Walbeck/Essen. Die Corona-Krise trifft die Spargelernte schwer. Wie das die Preise für Endverbraucher verändert und wer besonders mit Einbußen zu rechnen hat.
Ungewohnt ruhig ist es für diese Jahreszeit in den Straßen Walbecks. In dem Dorf am linken Niederrhein tummeln sich ab April für gewöhnlich die Reisegruppen – zur Hochsaison des Spargels. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Dort, wo normalerweise Reisebusse Scharen von spargelhungrigen Touristen absetzen, bangen nun Landwirte und Gastronomen um ihre Existenz.
16 Hektar Spargelfelder bewirtschaftet der Landwirt Stephan Kisters. Diese Mengen ohne Saisonarbeiter abzuernten? Ein Ding der Unmöglichkeit. Kisters hatte „noch Glück im Unglück“, wie er selbst sagt. Von seinen 22 Erntehelfern aus Polen und Rumänien haben immerhin 14 anreisen können. Sie sind noch vor dem Einreiseverbot eingetroffen. Auf die anderen eingeplanten Helfer muss er verzichten – bei den Kisters muss nun auch die Familie ran. „Geht halt nicht anders, da müssen wir jetzt durch“, sagt der Landwirt.
Ernte-Hochphase im Mai steht bevor
Die Bundesregierung hatte Anfang April den Einreisestopp für Erntehelfer aufgehoben und gleichzeitig strenge Auflagen formuliert. So dürfen im April und Mai bundesweit jeweils 40.000 Saisonarbeiter einreisen. Nach aktuellem Stand sind laut dem Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) bundesweit für den April 20.000 und für Mai 8000 osteuropäische Arbeitskräfte angemeldet worden. Die Hochphase der Saisonarbeit liege typischerweise im Mai, erklärt eine Sprecherin des WLV. „Wenn sich die Spargel- und die Erdbeerernte überschneiden, werden die meisten Erntehelfer gebraucht.“ Für den Mai sei mit einem entsprechenden Anstieg zu rechnen.
Sorgen bereitet Landwirt Kisters auch, dass wegen der staatlich angeordneten Schließung von Restaurants in diesem Jahr einer der größten Abnehmer wegfällt. „Wir verkaufen 35 bis 40 Prozent unserer Ernte an die Gastronomie“, sagt Kisters. Dass Wirte und Hoteliers nun kaum noch Spargel kaufen, gebe dem Einzelhandel mehr Macht in der Preispolitik, befürchtet der Landwirt aus dem Spargeldorf. „Mal schauen, was der Einzelhandel macht – ob er diese Situation ausnutzt.“
Regionale Ware unterscheidet sich in Preis und Qualität
Er habe jedenfalls nicht vor, seine Ware zu Dumping-Preisen abzugeben. Im Hofladen biete er das Kilo Spargel in der Saison zu zehn bis zwölf Euro an. Alles darunter sei laut Kisters nicht gerecht – daher appelliert er auch an die Endverbraucher: „Wir brauchen einen fairen Umgang. Natürlich lässt sich Spargel aus regionalem Anbau nicht mit Ware aus Peru vergleichen – weder qualitativ noch preislich.“
Laut der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mit Sitz in Bonn liege der Preis für Spargel im April um 38 Prozent höher als im Vorjahr. Während das Kilo Spargel im bundesweiten Durchschnitt aktuell für 10,11 Euro zu haben ist, zahlte man ein Jahr zuvor mit 7,61 Euro ein Drittel weniger. Unter anderem haben Frostnächte im März dazu geführt, dass der Spargel langsamer gewachsen sei. So haben zu Saisonbeginn nur kleinere Mengen geerntet werden können.
Weniger Spargel auf dem Markt verfügbar
Aber auch der Mangel an Arbeitskräften drehe an der Preisschraube. „Sowohl das verzögerte Wachstum als auch die fehlenden Arbeitskräfte führen aktuell dazu, dass weniger Spargel am Markt zur Verfügung steht als im Vorjahr“, berichten die Experten. Auch andere Gemüsearten, beispielsweise Eissalat oder Broccoli, seien zurzeit teurer, da bei der Ernte ebenfalls Helfer fehlten. In der Regel seien die Preise zu Beginn und zum Ende einer Saison etwas höher, da dann weniger Ware zur Verfügung stehe.
„Die Spargelernte hängt um eine Woche hinterher“, berichtet ein Sprecher der SB-Warenhauskette Real. Derzeit seien die Wachstumsbedingungen allerdings ideal. Für nächste Woche rechne er für den Endverbraucher mit einem Kilopreis von knapp unter zehn Euro, bislang habe sich der Preis bei 12,50 Euro bewegt, so der Real-Sprecher.
Gastronomie: Einnahmen durch Selbstabholer und Lieferdienst
Während die Spargelpreise gestiegen sind, hat sich der Walbecker Gastronom Peter Eyckmann dazu entschieden, seine Preise zu senken. Das familiengeführte Spargel-Restaurant gilt als beliebte Anlaufstelle für Reisegruppen. Doch Einnahmen beschert ihm derzeit nur das, was er an Selbstabholer und per Lieferdienst verkauft. „Ein Tropfen auf dem heißen Stein“, kommentiert Eyckmann.
Die 15 Aushilfen, die bislang in seinem Betrieb gearbeitet haben, hat Peter Eyckmann vorübergehend abgemeldet, die zwei Festangestellten in die Kurzarbeit geschickt. Ähnlich wie beim benachbarten Landwirt hält auch hier nun die Familie die Stellung. Die Spargelsaison geht traditionsgemäß noch bis 24. Juni. Eyckmann hofft, bis dahin noch öffnen zu können. Täglich trudelten Reservierungsanfragen für Mai und Juni ein – der Spargelhunger der Gäste ist augenscheinlich ungebrochen.
Info: Hürden Landwirte für und Erntehelfer
Schätzungen des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes zufolge fallen pro Saisonkraft 1000 Euro an Mehrkosten im Vergleich zu den Vorjahren an. Das liege etwa an der kostspieligen Einhaltung von Hygienemaßnahmen und dem zusätzlichen Aufwand durch nicht ausgelastete Unterkünfte. Zudem sei die Anreise im Flugzeug doppelt so teuer wie die übliche im Bus.
Dass die erlaubte Einreisezahl von Erntehelfern nicht ausgereizt ist, liege womöglich an den strengen Auflagen, vermutet der WLV. Saisonarbeiter aus Osteuropa schrecke die Angst vor einer Ansteckung und die Quarantänepflicht nach der Rückkehr ab.