Essen. Handel und NRW-Wirtschaftsminister wollen Läden sonntags öffnen, um Folgen der Corona-Krise zu überwinden. Warum Verdi so strikt dagegen ist.
In den Innenstädten und Einkaufszentren kehrt das Leben zurück. Nach fünfwöchigem Shutdown haben die meisten Läden wieder geöffnet. Nicht nur das so wichtige Ostergeschäft ist ihnen wegen der Corona-Pandemie weggebrochen. Um die Kassen wieder zu füllen, wird der Ruf des Einzelhandels immer lauter, die Geschäfte auch sonntags öffnen zu öffnen. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) zeigt sich für diesen umstrittenen Vorstoß offen.
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Die Zahlen sind alarmierend: Der Handelsverband Deutschland sieht wegen der Krise bis zu 50.000 Händler bedroht. Während des Shutdowns seien ihm 30 Milliarden Umsatz weggebrochen. Seit gut einer Woche dürfen Geschäfte auf kleinerer Fläche wieder öffnen. Eine Blitzumfrage des Handelsverbands NRW ergab, dass fast die Hälfte der Betriebe (45 Prozent) in diesen Tagen nur bis zu 40 Prozent des Vorjahresumsatzes erreicht haben. Immerhin jeder fünfte Ladenbetreiber (21 Prozent) gab an, so viel oder gar mehr als vor einem Jahr erlöst zu haben.
Konsumstimmung kommt nicht in Gang
„Verständlicherweise verharrt die Konsumstimmung in der Bevölkerung auf sehr niedrigem Niveau“, meint Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands NRW. Seine Branche findet es allerdings auch „diskriminierend“, dass die Läden nur auf maximal 800 Quadratmetern verkaufen würden. In Bayern hat ein Gericht die Regelung für verfassungswidrig erklärt, in NRW steht der Richterspruch noch aus.
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Um wieder Schwung in den Handel zu bringen, hat der Verband vorgeschlagen, bis Jahresende die Geschäfte auch sonntags zu öffnen. Im WAZ-Interview hatte Michael Busch, Chef von Deutschlands größtem Buchhändler Thalia und Mayersche, sogar den Zeitraum bis Ende Januar ins Spiel gebracht. Als erster hochrangiger Politiker äußerte jetzt NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart Sympathie für die Idee. Der Liberale kündigte an, dass die verkaufsoffenen Sonntage, die wegen Corona ausgefallenen sind und noch ausfallen werden, nachgeholt werden sollen – auch ohne Anlass. Denn Stadtfeste und große Events sind wegen der Pandemie bis zum 31. August verboten. Läden dürfen aber nur öffnen, wenn ein besonderer Anlass mehr Menschen in die Städte lockt als die geöffneten Geschäfte selbst.
Widerstand von Verdi
Bei der Gewerkschaft Verdi stößt der Vorstoß erwartungsgemäß auf erbitterten Widerstand. „Der Wunschtraum eines FDP-Wirtschaftsministers, Sonntagsöffnungen ohne Anlassbezug per Gesetz durchzudrücken, wird auch diesmal scheitern, weil das Grundgesetz nicht einfach ausgehebelt werden kann“, sagte Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger unserer Redaktion. „Die Corona-Krise wird jetzt missbraucht, alten, sauren Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen.“
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Nutzenberger warnt vor einem Dammbruch: „Denn wer will zum Beispiel den Onlinehändlern mit Amazon an der Spitze, den Paketdiensten, Banken und Versicherungen die Sonntagsarbeit verweigern, wenn sie dem Einzelhandel zugestanden wird?“, fragt sie und fordert, dass der Schutz der Beschäftigten oberste Priorität haben müsse. „Ein Mund- und Nasenschutz ist Beruhigung für die Kunden, reicht aber bei weitem nicht aus, um die Beschäftigten im Einzelhandel ausreichend vor Ansteckung zu schützen“, so Nutzenberger.
Die Ausbreitung des Coronavirus treibt auch Verdi in NRW um: „Angesichts der geringen Freizeitmöglichkeiten könnten Sonntagsöffnungen zu Menschentrauben in den Innenstädten führen. Dies wäre ein völlig unnötiges Infektionsrisiko für die Bevölkerung“, warnt Fachbereichsleiterin Silke Zimmer. Auch ökonomisch seien zusätzliche Sonntagsöffnungen nicht hilfreich: „Der Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Das gilt auch in der Corona-Krise“, so Zimmer.