Düsseldorf. Das breite Waren-Sortiment galt lange als wirtschaftlicher Hemmschuh für Metro und Real. Warum es sich In der Corona-Krise als Vorteil erweist.

Während große Teile des deutschen Einzelhandels wegen der Corona-Krise eine Zwangspause einlegen müssen, ist es in Supermärkten, bei Discountern und Großhändlern umso voller. Von dem Boom der vergangenen Woche profitieren auch der Düsseldorfer Handelsriese Metro und seine ungeliebte Tochter Real, die im Frühsommer in den Besitz der russischen SCP-Gruppe übergehen soll.

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Einlasskontrollen, die Einzelhändler in NRW in diesen Tagen sukzessive einführen, gibt es bei der Metro eigentlich immer. Wer keine gültige Metro-Karte in das Lesegerät hinter der Schiebetür schiebt, für den öffnet sich das Drehkreuz ohnehin nicht. Neu in diesen Corona-Wochen ist jedoch, dass sich jeder Kunde vor dem Terminal die Hände desinfizieren muss. Eine gestrenge Mitarbeiterin achtet darauf, dass die Verbraucher das auch ordentlich machen.

Seit geraumer Zeit hat Metro-Chef Olaf Koch seine Großmärkte auf das wachsende Geschäft mit Gastronomen und Hoteliers ausgerichtet. Die meisten von ihnen mussten ihre Betriebe schließen, dürfen Gerichte nur noch ausliefern. Und dennoch sind die Metro-Märkte in diesen Tagen rappelvoll. „Unsere Gastronomiekunden kaufen aktuell natürlich weniger ein und das wird sicherlich in den kommenden Wochen anhalten“, sagt Konzernchef Olaf Koch. Jetzt zahlt sich aus, dass auch zahlreiche Freiberufler und normale Verbraucher, die sich auf Umwegen die begehrte Metro-Karte besorgt haben, im Großmarkt einkaufen.

Öffnung der Metro nicht nur für Gewerbetreibende?

„Viele Kunden haben die Metro in dieser Phase wiederentdeckt, die länger nicht mehr da waren“, sagt Konzernsprecher Gerd Koslowski mit einem Augenzwinkern. „Die Märkte sind groß, die Gänge breit, so dass die erforderliche soziale Distanz leichter gewahrt werden kann.“ An die generelle Öffnung der Großmärkte für Privatkunden denkt die Metro allerdings aktuell noch nicht. Der Wettbewerber Selgros hatte einen Vorstoß in diese Richtung vor einigen Tagen gleich wieder zurückgezogen – aus rechtlichen Gründen. Gleichwohl gibt es auch bei der Metro Überlegungen in diese Richtung. „Natürlich prüfen auch wir weitere Möglichkeiten, unseren Beitrag zur Grundversorgung der Bevölkerung in dieser Ausnahmesituation sicherzustellen“, sagt Koslowski.

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Den Großmärkten und SB-Warenhäusern fällt in dieser Krise eine besondere Rolle zu: Zum Sortiment gehören nicht nur die derzeit besonders nachgefragten Lebensmittel und Hygieneartikel, sondern auch Haushaltswaren und Textilien, Fernseher und Computerbedarf. Waren, die es ansonsten während der Corona-Pandemie nur noch im Internet zu kaufen gibt. Andere Anbieter von Pfannen, Töpfen und sonstigen Kochutensilien wie Karstadt Kaufhof, Woolworth, WMF oder Kodi mussten allesamt schließen. Gerade diese Waren haben in Zeiten geschlossener Kantinen und Restaurants aber Hochkonjunktur.

Real setzte schon im Januar Krisenstab ein

Von dem breiten Angebot profitiert jetzt freilich auch die SB-Warenhauskette Real, die dem Mutterkonzern Metro zuletzt wenig Freude, dafür aber rote Zahlen beschert und damit die Bilanz verhagelt hatte. „Mit Bekanntwerden der ersten Fälle in China hatte die Real-Geschäftsführung bereits im Januar einen Krisenstab ins Leben gerufen, der sich kontinuierlich mit der aktuellen Lage auseinandersetzt“, sagt Sprecher Markus Jablonski im Hinblick auf das Corona-Drama.

