schlicht auf Sicht fahren.“

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Aktuell sind mehr als 30.000 Mitarbeiter von Thyssenkrupp weltweit in Kurzarbeit oder in einem vergleichbaren Status. Die Zahl werde in den kommenden Wochen voraussichtlich noch zunehmen, hatte Merz vor wenigen Tagen erklärt.

Der Erlös aus dem Verkauf der Thyssenkrupp-Aufzugsparte, in der mehr als 50.000 Mitarbeiter beschäftigt sind, werde erst im Sommer beim Unternehmen ankommen, erklärt Merz. „Aber bis dahin haben wir wegen Corona erhebliche Liquiditätsabflüsse“, so die Vorstandschefin. „Und deshalb haben wir – wie auch zahlreiche andere große Unternehmen in Deutschland – mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau, einer staatlichen Bank, Gespräche über weitere Mittel geführt. Denn wir wissen eben nicht, wie die Corona-Krise sich weiterentwickelt.“

Fortschritte laut Konzernchefin „noch lange nicht ausreichend“

Am Dienstag präsentiert Thyssenkrupp den Zwischenbericht für das erste Halbjahr des Geschäftsjahres 2019/2020. Der neue Finanzchef Klaus Keysberg will sich dann in einer Telefonkonferenz zu Wort melden. An den Zahlen wird sich ablesen lassen, wie brenzlig die Lage bei Thyssenkrupp ist.

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In allen Einheiten von Thyssenkrupp müsse die Leistungsfähigkeit gestärkt werden, mahnt Merz in dem Schreiben an die Mitarbeiter. Sie spricht davon, dass die „Performance“ des Unternehmens „noch schneller besser werden“ müsse. „Die Fortschritte in den Geschäften sind bisher sehr unterschiedlich. Und – ganz ehrlich – in Summe noch lange nicht ausreichend. Wenn wir da unser Niveau nicht zügig und erheblich verbessern, dann helfen uns alle bisher gemachten Fortschritte nichts.“