Leverkusen. Bayer spendet acht Millionen Tabletten des Malaria-Mittels Chloroquin, das Trump „Geschenk Gottes“ nennt. Einsatz gegen Covid-19 in der Testphase.

Ob es ein „Geschenk Gottes“ ist, wie US-Präsident Donald Trump meint, bezweifeln Virologen. Zunächst ist es ein Geschenk von Bayer an die Bundesregierung: Der Pharmakonzern spendet Deutschland acht Millionen Tabletten Chloroquin. Es ist eine der vier etablierten Arzneimittelgruppen, deren mögliche Wirksamkeit gegen Covid-19 weltweit getestet wird. Ärzte in China und Frankreich haben das Malaria-Mittel bei Corona-Patienten eingesetzt und positive Erfahrungen gemacht. Von einem Durchbruch redet bisher aber nur Trump.

Bayer will Kapazitäten in Europa schaffen

Bayer selbst gab sich noch Ende Februar zurückhaltend. Bei der Bilanzpressekonferenz sagte Stefan Oelrich, Chef der Arzneimittelsparte, die ersten Erfolge in China seien „noch mit Vorsicht zu genießen“. An ein Hochfahren der Chloroquin-Produktion dachte Bayer seinerzeit nicht, entsprechende Journalistenfragen wurden ausweichend beantwortet mit dem Hinweis, es gebe inzwischen viele weitere Hersteller und bereits Nachahmer-Präparate (Generika). Inzwischen klingt das ganz anders in Leverkusen: Bayer prüft, Chloroquin nun auch an zwei Standorten in Europa zu produzieren, sagte ein Konzernsprecher unserer Redaktion.

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Wo und wann die Produktion in Europa hochgefahren werde, hänge davon ab, ob sich die Wirksamkeit gegen Covid-19 in den laufenden Studien bestätige. Die Weltgesundheitsorganisation WHO lässt neben dem Malaria-Mittel Chloroquin etwa auch HIV-Präparate und MS-Mittel darauf darauf testen, ob sie auch gegen das neue Coronavirus helfen. Klinische Studien dazu finden in Europa derzeit in England, Spanien, Frankreich und Deutschland statt, hier in Tübingen. Der Vorteil eines solchen „Zufallstreffers“ erwünschter Nebenwirkungen liegt auf der Hand: Eine Erweiterung der Zulassung auf ein anderes Anwendungsgebiet ginge deutlich schneller als die Entwicklung ganz neuer Arzneien.

Bayer wollte Produktion eigentlich einstellen

Chloroquin stellt Bayer seit 1934 her. Die letzte Fabrik steht in Pakistan und Bayer wollte auch sie eigentlich schließen, weil sich das Malaria-Mittel nicht mehr gut verkaufte. Das hat sich nun schlagartig geändert: Für China und die USA haben die Deutschen noch Sonderchargen in Pakistan produzieren lassen, die pakistanischen Behörden tun sich aber zunehmend schwer damit, weitere Ausfuhren zu genehmigen. Dem Vernehmen nach, weil sie sich den Hoffnungsträger fürs eigene Land sichern wollen. Die acht Millionen Tabletten für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) musste Bayer selbst bei einem chinesischen Hersteller zukaufen, heißt es aus dem Konzern.

In China und Frankreich wurde Chloroquin an Corona-Patienten getestet, allerdings noch in überschaubarem Rahmen. Demnach kann es die Vermehrung der Covid-19-Viren verlangsamen. „Sollten sich diese Erkenntnisse in weiteren Studien bestätigen, werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, durch Bereitstellung von Produktionskapazitäten für Chloroquin in Europa ausreichende Mengen des Medikaments herzustellen“, sagte nun Bayer-Chef Werner Baumann. Bayer werde das Mittel ausschließlich für das Gemeinwohl produzieren und in der Krise kostenlos an Regierungen abgeben, betonte Baumann. Sein Konzern leidet unter dem Imageschaden durch das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat. In den USA laufen Tausende Klagen wegen des Verdachts, Glyphosat habe bei Anwendern Krebs ausgelöst.

Zwei Todesfälle in den USA nach Trumps Werbung

US-Präsident Donald Trump  bei der Pressekonferenz der Corona-Taskforce, auf der er forderte, Chloroquin sofort auch gegen das Virus Covid-19 einzusetzen.
US-Präsident Donald Trump bei der Pressekonferenz der Corona-Taskforce, auf der er forderte, Chloroquin sofort auch gegen das Virus Covid-19 einzusetzen. © dpa | Patrick Semansky

Dass die Anwendung für Covid-19-Patienten zuerst getestet und zugelassen werden muss, ist Arzneimittel-rechtlicher Standard – aber nichts für die Ungeduld des US-Präsidenten: Trump pries Chloroquin und das eng verwandte Novartis-Mittel Hydroxychloroquin unlängst als „Geschenk Gottes“ im Kampf gegen Corona. Er forderte, es sofort einzusetzen und fragte: „Was haben wir zu verlieren?“ Wenn es nicht so laufe wie geplant, werde das Mittel ja schon „niemanden töten“, sagte Trump in einer Pressekonferenz der amerikanischen Corona-Taskforsk.

Das brachte ihm harsche Kritik aus der Wissenschaft ein – hielt viele Amerikaner aber nicht davon ab, sich das Mittel zu besorgen. Und manche kamen auf noch dümmere Gedanken: Zwei Männer starben laut NBC News, nachdem sie Chloroquinphosphat schluckten. Das klingt so ähnlich wie das Malariamittel, taugt aber nur zur Reinigung von Aquarien.

Überdosis kann lebensgefährlich sein

Auch das echte, medizinisch eingesetzte Chloroquin kann erhebliche Nebenwirkungen haben, vor allem Übelkeit und Durchfall. Nachdem Ärzte es in China eingesetzt und von seiner Wirksamkeit berichtet haben, kauften auch Chinesen das Mittel online, eine Frau landete nach einer Überdosis auf der Intensivstation, wie das US-Magazin Fortune berichtete. Auch die Ärzte hätten festgestellt, dass die Dosierung heikel ist. Deshalb testen sie die Wirksamkeit in China derzeit nur noch an Patienten ohne Vorerkrankungen, die nicht älter als 65 Jahre sind und mindestens 50 Kilogramm wiegen.

Bayer selbst betont, Chloroquin könne als verschreibungspflichtiges Medikament „bei unsachgemäßer Einnahme gesundheitliche Schäden verursachen“ und dürfe „ausschließlich unter medizinischer Aufsicht eingenommen werden“. Deshalb gebe der Konzern seine Chloroquin-Spenden auch „nur an staatliche Stellen sowie zur Durchführung von klinischen Studien ab“.