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Das Bittere daran: Für die beiden Real-Geschäftsführer Henning Gieseke und Patrick Müller-Sarmiento, die das Unternehmen gerade zu Höchstleistungen bringen, hat der künftige Eigentümer SCP vor zwei Wochen bereits Nachfolger benannt. Im Frühsommer sollen unter anderem der ehemalige Lidl-Vorstand Bojan Luncer und Ex-Rewe-Mann Oliver Mans die Zerschlagung von Real vorantreiben. Mehr als 40 Märkte stehen zur Schließung an, nur 50 will SCP unter dem Namen Real selbst weiterbetreiben, der Rest soll an Wettbewerber wie Kaufland, Edeka und Globus weiterverkauft werden.

Dank an Real-Mitarbeiter vor der Zerschlagung

Mit dieser quälenden Unsicherheit im Hinterkopf arbeiten die 34.000 Real-Beschäftigten während der Corona-Turbulenzen nun auf Hochtouren. Um sie angesichts der täglichen Kundenanstürme zu motivieren, hat die Real-Geschäftsführung einen Radiospot geschaltet. „Wir danken Euch, dass wir uns jeden Tag auf Euch verlassen können. Ihr seid das beste Team und wir sind unfassbar stolz auf Euch“, heißt es darin. In diesen unruhigen Zeiten sei Real „eine verlässliche Konstante“.

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Und das, obwohl der Betriebsrat durch die geplante Zerschlagung 10.000 Arbeitsplätze in Gefahr sieht. In der Corona-Krise ticken die Uhren anders. „Zur Unterstützung unserer Mitarbeiter in den Märkten suchen wir derzeit Aushilfen, Studenten und Schüler mit einem Mindestalter von 18 Jahren, im Wesentlichen für Kasse und Warenverräumung“, sagt Sprecher Jablonski. Real wirbt massiv um Kräfte, die „unsere Alltagshelden“ in den Märkten unterstützen.

Metro-Märkte im Corona-Zentrum Wuhan geöffnet

Bei der Konzernmutter Metro leitet Vorstandschef Olaf Koch selbst den Krisenstab. Er muss in den schweren Corona-Zeiten nicht nur die Großmärkte in Deutschland am Laufen halten. Metro hat auch ein starkes Auslandsgeschäft mit weltweit 678 Märkten in 24 Ländern. Selbst in der chinesischen Provinz Wuhan, wo die Corona-Krise ihren Lauf nahm, sind die vier Metro-Märkte weiter geöffnet. „In Italien haben mittlerweile 13 Märkte schließen müssen. Ansonsten sind die Märkte der Metro weltweit geöffnet“, betont Sprecher Koslowski.

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Der Düsseldorfer Handelskonzern beobachtet, dass die Kunden neben Nudeln, Reis und Konserven auch Computer, Laptops, Aufbewahrungsutensilien, Batterien und Leuchtmittel kaufen. „Reisegepäck und Oberbekleidung sind im Vergleich dazu aktuell weniger nachgefragt.“ Das Reiseverbot lässt grüßen. Probleme beim Nachschub sieht die Metro nicht. „Die offiziell angeordneten Grenzschließungen in Europa blockieren keine Waren, es kommt lediglich zu Zeitverzögerungen durch die verschärften Kontrollen“, so Koslowski. „Hamsterkäufe finden statt, auch im Großhandel. Aufgrund der hohen Nachfragen sind temporär einzelne Artikel nicht sofort verfügbar – aber selbst das Toilettenpapier wird immer wieder nachgeliefert.“

Höchstens zwei Pakete Klopapier pro Kunde

Das gilt offenbar auch für Real. „Wir haben bereits seit Anfang März unsere Warenlogistik so angepasst, dass wir auf die höhere Nachfrage unmittelbar reagieren können“, sagt Jablonski. Frischeprodukte würden täglich in die Märkte geliefert, Konserven und andere Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Reis sowie Hygieneartikel und Toilettenpapier „mehrmals pro Woche“. Und dennoch: Wegen des riesigen Andrangs hat Real damit begonnen, vor allem die Abgabe von Klopapier auf höchsten zwei Pakete pro Kunde zu beschränken. Der Real-Sprecher: „Wir appellieren an unsere Kunden, fair zu bleiben und nicht mehr als eine haushaltsübliche Menge pro Artikel zu kaufen, so dass eine möglichst große Anzahl von Kunden mit Ware versorgt werden kann.“