Bochum/Gelsenkirchen. Sind die Benzinpreise in der Corona-Krise zu hoch? Entsprechende Kritik weist der Chef der Aral-Mutter BP Europa SE, Wolfgang Langhoff, zurück.
In der Corona-Krise sind die Rohölpreise abgestürzt. An Deutschlands Tankstellen ist der Preisverfall allerdings nicht so stark zu spüren. Vorwürfe, die Kraftstoffpreise seien zu hoch, hält der Chef des Aral-Mutterkonzerns BP Europa SE, Wolfgang Langhoff, allerdings für unbegründet. „Selbst wenn ein Liter E10 an der Tankstelle nichts kosten würde, müssten 65,5 Cent Energiesteuer plus 19 Prozent Mehrwertsteuer, also insgesamt rund 78 Cent an Steuern, an den Staat abgeführt werden“, sagt Langhoff im Gespräch mit unserer Redaktion. In unserem Interview geht Langhoff auch auf die schwierige Situation der Tankstellen-Pächter in der Corona-Krise ein. Auf Kurzarbeit am wichtigen BP-Raffineriestandort Gelsenkirchen verzichtet der Konzern bewusst, wie der Manager betont: „Wir haben uns als BP eindeutig dafür entschieden, dass wir die Staatskasse nicht belasten möchten, wenn wir als BP-Gruppe Dividenden zahlen.“ Mit rund 2400 Tankstellen ist die BP-Tochterfirma Aral Marktführer in Deutschland. Geführt wird das Unternehmen aus Bochum, wo rund 800 Menschen in der Verwaltung arbeiten. Hier lesen Sie das Interview mit Wolfgang Langhoff im Wortlaut:
Herr Langhoff, wegen der Corona-Pandemie ist auf Deutschlands Straßen so wenig los wie seit Jahren nicht. Wie stark ist die Krise an den Tankstellen zu spüren?
Langhoff: Die Pandemiesituation in Deutschland stellt alle vor neue Herausforderungen. Das Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens führt auch bei uns zu einer deutlich niedrigeren Nachfrage. Aktuell haben wir bei Aral weiterhin alle rund 2400 Tankstellen geöffnet, wenn auch an 600 Standorten mit leicht eingeschränkten Öffnungszeiten. In der Corona-Krise sind die Tankstellen als Teil der sogenannten kritischen Infrastruktur gefordert, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Und das gelingt uns gut.
Gelten an den Aral-Tankstellen ähnliche Hygiene-Vorschriften wie etwa im Supermarkt?
Langhoff: Das ist durchaus vergleichbar. Beispielsweise gibt es in vielen Tankstellen Plexiglas-Scheiben als Spuckschutz an den Kassen. Das Shop-Geschäft spielt für viele unserer Pächter eine wichtige Rolle. Unsere Partnerschaft mit Rewe zahlt sich hier aus. Wir haben gerade in der Corona-Krise vielerorts die Rolle des Nahversorgers zusätzlich zur sonst üblichen Versorgung für unterwegs übernommen. Corona-bedingt unterliegt unser Sortiment keinerlei Einschränkungen.
Die Rohölpreise sind massiv eingebrochen. Zum ersten Mal in der Wirtschaftsgeschichte hat sich der Preis für Rohöl der US-Sorte WTI sogar zwischenzeitlich ins Negative gedreht. Warum ist dieser Preisverfall an Deutschlands Tankstellen nicht so stark zu spüren?
Langhoff: Die Kraftstoffpreise sind aktuell in Deutschland sehr niedrig. Zu berücksichtigen ist aber, dass Kraftstoffe im Gegensatz zu Rohöl hoch versteuert werden. Außerdem spielt die US-Rohölsorte WTI keine Rolle für den deutschen Markt. Hierzulande kommt es vielmehr auf die Nordseesorte Brent an. Deren Preis hat sich in den vergangenen Wochen stabiler gehalten, dennoch haben wir es mit einer sehr volatilen Situation zu tun.
Das Essener Forschungsinstitut RWI hat ermittelt, der Abstand zwischen Benzin- und Rohölpreisen habe sich während Corona-Krise vergrößert. Müsste der Benzinpreis also niedriger sein?
Langhoff: Selbst wenn ein Liter E10 an der Tankstelle nichts kosten würde, müssten 65,5 Cent Energiesteuer plus 19 Prozent Mehrwertsteuer, also insgesamt rund 78 Cent an Steuern, an den Staat abgeführt werden. Hinzu kommt eine Treibhausgas-Minderungsquote, die zu Beginn des Jahres von vier auf sechs Prozent gesteigert worden ist und damit höhere Kosten verursacht.
