Leverkusen. Bayer legt gute Zahlen für 2019 vor. Doch alte Risiken durch Glyphosat-Klagen wachsen weiter – und neue kommen hinzu, auch durch Corona.

Eine Sorge ist Bayer vor der Präsentation seiner Jahresbilanz losgeworden: Die Mitarbeiterin im Leverkusener Chemiepark, bei der Verdacht auf Corona bestand, hat sich doch nicht mit dem neuartigen Virus infiziert, bestätigte der Konzern am Donnerstag. Tatsächlich habe man lange diskutiert, ob die Bilanzpressekonferenz überhaupt wie gewohnt stattfinden solle, sich letztlich aufgrund der Einschätzungen der Behörden aber doch dazu entschieden.

Die Unsicherheit, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die Epidemie noch zeitigen wird, stehen auch als Fragezeichen über der bislang sehr positiven Prognose für das laufende Geschäftsjahr. Mögliche negative Folgen der sich ausbreitenden Corona-Epidemie hat Bayer hier noch nicht berücksichtigt, kann dies freilich nicht ausschließen. Wohl deshalb und natürlich auch wegen der weiter gestiegenen Zahl an Glyphosat-Klagen in den USA sackte der Kurs der Bayer-Aktie ab, allerdings nicht mehr als die anderer Dax-Konzerne auch. Ob und wann es zu Medikamenten-Engpässen von Bayer-Arzneien kommen könne, konnte Konzernchef Werner Baumann nicht sagen. Er räumte ein, von Vorprodukten auch aus China abhängig zu sein, ab wann das zu einem Problem werden könne, lasse sich aber nicht abschätzen.

Malaria-Mittel könnte gegen Corona-Virus wirken

Dass Bayer mit eigenen Präparaten Entscheidendes zum Kampf gegen das Corona-Virus beitragen und damit sogar profitieren könnte, ist derzeit ebenfalls nicht zu erwarten. Stefan Oelrich, Chef der Arzneimittelsparte, bestätigte aber, dass ein altes Bayer-Präparat gegen Malaria sich in einer chinesischen Klinik-Studie als wirksam bei der Behandlung von Corona-Patienten erwiesen habe. Das sei aber „noch mit Vorsicht zu genießen“, betonte Oelrich. Bayer will die Produktion des Präparats „Resochin“ in Pakistan einstellen, man habe dort nur noch „eine Sondercharge“ produziert und nach China geliefert. Künftig werde der Wirkstoff aber von Generika-Herstellern reproduziert.

Das Bayer-Werk in Leverkusen.
Das Bayer-Werk in Leverkusen. © dpa | Oliver Berg

Bayer selbst suche derzeit nach Zufallstreffern, ob vorhandene Mittel, die für andere Anwendungen zugelassen sind, auch gegen Corona wirken könnten. Hier habe die künstliche Intelligenz, also der Computer, tatsächlich erste Treffer erzielt, sagte Oelrich, der aber weder ins Detail gehen noch allzu große Hoffnungen wecken wollte. Bayer sei hier „im ständigen Austausch mit den Behörden“, ließ er lediglich wissen.

Gute Jahresbilanz, schwieriger Ausblick

Für 2019 konnte Vorstandschef Baumann eine ordentliche Bilanz vorlegen, Bayer steigerte seinen bereinigten Umsatz um 3,5 Prozent auf rund 43,5 Milliarden Euro und seinen operativen Gewinn (Ebitda) um 28 Prozent auf 11,5 Milliarden Euro. Unterm Strich blieben 4,1 Milliarden Euro übrig, der Gewinnsprung geht zu großen Teilen auf den Verkauf des Chemiepark-Dienstleisters Currenta zurück, der netto 1,6 Milliarden Euro brachte. „Wir haben geliefert“, betonte Baumann mehrfach. Auch der angekündigte Verkauf der Tiermedizinsparte Animal Health für 7,6 Milliarden Euro an den US-Konzern Elanco sei auf dem Weg. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet Bayer drei bis vier Prozent Umsatzwachstum, der operative Gewinn soll um sieben bis neun Prozent steigen.

Das Mittel Roundup, das auf Glyphosat basiert, wird in etlichen Klagen für die Krebserkrankung der Kläger verantwortlich gemacht.
Das Mittel Roundup, das auf Glyphosat basiert, wird in etlichen Klagen für die Krebserkrankung der Kläger verantwortlich gemacht. © dpa | Haven Daley

Die größten Sorgen bereitet Bayer nach wie vor der vor anderthalb Jahren übernommene US-Saatgutriese Monsanto. Aufgrund des Verdachts, das Mittel Glyphosat könne bei Menschen, die es angewendet haben, Krebs ausgelöst haben, sind in den USA inzwischen 48.600 Klagen anhängig – das sind noch einmal 6000 mehr als im vergangenen Herbst. Ob und wie die Klagewelle beendet werden kann, ist weiter offen. Baumann betonte erneut, die drei Urteile zu Ungunsten von Bayer seien nicht rechtskräftig und Bayer werde notfalls bis in die letzten Instanzen gehen, um sich zu wehren.

Lieber wäre ihm wahrscheinlich eine vorzeitige, gütliche Einigung mit den Klägern. Dazu läuft ein Mediationsverfahren, von dem es heißt, für rund zehn Milliarden Euro könnte Bayer eine Einigung erzielen und die Rechtsrisiken durch Glyphosat beseitigen. Baumann nannte zu diesen „Marktspekulationen“ unter Verweis auf die laufenden Verhandlungen keinerlei Details. Bayer lasse sich hier auch nicht unter Zeitdruck setzen, sondern verhandle „solange, bis es ein für uns akzeptables Ergebnis“ gebe.

Nächste Klagewelle droht wegen Dicambra

Nun droht jedoch bereits die nächste Klagewelle in den USA, wieder wegen eines Unkrautvernichters von Monsanto: Eine Geschworenen-Jury im US-Bundesstaat Missouri hat Bayer und BASF zu einer Gesamtstrafe von 265 Millionen US-Dollar verurteilt. Beide vertreiben Produkte, die auf dem Unkrautmittel Dicambra basieren. Ihren Einsatz auf benachbarten Feldern macht ein Pfirsichbauer für seine Ernteausfälle verantwortlich. Neben diesem gibt es noch mehr als 100 weitere Klagen, heißt es. Auch dieses Urteil wird Bayer anfechten, betonte Baumann, es seien „keine qualifizierten Beweise“ vorgelegt worden, dass Dicamba für die Ernteverluste verantwortlich sei.

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Das Image von Bayer habe natürlich durch die Glyphosat-Klagen gelitten, räumte Baumann auf eine entsprechende Frage ein, man messe die eigene Reputation regelmäßig. Sie sei allerdings vor allem in Deutschland und Frankreich gesunken, betont Baumann. Die Imagewerte selbst in den USA seien dagegen zuletzt immerhin stabil geblieben und in China sogar gestiegen, sagte der Konzernchef.