Essen. In der heißen Phase der Corona-Krise ist Karstadt-Chef Fanderl nicht an Bord. Insider glauben, er kehre nicht zurück. Verdi kritisiert Banken.

Dem Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof drohen einschneidende Veränderungen in der Corona-Krise: Nach dem Gang zum Essener Amtsgericht und dem Antrag auf ein Schutzschirmverfahren deutet sich nun offenbar auch ein Wechsel an der Spitze an: Karstadt-Chef Stephan Fanderl sei nach der Zuspitzung der Krise durch die Zwangsschließung der Kaufhäuser abgetaucht, sagten mehrere Insider aus dem Umfeld des Unternehmens unserer Zeitung. Sie zweifeln daran, dass er wiederkehrt.

Finanzchef Müllenbach geht zurzeit voran

Auch das Magazin „Capital“ berichtet, es werde im Unternehmen damit gerechnet, dass Fanderl nicht aus seinem aktuellen Urlaub ins Unternehmen zurückkehre. Die Umstände des sich abzeichnenden Führungswechsel bleiben bisher nebulös. Auffällig war zuletzt, dass stets Finanzchef Miguel Müllenbach die anstehenden einschneidenden Schritte kommentierte und nicht Fanderl. Man werde „unter dem Schutzschirm alles dafür tun, dass wir diesen Weg weitergehen können“, sagte Müllenbach am Mittwoch mit Blick auf die laufende Zusammenführung der Warenhaus-Ketten Karstadt und Kaufhof. Und er fügte kämpferisch an: „Das werden wir auch schaffen!“ Dass in der größten Krise des Unternehmens seit der Insolvenz 2009 der Vorstandsvorsitzende nicht auf der Brücke steht, ist mehr als ungewöhnlich.

Auch interessant

Der vom Amtsgericht Essen bereits genehmigte Antrag auf Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens ist die letzte Möglichkeit, ein Insolvenzverfahren abzuwenden. Dieses Verfahren wurde 2012 eingeführt, um Unternehmen, die in großen Schwierigkeiten stecken, aber noch nicht zahlungsunfähig sind, durch Krisen zu retten. Klares Ziel ist es, die Sanierung zu erleichtern. Im Schutzschirmverfahren kann das Management in Eigenregie die Geschäfte weiterführen, muss gleichwohl einen Insolvenzplan mit den Gläubigern aushandeln. Währenddessen ist das Unternehmen vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt.

Staatlicher Rettungsschirm funktionierte nicht

Das ist für Karstadt aktuell von entscheidender Bedeutung. Denn nach Zwangsschließung der Warenhäuser gibt es so gut wie keine Einnahmen mehr, das kostet eigenen Angaben zufolge 80 Millionen Euro pro Woche. Die Personalkosten hat das Unternehmen durch flächendeckende Kurzarbeit fast aller der rund 28.000 Beschäftigten bereits minimiert, dazu die Zahlungen der Mieten sowohl für die Filialen als auch für die Konzernzentrale in Essen gestoppt. Nun wollte der Konzern eigentlich unter den staatlichen Rettungsschirm, doch die Verhandlungen mit den Hausbanken dazu seien zu langwierig gewesen, hieß es am Mittwoch.

Die Gewerkschaft Verdi kritisiert, dass die versprochene Staatshilfe nicht ankommt: „Durch die anscheinend zu langen Prüfverfahren ist die Vorgehensweise der Banken kritisch zu betrachten, da hierdurch das für Galeria dringend notwendige Kapital nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt wurde“, sagte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Und weitet ihre Sorgen auf die gesamte Branche aus: „Die von der Bundesregierung zur Unterstützung der Unternehmen angekündigten Mittel scheinen zu unüberwindbaren Hürden für Handelsunternehmen zu werden.“

Auch interessant

Auch im Schutzschirmverfahren kann das Karstadt-Management nicht mehr durchregieren. Es gibt zwar keinen vorläufigen Insolvenzverwalter, aber Finanzchef Müllenbach stehen nun zwei renommierte Insolvenzrechtler zur Seite: Arndt Geiwitz als Generalbevollmächtigter und der Düsseldorfer Anwalt Frank Kebekus als Sachwalter. Unter ihrer Aufsicht muss das Karstadt-Management nach Eröffnung des Verfahrens binnen drei Monaten einen Sanierungsplan ausarbeiten, der aufzeigt, wie das Unternehmen eine Insolvenz vermeiden kann.

Benko schießt 140 Millionen Euro nach

Das wird auch deshalb eine höchst komplexe Aufgabe, da die Dauer des Shutdowns in Deutschland dafür von elementarer Bedeutung sein wird. Denn auch nach Aussagen aus dem Arbeitnehmerlager war Galeria Karstadt Kaufhof vor dem Ausbruch der Corona-Krise eigentlich auf einem guten Weg, griffen die Synergien bereits. Das betont auch Müllenbach in der Mitteilung zum Schutzschirmverfahren. Bei der Integration des früheren Rivalen Kaufhof habe man „in wenigen Monaten enorme Fortschritte erzielt“, erklärte der Finanzchef. „Wir haben uns dieser historischen Aufgabe gestellt und sehr hart daran gearbeitet, dem Warenhaus in der deutschen Innenstadt eine langfristige Zukunft zu geben.“

Das Unternehmen sei „durch die Beiträge unseres Gesellschafters de facto schuldenfrei“, fügte Müllenbach an. Der Gesellschafter Signa des österreichischen Milliardärs René Benko habe in den letzten Monaten bereits mehr als 500 Millionen Euro investiert. Im Lichte der sich zuspitzenden Corona-Krise habe Benko zudem in dieser Woche „noch einmal weitere 140 Millionen Euro überwiesen“.

Verdi fordert Einbindung

Verdi-Vorständin Nutzenberger fordert von Karstadt nun „eine enge Einbindung der Beschäftigten, der Betriebsräte und ihrer Gewerkschaft“. In der Vergangenheit sei „ihre Erfahrung und die ihrer Gewerkschaft zu oft ignoriert“, worden, kritisiert sie. Die Beschäftigten seien von der Ankündigung eines Schutzschirmverfahrens überrascht worden.