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Stellen Sie sich darauf ein, dass die Pandemie noch lange Zeit die Tankstellen-Branche prägen wird?
Langhoff: Sicherlich wird nicht innerhalb kurzer Zeit wieder alles so sein wie bisher. Zu sehen ist aber schon jetzt, dass das öffentliche Leben langsam wieder hochgefahren wird. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es beim Konsum durchaus einen gewissen Nachholeffekt gibt. Bei Urlaubsreisen werden die Menschen künftig wohl häufiger Ziele in Deutschland mit dem Auto ansteuern.
An den bundesweit rund 2400 Aral-Tankstellen sind etwa 25.000 Menschen beschäftigt. Wie hart trifft die Corona-Krise die Pächter, die diese Standorte als selbstständige Unternehmer betreiben?
Langhoff: Sehr unterschiedlich. Das ist unter anderem abhängig davon, wie stark die Tankstellen von Berufspendlern genutzt werden. Wir stehen im engen Austausch mit unseren Tankstellenpartnern und prüfen – wenn nötig – wo wir unterstützen können, etwa indem wir Zahlungsziele verlängern, damit unsere Partner die Durststrecke der Liquidität überwinden können.
Kämpfen einige Aral-Pächter gerade um ihre berufliche Existenz?
Langhoff: Selbstverständlich ist es auch eine extrem herausfordernde Zeit für unsere Tankstellenpartner, die selbstständige Unternehmen sind. Sofern es in unserem Einflussbereich liegt, möchten wir vermeiden, dass unsere Partner in eine Schieflage geraten und agieren entsprechend.
Oft sind es die großen, finanzstarken Konzerne, die als Gewinner aus Krisen hervorgehen. Verschärfen Sie jetzt mit Aral den Wettbewerb um die Preise an der Tankstelle, um sich in der Corona-Krise zu behaupten?
Langhoff: Nein, auf keinen Fall. In dieser Zeit geht es um solidarischen Zusammenhalt, nicht um Gewinner und Verlierer.
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BP beschäftigt in Deutschland rund 4600 Mitarbeiter – davon etwa 2000 in der Raffinerie in Gelsenkirchen. Wie stark trifft die Corona-Krise diesen Standort?
Langhoff: Wir haben uns sehr gut vorbereitet, die Notfallpläne greifen. Derzeit gelten Abstandsregeln, Mehrschicht-Systeme und strengere Eingangskontrollen. Die betrieblichen Abläufe funktionieren. Wir spüren aber eine schwächere Nachfrage und passen die Produktion entsprechend dynamisch an. Insbesondere Flugkraftstoff wird deutlich weniger nachgefragt, da der Flugverkehr in weiten Teilen zum Erliegen gekommen ist. Beim Heizöl hingegen erleben wir eine sehr starke Nachfrage.
Erwägen Sie Kurzarbeit – oder die Inanspruchnahme anderer staatlicher Hilfen?
Langhoff: Wir haben uns als BP eindeutig dafür entschieden, dass wir die Staatskasse nicht belasten möchten, wenn wir als BP-Gruppe Dividenden zahlen. Daher haben wir uns auch entschlossen, keine
Kurzarbeit zu beantragen. Wir planen aus heutiger Sicht auch keinen Stellenabbau wegen Corona. Wir möchten diese schwierige Zeit solidarisch mit unseren Beschäftigten durchstehen.
Vor Beginn der Corona-Krise hat BP-Chef Bernard Looney betont, der Konzern müsse sich neu erfinden und den Ausstoß von Kohlendioxid senken. Wird die Pandemie die Diskussion über den Klimaschutz im Ölkonzern BP verändern?
Langhoff: Wir sind ja schon lange kein reines Ölunternehmen mehr. In der aktuellen Situation stimmen wir uns eng mit Bernard Looney ab – unter anderem in regelmäßigen Videokonferenzen. Natürlich überschattet die Ausbreitung des Coronavirus die Weltwirtschaft, aber es bleibt bei unseren Zielen, bis 2050 oder früher klimaneutral zu sein und schrittweise die Investitionen in alternative Geschäftsbereiche, abseits von Öl- und Gasaktivitäten, zu steigern. Der Umbau von BP als Energiekonzern geht weiter.